Nachhaltigkeit: Die Unternehmerin und Öko-Kriegerin

19. Januar 2022, 18:43

2018 gründete Sharon Keilthy Jiminy Eco Toys, ein auf Öko-Spielzeug spezialisiertes Unternehmen, das nachhaltige Produkte in Irland und Großbritannien vertreibt. Kielthy ist selbst Mutter und gab ihre Führungsposition bei einem amerikanischen multinationalen Unternehmen auf, um sich selbstständig zu machen. Im Online-Interview mit Astrid Specht erklärte sie, was ein Spielzeug „Öko“ macht, warum sie hofft, dass Jiminy Eco Toys irgendwann nicht mehr gebraucht wird und welche Schritte die Spielwarenindustrie unternehmen muss, um möglichst schnell nachhaltig zu werden.

Sharon Keilthy, Gründerin und CEO von Jiminy Eco Toys mit ihrer Tochter

Sharon, wie kamen Sie auf die Idee mit Jiminy Eco Toys und wie haben Sie sie zu dem entwickelt, was sie heute ist?
Es war 2018 und der vierte Geburtstag meiner Tochter stand an. Ich ging in einen Spielzeugladen und suchte nach etwas, das lokal hergestellt und plastikfrei war. Ich kam mit leeren Händen wieder raus. Alles war entweder aus Plastik (eingewickelt in noch mehr Plastik) oder wurde am anderen Ende der Welt hergestellt, und das meiste war beides. Ich konnte es einfach nicht mehr kaufen, und ich vermutete, dass es anderen wahrscheinlich genauso ging. Später in diesem Jahr kam der fünfte IPCC-Bericht heraus: Wir standen vor einem Klimanotstand. Ich beschloss, Umweltaktivistin zu werden und meine unternehmerischen Fähigkeiten einzusetzen, um das Problem anzugehen, das ich erlebt hatte: Wenn es keine nachhaltigen Optionen gibt, wie können wir sie dann wählen? Wir müssen es den Kunden einfacher machen, das Richtige zu tun, indem wir nachhaltige Optionen in die Regale bringen. Ich fing an, herumzutelefonieren und mir Informationen über verschiedene Arten von Produkten einzuholen, und das erste „Ja“ kam von einem Spielzeughersteller. Also folgte ich dieser Energie und fokussierte mich auf Spielzeug.
 
Welches Marketing- und Vertriebskonzept hat sich für Sie als das beste erwiesen?
Wir verbringen viel Zeit damit, das „Warum“ unserer Arbeit zu vermitteln (wir wollen Spielzeug nachhaltig machen, weil es das im Moment nicht ist). Wir sind schonungslos transparent und weisen auch auf Unzulänglichkeiten der von uns angebotenen Spielzeuge hin. Und das alles natürlich im Kontext von Kinderspielzeug! Und da wir wissen, dass „Öko“ im Moment noch eine Nische ist und dass die Gewinnspannen geringer sind, wenn die Produktion lokal und nachhaltig ist, haben wir auf Massenwerbung verzichtet und uns stattdessen auf den Aufbau einer Community von Unterstützern in den sozialen Medien konzentriert. Und wir sind ausschließlich online aktiv – denn wir können „unsere“ Leute zwar landesweit online finden, aber das ist nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen in einem geografischen Gebiet. Auch in unserem Großhandelsgeschäft konzentrieren wir uns auf kleinere Einzelhändler und arbeiten nicht mit Handelsvertretern oder Broschüren, sondern sind ein moderner Online-Großhändler mit minimalen Kosten.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Spielwaren aus, die Sie führen?
Unser Ziel heißt „klimaneutrales und müllfreies Spielzeug“. Das heißt, Materialien, die natürlich, recycelt oder beides sind (kein neues Petroplastik). Mit minimaler Verpackung und dann auch möglichst ohne Plastikverpackungen. Und idealerweise wird das Spielzeug in Europa hergestellt, um den CO2-Ausstoß beim Transport zu minimieren. Und natürlich muss es etwas Besonderes sein, mit dem man spielen kann, damit es ankommt! Wir finden, dass entweder eine leicht erkennbare Öko-Version eines bekannten Spielzeugs oder etwas, das aus anderen Gründen als der Nachhaltigkeit etwas ganz Besonderes ist (zum Beispiel in Irland aus irischem Holz hergestellte Traktoren), am beliebtesten sind. Außerdem führen wir nur Spielzeuge, die eine gesunde Gesellschaft im Allgemeinen unterstützen – wenn sie Menschen abbilden, müssen sie menschliche Vielfalt, Inklusion und Gleichheit zeigen und Stereotypen vermeiden (und entgegenwirken).

