Digitale Transformation – Eine Lernreise für die Branche

3. September 2021, 9:54

Reisen bildet. Das gilt ganz besonders für die Lernreise, zu der Sie Professor Dr. Dennis Lotter und Ömer Atiker einladen. Die beiden ausgewiesenen Experten für digitale Transformation werden Sie in die Lage versetzen, Ihr Unternehmen neu und digital zu denken. Was Digitale Transformation für die Baby-Kleinkindbranche bedeutet und was die Lernreise beinhaltet, erfuhr Sibylle Dorndorf für Sie in einem inspirierenden Interview.

Zu keiner Zeit haben wir uns so viel mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt wie gerade jetzt. Die Pandemie zwingt uns das Thema förmlich auf, zeigt schonungslos, wo wir Lücken und Versäumnisse haben. Nachholbedarf. Da haben wir gerade alle Hände voll zu tun, um den Corona-Alltag zu bewältigen und sollen an übermorgen denken? An die neuen Trends, die uns schier überrollen, an die globale Konkurrenz, die Meilen weiter zu sein scheint als wir – und doch nur einen Klick entfernt. Wir sind gezwungen, visionärer zu denken und zu arbeiten als je zuvor. Die Pandemie und mit ihr die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft verändert nicht nur das Kundenverhalten nachhaltig, sie fordert ein Umdenken der Unternehmen in allen Bereichen. Geschäftsmodelle müssen überdacht, weiterentwickelt und an neue Anforderungen angepasst werden. Aber Digitale Transformation ist viel mehr:

Prof. Dr. Dennis Lotter ist Experte für digitale Transformationsprozesse. Als Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Sustainable Leadership & Change (ISLC) begleitet er zusammen mit seinem Team Unternehmen und Organisationen durch diesen komplexen Wandel. institut-slc.de

Den Menschen verstehen, analytisch denken, digital handeln – das legt das Fundament für zukunftsfähige Strategien. Professor Dr. Dennis Lotter und Ömer Atiker begleiten Ihren Wandlungsprozess hin zu einem digital denkenden Unternehmen. Weg von halbherzigen Insellösungen. Betreten Sie mit uns das „House of digital Transformation“, schlendern Sie neugierig durch alle Räume. Viel Spaß beim Auftakt zu einer spannenden Lernreise!

Deutschland erlebt gerade das digitale Erwachen, und zwar auf allen Ebenen. Für manchen ein echter Abenteuertrip. Sie wiederum sind Experten für agile und digitale Transformation. Eigentlich müssten Ihnen die Unternehmen jetzt doch die Bude einrennen?
Professor Dr. Dennis Lotter: Wir können uns nicht beschweren, wobei man die Anfragen differenzieren muss. Ich begegne drei Typen von potenziellen „Mitreisenden“: Da sind zum einen die Backpacker, die spontan bereit sind, sich auf das Abenteuer Digitale Transformation einzulassen. Dann die Zauderer, die sich mehr oder weniger noch in Schockstarre befinden, aber erkennen, dass sie etwas tun müssen. Und last but not least die, wie ich sie nenne, Pauschaltouristen, die am liebsten alles so einfach wie möglich hätten. All Inclusive sozusagen, ohne Risiko, irgendwo zu stranden. Ich kann mit allen drei Typen etwas anfangen, kann sie abholen, da, wo sie stehen, aber die neugierigen Backpacker sind mir definitiv am liebsten.

Ömer Atiker: Ich erlebe, dass im Moment viele Firmen sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Sie schmoren im eigenen Saft und sehen vor lauter Wald die Bäume nicht. Meistens fangen sie erst einmal an, sich technisch aufzurüsten, mit CRM, ERP und so weiter. Wieder andere starten Dutzende von Initiativen und bleiben dann ganz schnell irgendwo stecken, verlieren sich in diesem Dschungel. Und am Ende bleibt der Wille zur Veränderung ein Lippenbekenntnis. Darauf, alles einmal neu zu denken, haben dann doch viele keine Lust. Oder einfach Angst.

