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E-Commerce – Wie Versandhandel in Nischen heute funktioniert

23. November 2020, 11:55

Wie Onlineshops mit Kundennähe, Individualisierung und dynamischer Preispolitik wachsen, erläutert Dr. Stephan Roppel, Geschäftsführer bei baby-walz, im nachfolgenden Gastbeitrag.

Immer wieder werde ich gefragt, wie ein Versandhaus mit Tradition seine Position finden und ausbauen kann in einem E-Commerce-Markt, der durch Online-only-Player wie Amazon oder Zalando dominiert wird, und aus dem sich einstige Stars wie Neckermann oder Quelle längst verabschiedet haben. Das Versandhaus Walz hatte mit seinen Marken baby-walz, Die Moderne Hausfrau und Walz Vital von Beginn an entscheidende Vorteile: Präsenz in unterschiedlichen Vertriebskanälen – Katalog, Online, Telefon, Fachgeschäfte – und Spezialisierung auf jeweils klar zu benennende Zielgruppen beziehungsweise Warenkategorien. Da unter diesen Rahmenbedingungen Erfolgsfaktoren im Multichannel-Versandhandel konkret notwendig sind, muss man neben der Pflicht, also dem unbedingt notwendigen, auch die Kür beherrschen – das heißt Kompetenzen entwickeln, die exzellente von normalen Händlern unterscheiden.
Zur Pflicht zählen funktionierende, attraktive und nutzbare Shop-Oberflächen für alle digitalen Kanäle. Als Basis dienen ein gut strukturiertes und vollständiges Sortiment, aussagekräftige Produktinformationen, schnelle Lieferung beziehungsweise die Einhaltung des Lieferversprechens. Ebenfalls unverzichtbar sind eine Bandbreite relevanter Zahlungsmöglichkeiten, unproblematische Retourenabwicklung sowie der reibungslose Wechsel zwischen Vertriebskanälen.
Schon diese nur scheinbar selbstverständlichen Faktoren erfordern ständigen professionellen Aufwand und regelmäßige Investitionen, um der zumeist weiblichen Kundschaft Enttäuschungen zu ersparen. Amazon als de facto Marktstandard hinsichtlich Schnelligkeit, Kundenservice und breiter Auswahl, sorgt durch regelmäßige Leistungssteigerungen dafür, dass sich in diesen Punkten kein Händler ausruhen kann. Um aber Kunden zu begeistern, zu binden und bei anspruchsvollem Pflichtprogramm auch Geld zu verdienen, ist mehr nötig als die Erfüllung des Notwendigen. Und genau hier beginnt die Kür.
Es gibt drei Bereiche, in denen sich Shops mindestens auszeichnen müssen: Kundennähe, analytisch gestützte Individualisierung und dynamisches Pricing.

Was Kundennähe ausmacht

Kundennähe basiert auf der Kombination von glaubwürdiger Erfahrung und spürbarer Emotion für das eigene Thema und geht damit über die rein funktionale Beschreibung und Lieferung eines Produktes hinaus.

Dr. Stephan Roppel ist seit 2018 Geschäftsführer der baby-walz GmbH. Aus Arbeitsverhältnissen bei Amazon, Holtzbrinck, Tchibo und Hugendubel hat er eine Menge Erfahrung in Sachen E-Commerce und Multi-Channel

Sie zeigt sich in der Expertise der Produktvorauswahl, in emotional angemessener Ansprache der Kundin in den für sie relevanten Kommunikationskanälen, bis hin zur themengerechten Gestaltung von digitalen Ratgebern. Inspiration und Entscheidung für einen Kinderwagen, ob in der Filiale, am Telefon oder per Web-App, funktionieren anders und woanders als etwa für eine Waschmaschine. Das spezifische Zusammenspiel von Content, Bilderwelten und kundengerechter Abfrage von Wünschen mündet so zum Beispiel bei baby-walz in digitalen Erstausstattungsberatern, Schwangerschaftswochenkalendern mit präzisen Empfehlungen oder aber online vorbereiteten Personal Shopping-Terminen im Laden. All dies hilft nicht nur der Kundin, sondern erhöht mit Konversion und Warenkorbwert auch messbar die zentralen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.

Wie Individualisierung funktioniert

Erfolgsfaktor zwei, analytisch gestützte Individualisierung, bezeichnet die Fähigkeit, Erkenntnisse und Muster aus dem beobachteten Interesse und Kaufverhalten bestimmter Nutzergruppen mit der ganz persönlichen Situation jeder Kundin zu verbinden – und daraus eine zielgenaue werbliche Ansprache oder konkrete individuelle Angebote zu formulieren. Individuelle Angaben zu Geschlecht, Alter oder Geschwister des Babys erlauben in Kombination mit Erkenntnissen zu typischen lebensphasenbasierten Verhaltensmustern erstaunlich treffsichere Vorschläge. Beispielsweise für den geeigneten nächsten Kindersitz, das richtige Outdoorspielzeug oder die Größe für den nächsten Body. Eine Familie mit mehreren Kleinkindern erwartet andere Angebote als eine Schwangere kurz vor der Entbindung. Solche Vorschläge funktionieren in der werblichen Ansprache wie auch während des Online Shoppings oder in sehr spezifisch formulierten Angebot-Mailings. Auch hier profitiert nicht nur die Kundin: treffsichere Angebote statt undifferenzierter Massenmailings verbessern durch gesteigerte Konversion die Marketing-Effizienz bei der Kosten-Umsatz-Relation (KUR) oder den Cost-per-Order (CPO). Zusätzlich verringern sie die Retourenquote und erhöhen die Wiederkaufrate.

Fokus auf dynamische Preispolitik

Kunden erwarten faire Preise und können dies heutzutage auch jederzeit nachprüfen. Gleichzeitig ist eine flächendeckende Niedrigpreisstrategie für einen Händler, der in Qualität und Service investiert, keine gute Idee. Zudem werden Preise heute nicht mehr für eine ganze Saison auf Basis einer Margenerwartung festgelegt, um sie dann am Ende mit allen anderen gleichzeitig im „Ausverkauf“ herunterzusetzen.
Die Lösung besteht darin, auf Basis einer grundsätzlichen Preispositionierung – die man etwa im Falle von baby-walz mit „nicht am billigsten aber immer fair“ umschreiben könnte – im Detail so flexibel wie möglich zu agieren. Dies gelingt nur durch automatisierte, regelgeleitete, und kontinuierlich auf den Wettbewerb, den Kunden und die eigenen Kostenfaktoren reagierende Preisfindung. Im Hinblick auf die Ziele sind hier weder absoluter Absatz noch relative Durchschnittsmarge wichtig, vielmehr steht neben der Fairness gegenüber der Kundin die nachhaltige Steigerung des absoluten Deckungsbeitrags als Basis für den Unternehmensgewinn im Mittelpunkt.
Allen drei Erfolgsfaktoren im Rahmen der Kür liegen also ein tiefgehendes Verständnis und eine echte Verbundenheit mit der eigenen Nische zugrunde. Zusammen mit datengestützten analytischen Verfahren kann dies auch in ganz anderen Branchen und Nischen zu einer nachhaltigen und wertschaffenden Positionierung im Handel führen.