Was macht ein Spielzeug „öko“ und was nicht?
Es gibt mehrere Kriterien, die ein Spielzeug für uns zu einem „Öko“-Spielzeug machen: Zum einen ist da ein minimaler ökologischer Fußabdruck. Das ist der dringendste und wichtigste Aspekt. Bei der Verarbeitung von Erdöl zu Kunststoffen, wie sie häufig in Spielzeug verwendet werden, wird in der Regel das zwei- bis sechsfache des Gewichts des Spielzeugs an CO2 freigesetzt. Die Ellen MacArthur Foundation1 schätzt, dass die Verwendung von Plastik sechs Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen verursacht. Tatsächlich müssten wir eine Milliarde2 Bäume pflanzen, um das bei der Herstellung von Plastikspielzeug weltweit freigesetzte CO2 zu absorbieren. Pflanzen hingegen absorbieren CO2 (und geben Sauerstoff ab), während sie wachsen, sodass Materialien wie Holz, Pappe und Biokunststoffe wie Bio-PE einen negativen CO2-Fußabdruck haben – genau das, was wir brauchen. Und die meisten recycelten Materialien haben einen viel geringeren CO2-Fußabdruck als Neuware – und sie tragen zur Lösung der Abfallkrise bei.
Wir verlangen von einem Öko-Spielzeug auch, dass es einen minimalen Abfall-Fußabdruck hat. Außerdem sollte es möglichst wenig Verpackung haben, wiederverwertbar sein, eine lange Lebensdauer haben und das Spielzeug selbst sollte recycelbar sein. Der Verzicht auf Plastik in den meisten Verpackungen ist durchaus machbar; das einzige Plastik, für das wir noch keine gute Lösung gefunden haben, ist Schrumpffolie.

Produkte aus Holz und Karton sorgen prozentual für den Hauptumsatz bei Jiminy Eco Toys
(Image source: Jiminy Eco Toys, 2021)
Die Grafik rechts zeigt, wie viel CO2 bei der Produktion verschiedener Materialien in die Atmosphäre gelangt
(1 https://www.ellenmacarthurfoundation.org/publications/the-new-plastics-economy-rethinking-the-future-of-plastics-catalysing-action
2 Sources: Statistica, UNEP report 2014 “Valuing plastics”, among others – click for workings: https://jiminy.ie/blogs/news/plastic-free-why)

Wie haben die Verbraucher auf Ihr Angebot reagiert und wie der Einzelhandel?
Die vorherrschende Reaktion war Erleichterung und Begeisterung. Erleichterung darüber, endlich einen Spielzeugladen/Lieferanten gefunden zu haben, bei dem sie sich entspannt zurücklehnen können und ein gutes Gefühl beim Einkauf haben. Wir führen über 650 Öko-Spielzeuge und 100 Titel von Naturbüchern, sodass man bei uns fast alles bekommt, was man will. Unsere Community und unser Umsatz wachsen von Jahr zu Jahr, trotz der derzeit schwierigen Marktbedingungen. Und jede Woche melden sich neue Einzelhändler bei uns, die unser Ökospielzeug in ihr Sortiment aufnehmen wollen.

Haben Sie festgestellt, dass sich Ihre Verbraucherdemografie seit den Anfängen von Jiminy Toys verändert hat oder dass die Nachfrage nach umweltfreundlichem Spielzeug erheblich gestiegen ist?
Ich glaube, der „Öko“-Höhepunkt der letzten Jahre war 2019 das Jahr von Greta Thunberg. Das war bevor Corona auftauchte, das uns alle ablenkt und erschöpft. Ich habe das Gefühl, dass die Leute immer noch Gutes tun wollen, aber im Moment haben sie viel weniger Platz im Kopf und im Herzen für „Öko“. Unsere Umsätze sind weiter gestiegen, wie man es von einem relativ neuen Unternehmen erwarten würde, aber ich glaube, das liegt eher daran, dass wir die umweltbewussten Kunden gefunden haben, die uns vorher nicht kannten, als daran, dass mehr Menschen entschlossen sind, ökologisch einzukaufen.

Was ist Ihre Vision für Jiminy Toys – wo werden Sie in zwei, fünf und zehn Jahren stehen?
Unsere langfristige Vision ist, dass wir nicht mehr gebraucht werden! Dass „Öko“ zur neuen Normalität für Spielzeug wird; dass man in den Fachhandel geht und jedes Produkt im Regal aus pflanzlichen oder recycelten Materialien hergestellt ist. In der Zwischenzeit arbeiten wir darauf hin, indem wir unseren Marktanteil und unser Sortiment vergrößern. Wir wollen ein Vorbild sein und zeigen, dass man einen gut bestückten, erschwinglichen und vielfältigen Spielwarenladen haben kann, dessen Produkte zu 100 Prozent aus pflanzlichen oder recycelten Materialien besteht. Und wir wollen zeigen, dass die Nachfrage nach Öko-Spielzeug hoch ist, sodass sich die großen Ketten endlich bemühen und versuchen, das Puzzle um die nachhaltige Spielzeugproduktion zu lösen und das Gelernte teilen.

Mit dem „Brett“ lernen Kinder spielend leicht in Balance zu bleiben
Die Farben der Malstifte leuchten schön und sind dabei wasserlöslich.

