Eco: Kinderprodukte neu denken

23. Juli 2024, 14:14

Kinderprodukte haben oft nur eine geringe Nutzungsdauer, Spielzeug verliert schnell seinen Reiz, Kleidung und Möbel passen nicht mehr. So verschwinden die einst geliebten Artikel in Schubladen und Schränken oder landen auf dem Müll. Durch ausrangierte oder weggeworfene Kinderprodukte entsteht eine Menge Abfall, was zu einem verschwenderischen Kreislauf führt. Als Mutter von zwei Kindern weiß Yoon Jung Choi, Designforscherin, Pädagogin und Produktdesignerin aus den USA, um dieses Problem und hat sich in einer Forschungsarbeit dem „Winterschlaf“ von Kinderprodukten gewidmet.

Das Hauptziel dieser Forschungsarbeit war es, die Gründe für den „Winterschlaf“ von Kinderprodukten zu verstehen und Wege zu finden, ihre Wiederverwendung zu fördern und ihre Lebenszyklen zu verlängern. Es ging darum, die Konstruktionsfehler und Versäumnisse zu beleuchten, die zur vorzeitigen Entsorgung durchaus brauchbarer Artikel beitragen, und Design-Strategien für Nachhaltigkeit und Wiederverwendung zu enwickeln.

Anhand einer umfassenden Erhebung über 157 Produkte für Kinder, die im „Winterschlaf“ liegen, und Interviews mit britischen Familien hat Yoon Jung Choi herausgefunden, dass Emotionen, die ursprüngliche finanzielle Investition und eine mögliche künftige Nutzung Eltern häufig dazu veranlassen, diese Gegenstände zu behalten, selbst wenn sie nicht mehr in Gebrauch sind. Die Umfrage ergab auch, dass vor allem Kleidung, Möbel sowie Spielzeug und elektronische Spielgeräte am ehesten behalten werden. Und dass die emotionale Bindung an Spielzeug zwar das Leben der Kinder bereichern kann, viele der angesammelten Produkte aber aufgrund des Designs, das oft an bestimmte Zeiträume und Größen gebunden ist, irgendwann veraltet sind und entsorgt werden.
In Interviews und Workshops wurden 14 einflussreiche Faktoren ermittelt, die die Nutzer entweder zur Pflege und Wiederverwendung von Kinderprodukten motivieren oder sie daran hindern. Das sind Faktoren wie beispielsweise Anpassungsfähigkeit, Reversibilität oder einfach Freude am Produkt. Modular aufgebaute Produkte, die mit den Kindern mitwachsen oder den sich ändernden Interessen anpassen lassen, werden eher gepflegt und weiter genutzt. Umgekehrt sorgen Faktoren wie mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse für Upcycling und das Stigma, das der Wiederverwendung von abgelegten Kindersachen anhaftet, dafür, dass noch einwandfrei funktionierende Gegenstände schließlich entsorgt werden.
In einem Workshop schließlich wandten die Teilnehmer die Motivationsfaktoren für die Wiederverwendung an und entwickelten Ideen für die Neugestaltung von Kinderprodukten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse führten zur Entwicklung eines Modells für Pflegemotivation und Barrieren für die Wiederverwendung (CMBR), das als Leitfaden für die Gestaltung von Kinderprodukten dienen kann. Um den verschwenderischen Kreislauf von Kinderprodukten zu durchbrechen, muss die Spielzeugindustrie den folgenden Designüberlegungen Priorität einräumen:

  • Anpassungsfähigkeit
    Es sollten Produkte entworfen werden, die sich durch Modularität, Erweiterbarkeit und Skalierbarkeit an das Wachstum von Kindern, sich ändernde Interessen und unterschiedliche Kontexte anpassen können.
  • Umkehrbarkeit
    Integrierte Funktionen müssen es ermöglichen, Produkte leicht anzupassen, damit sie den sich ändernden Bedürfnissen gerecht werden, und sich so ihre Lebensdauer und Attraktivität für die Wiederverwendung verlängert.
  • Fertigkeiten und Wissen
    Aufklärung der Nutzer über alternative Verwendungsmöglichkeiten und Zugang zu Komponenten für das Upcycling.
  • Emotionale Bindung
    Förderung der emotionalen Bindung zwischen Kindern und ihren Produkten durch ansprechende Ästhetik, Freude an der Haptik und Möglichkeiten zur persönlichen Gestaltung.
  • Erlebtes Vergnügen
    Integrierte Elemente, die den Wiederverwendungsprozess sowohl für Kinder als auch für Eltern angenehm, lohnend und anregend machen.
  • Rücksicht auf die Umwelt
    Beim Design sollte auf Langlebigkeit geachtet werden, das heißt es müssen langlebige Materialien verwendet werden, die mit den ökologischen Werten übereinstimmen und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt fördern.
  • Geschlechtsneutralität
    Geschlechtsneutrale Designs, um die Möglichkeiten der Wiederverwendung in Haushalten zu erweitern und das Stigma zu verringern, das mit abgelegten Kleidungsstücken verbunden ist. Der Verzicht auf übermäßig geschlechtsspezifische Farbschemata, Motive oder Stile kann die gemeinsame Nutzung von Artikeln unter Geschwistern erleichtern.
Yoon Jung Choi

Yoon Jung Choi ist Designforscherin, Pädagogin und Produktdesignerin. Als Assistenzprofessorin für Industriedesign an der Virginia Tech konzentriert sie sich auf die Förderung der Nachhaltigkeit im Bereich Produkt- und Industriedesign durch einen interdisziplinären Ansatz. Yoon Jung Chois Arbeit verbindet nachhaltiges Design, Verhaltenswissenschaft und fortschrittliche Technologie, um ein verantwortungsbewusstes Verbraucherverhalten zu fördern, Funktionsabfälle zu reduzieren und die Wiederverwendung von Materialien in einem abfallfreien Kreislaufsystem zu erleichtern. Als Senior/Mid-Level-Designerin hat sie bei Beratern für Verpackungs- und Markendesign in London gearbeitet, darunter BlueMarlin Brand Design, Samsung Design Europe, Lewis Moberly und SiebertHead.


„Um einen nachhaltigeren Ansatz für den Produktlebenszyklus zu fördern, müssen Spielzeug, Kleidung und Möbel gepflegt, wiederverwertet und umfunktioniert werden.“

Yoon Jung Choi


Im Wesentlichen ist die Studie ein Aufruf an die Kinderproduktindustrie, ihren Designansatz zu überdenken. Denn das ist von entscheidender Bedeutung, um die vorzeitige „Überwinterung“ und Entsorgung von „herausgewachsenen“ Artikeln zu reduzieren. Die Einbindung von Anpassungsfähigkeit, emotionaler Langlebigkeit, wahrgenommener Nachhaltigkeit und dauerhaftem Wert in Produkte kann Familien dazu ermutigen, die richtige Pflege und verantwortungsvolle Wiederverwendung im Einklang mit den Kreislaufprinzipien zu praktizieren. Die Erkenntnisse zeigen, dass die Branche eine große Chance hat, ihre Produkte und Systeme neu zu definieren, um den Wert der Ressourcen zu erhalten, die Umweltbelastung zu minimieren und sinnvolle lebenslange Beziehungen zwischen Kindern und ihren geliebten Gegenständen zu entwickeln. So lässt sich eine Zukunft schaffen, in der ausgemusterte Spielsachen, Kleidung und Möbel nicht weggeworfen, sondern kontinuierlich gepflegt, wiederverwendet und umfunktioniert werden, um einen nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Ansatz für den Produktlebenszyklus zu fördern.