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Emotionale Intelligenz – Das Kind ist oft Symptomträger

2. Januar 2019, 13:06

Sarah Remmel coacht Kinder, die von Alltagsproblemen betroffen sind. Warum sich bei Prüfungsängsten und Konzentrationsproblemen oft auch ein Blick dahinter lohnt, erklärt sie im Gespräch mit Anya Biberthaler.

Sarah Remmel(35), Trainerin und Coach für emotionale Intelligenz

Immer mehr Kinder leiden im Alltag unter Stress und emotionalen Belastungen. Und immer weniger Eltern fühlen sich imstande, die Probleme ihrer Schützlinge selbstständig zu lösen. Der Bedarf an externen Therapeuten wächst stetig, die Anzahl kassenärztlich zugelassener Psychotherapeuten ist hingegen überschaubar. Patienten müssen im Durchschnitt 20 Wochen auf einen Behandlungstermin bei einem der 27.000 Therapeuten warten. Diese Versorgungslücke wird vermehrt von Coaches verschiedenster Disziplinen gefüllt. Eine davon ist Sarah Remmel, die seit zwei Jahren nach der wingwave-Methode, einem gut bewährten Kurzzeit-Coaching-Konzept, praktiziert. Die 35-Jährige, die im nordrhein-westfälischen Lohmar praktiziert, hat es sich zum Ziel gesetzt, Kinder nachhaltig zu stärken und von negativen Glaubenssätzen zu befreien.

Mit welchen Problemen kommen die Kinder zu Ihnen?
Leistungsdruck und Zeitdruck ist schon längst in den Kinderzimmern angekommen, es fehlt ein gesundes Maß an Langeweile. Und ich habe viele Klienten, die von Mobbing betroffen sind, von ungünstigen Schulbedingungen wie beispielsweise zu großen Klassen. Was mir auch auffällt: Kinder haben heute viel zu wenig Bewegung, sitzen zu viel und zu lange vor ihren Smartphones. Auch das ist ein Auslöser von Stress. Sie leben im Zeitalter der Digitalisierung unter schwierigen Bedingungen.

Verkorkste Rahmenbedingungen gehen ja eher auf das Konto der Eltern. Sind dann nicht eher die Eltern therapiebedürftig?
Ja, ich arbeite sogar bevorzugt systemisch, also mit den Eltern, mit der ganzen Familie. Denn oft ist das Kind nur der Spiegel der familiären Zustände, ein Symp-tomträger und es ist wahnsinnig wichtig, dass die Eltern auch auf sich schauen. Leider sind nicht alle Eltern bereit, ihre eigenen Themen anzugehen. Sie sagen, mein Kind hat Probleme, bitte lösen Sie das, heilen Sie mal. Das reicht oft nicht und es fällt mir schwer, das mitzuerleben.

Wie gehen Sie damit um?
Es ist meine größte berufliche Herausforderung, mich an dieser Stelle abzugrenzen. Aber es ist immer wieder traurig, wenn es keine Kooperation mit den Eltern gibt. Sobald ich als Coach raus bin und sich in der Familie nichts geändert hat, ich das Kind also zurück in den Krisenherd entlassen muss, wird es für das Kind sehr schwierig. Eine nachhaltige Problemlösung ist dann nicht zu erwarten.

Es ist nicht immer einfach herauszufinden, wo der Hund begraben liegt …
Ja, und es ist wichtig zu prüfen, was denn nun das tatsächliche Problem ist. Ich nutze dazu unter anderem den Myostatiktest auch O Ring-Test genannt, das ist ein Muskeltest, der Hinweise darauf geben kann, ob ein Kind mit einem Thema tatsächlich ein Problem hat oder ob das vielleicht nur vorgeschoben ist. Das Kind bildet zwischen Daumen und Zeigefinger einen festen Muskelring, den ich immer wieder versuche zu lösen. Ist ein Kind mit einem Thema überfordert, gestresst oder fühlt sich einer Aufgabe nicht gewachsen, kann sich dies im Erschlaffen des Handmuskels widerspiegeln.

Dann kommt die wingwave-Methode zum Einsatz. Wie funktioniert das?
Im Schlaf, in der REM- (Rapid Eye Movement) Phase, bewegen wir unsere Augen schnell hin und her. Grundlegende Annahme der wingwave-Methode ist, dass wir über diese Augenbewegung, also den damit verbundenen Rechts-Links-Stimulus, Erlebnisse verarbeiten. Dieses Prinzip greife ich in der Sitzung auf. Ich führe den kleinen Klienten zunächst in die entsprechende Stresssituation und dann bewege ich vor seinen Augen meine Finger sehr schnell hin und her. Das Kind muss mit den Augen den Bewegungen folgen und gibt damit seinem System die Möglichkeit, die unangenehme Emotion loszulassen. Ich konnte mir zunächst nicht vorstellen, dass das funktioniert, aber man muss das wirklich erleben. Es kann tatsächlich vieles lösen. Ich arbeite auch mit Musik über einen Kopfhörer, auch eine Rechts-Links Stimulation, ähnlich der Augenbewegung. Beim Laufen wirkt das gleiche Prinzip, auch das ist eine gute Möglichkeit, um sich zu entstressen. Umgekehrt gilt: Bewegungsmangel kann zu Stress führen.

Was machen Eltern heute falsch?
Erschreckend ist, dass viele Eltern nicht mit sich im Reinen sind, dass sie viel glücklicher sein könnten, als Einzelperson und als Familie. Sie essen Chia-Samen und gehen ins Fitnessstudio, lassen die emotionale Gesundheit aber außen vor. Dabei ist es einfach, etwas für sich zu tun. Spazieren gehen, Musik hören, den Blick auf sich selber richten, ins Gleichgewicht kommen. Vielleicht mit einer Minute Meditation am Tag beginnen, glücklicher werden und das dann der Familie vorzuleben.

sarah-remmel.de