Die Spielwarenmesse hat „Toys go Green“ zum Trend des Jahres 2022 erklärt. Ist dies ein Schritt in die richtige Richtung oder besteht die Gefahr, dass die Branche das nur als Trend wahrnimmt, der verblasst und durch etwas anderes ersetzt wird und danach wird alles wieder so wie vorher?
Jede PR ist gute PR. Jedes Gespräch über Nachhaltigkeit bei Spielzeug bringt uns dem „Öko ist normal“ einen Schritt näher. Weltweit werden die Themen Klima und Umwelt immer wichtiger werden, sodass die Erwartungen der Menschen an Spielzeug – und die staatlichen Regulierungen – folgen werden. Mit anderen Worten, es gibt kein Zukunftsszenario, in dem Spielzeug weiterhin zu 90 Prozent aus Neukunststoff beziehungsweise Petroplastik besteht. Das ist einfach keine Option – zumindest dann nicht, wenn wir wollen, dass menschliches Leben auf der Erde dieses Jahrhundert überlebt. Der Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung ist daher für Spielwaren wie für alle anderen Branchen unvermeidlich. Je mehr wir alle lernen und uns in Richtung klimaneutrales, müllfreies Spielzeug entwickeln, desto einfacher wird es.

Was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Schritte, die die Spielwarenindustrie unternehmen muss, um so schnell wie möglich vollständig nachhaltig zu werden?
Anreize geben: Die meisten der größten Spielzeughersteller der Welt profitieren nicht davon, wenn ein Spielzeug an eine andere Familie weitergegeben wird, aber die Wiederverwendung ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, um ein Produkt nachhaltig zu machen. Tatsächlich ist ein beliebtes Spielzeug in einem Wohltätigkeitsladen derzeit eine Konkurrenz für die großen Spielzeughersteller – sie verlieren dadurch Einnahmen. Das muss sich ändern! „Das Richtige tun“ und „Das tun, um die Rechnungen zu bezahlen“ muss endlich dasselbe gleich werden!
Reines Petroplastik ist nicht umweltfreundlich. Ein großes Problem, ist jedoch, dass ein nachhaltiger Ersatz wie Bio-PE oft mehr kostet. Auch das muss sich ändern! Man muss bedenken: Um Erdöl zur Raffinerie zu bringen, muss man Bodenerkundung durchführen (Bohren, Offshore-Bohrinseln), dann bohren, den Boden aufbrechen (Fracking), extrahieren, Pipelines bauen und so weiter. Agrarabfälle (zum Beispiel aus Zuckerrohr) in die Raffinerie zu bringen, kann doch nicht teurer sein als das! Die Wahrheit ist: Es ist auch nicht teurer – nur wird die Erdölindustrie subventioniert. Der IWF sagte im September 2021: „Neue IWF-Forschung schätzt die weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe auf etwa sechs Billionen US-Dollar, wobei etwa 70 Prozent aus der „Unterbemessung“ der mit den Brennstoffen verbundenen Umweltkosten resultieren.3 Das Richtige zu tun, muss gleich viel oder weniger kosten als „das Falsche zu tun“: Die Welt muss ihre fatale Abhängigkeit von Erdöl beenden. Das kann die Spielzeugindustrie nicht alleine tun, aber vielleicht kann sie ihren Teil dazu beitragen.


Wissen und Können teilen:
Spielzeugerfinder und -designer haben viel Macht. Sie sagen, dass rund 80 Prozent der Nachhaltigkeit eines Produkts in der Designphase gebunden sind!4 Ich habe mit so vielen Spielzeugerfinderinnen und -designerinnen gesprochen, die ihr Spielzeug nachhaltiger gestalten möchten, aber die kein Wissen über Materialwissenschaft oder die Materiallieferanten nicht kennen. Insofern wäre es gut, wenn die Industrie ihr Wissen und Informationen dafüber an die Erfinder und Designer weitergeben könnte.
Recycling-Plastik: Recyclingkunststoff ist meiner Meinung nach eine große Chance, die eher und eher in unserem Einflussbereich liegt. Nur ein kleiner Prozentsatz des Plastiks wird weltweit wiederverwertet, was bedeutet, dass viel Material einfach weggeworfen oder verbrannt wird – Material, für das wir als Gesellschaft in Bezug auf Klimawandel, Umweltverschmutzung und die Erdölindustrie viel bezahlt haben. Die Verwendung von recyceltem Kunststoff wertet diesen auf und fördert einen sorgfältigeren Umgang, Sammlung und die weitere Wiederverwendung. Derzeit ist es jedoch schwierig, recycelte Kunststoffpellets zu finden, die die Sicherheitsstandards für Spielzeug erfüllen. Die Frage ist, wie wir mit Recyclingunternehmen, Regierungen und sogar Herstellern von Kunststoffprodukten zusammenarbeiten können, um es einfacher zu machen? Bezahlbar? Günstiger als die Verwendung von Neukunststoffen?

Vielen Dank für Ihre Offenheit, Sharon!
jiminy.ie