Was versteht man denn genau unter „digitaler Transformation“?
Lotter: Eine gute Frage. Um diesen Begriff gibt es viel Verwirrung, vor allem in der Realwirtschaft. Digitale Transformation wirkt dort wie ein Schreckgespenst, obwohl fast niemand weiß, was das Wort eigentlich bedeutet. Es geht nämlich genau nicht um Digitalisierung. Da übertrage ich ja lediglich bestehende, analoge Inhalte in Bits und Bytes. Digitale Transformation ist viel mehr. Da gibt es keine analogen Vorbilder. Der Begriff Transformation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Umformung“. Das ist wie eine Metamorphose von der analogen Raupe zum digitalen Schmetterling. Ein gutes Beispiel ist die Toniebox. Die beiden Gründer haben seinerzeit erkannt, dass es noch kein kindgerechtes Audiosystem gibt, sie haben mit ihrem Produkt letztlich die Art verändert, wie Kinder Hörspiele konsumieren. Fazit: Digitale Transformation geht nie von der Technologie aus, sondern setzt da an, wo ungelöste Probleme sind. Die Konsequenz daraus ist die Entwicklung neuer Produkte, neuer Geschäftsmodelle, ja, sogar neuer Geschäftsfelder.

Seit rund fünf Jahren ist Ömer Atiker Spezialist für Digitale Transformation. Er berät Firmen und Menschen und zeigt Unternehmen, worauf sie heute und in Zukunft achten müssen, damit sie in der sich stets verändernden digitalen Welt erfolgreich werden und bleiben. atiker.com

Atiker: Das kann ich nur unterstreichen. Digitale Transformation ist die Veränderung von bestehenden Inhalten und Strukturen. Digitale Transformation verändert die Art, wie wir zusammenarbeiten, welche Werte wir schaffen, wie wir Marketing machen, wie wir verkaufen.

In welchen Bereichen eines Unternehmens beginnt das kleine „Einmaleins“ der Digitalisierung und welche Handlungsfelder entstehen daraus?
Lotter: Digitale Transformation muss man ganzheitlich betrachten. Man muss sich das vorstellen wie bei einer Wandergruppe. Man schickt gleichzeitig alle Bereiche auf den Weg, man lässt aber Nachzügler nicht einfach stehen. Das Lernziel ist immer, alle zu motivieren, digitale Transformation mit Lust an der Veränderung anzugehen. Die erste Frage ist dabei immer: „Wo stehen wir?“ Deshalb nehme ich auch gern das Beispiel eines Hauses mit Garage. Im Keller sieht man die digitale Kultur. Im schicken Penthouse residiert meist der Vorstand, bezogen auf den Handel sitzt dort der Kunde. Und wo entstehen heute Innovationen? In der Garage! Die einzelnen Handlungsfelder ergeben sich bei der Begehung von Haus und Garage. Wir entdecken gemeinsam renovierungsbedürftige Räume und andere Räume, die schon recht wohnlich sind.
Atiker: Am besten, man fängt im Penthouse an, bei der Führung, denn ohne deren klaren Auftrag passiert nicht viel. Und dann spaziert man durch alle Räume. Der andere Teil ist: anfangen. Selbst anpacken, was tun, ohne das geht’s nicht!

Unterscheidet man in der digitalen Transformation Handel und Industrie oder sind viele Belange, Bedarfe und Problematiken gleich gelagert?
Lotter: Es gibt keine grundlegenden Unterschiede, nur in der Priorität der Ziele. Die Industrie steht in einem permanenten Innovationswettbewerb. Man denke nur daran, welchen Weg Nintendo gegangen ist. Zunächst mit Spielkarten, dann hat das Unternehmen Technologiesprünge unternommen, margenträchtige Geschäftsmodelle entwickelt. Es hat immer wieder eine neue Innovationskultur gefunden. Klar wurde Nintendo auch immer mal wieder von Mitbewerbern überholt: Doch der souveräne Umgang mit Rückschlägen brachte das Unternehmen immer weiter.
Beim Handel sind es eher die Kundenprozesse und Kaufgewohnheiten. Die Frage: Click & Collect, Click & Meet – gibt es da noch etwas Besseres, etwas, das mehr als nur eine virtuelle Regalverlängerung ist? Es wäre fatal, ein schlechter Klon von Amazon zu werden. Im Fashion Retail machen Otto, Zalando und Outfittery vor, dass es neben Amazon eine Koexistenz gibt. Da geht es um Inhalte. Stilberatung, Inspiration, das kann Amazon nicht leisten.
Atiker: In dem Punkt bin ich anderer Meinung. Der Handel steht genauso unter Innovationsdruck wie die Industrie. Die Bedarfe der digitalen Transformation hinsichtlich Buchhaltung, Logistik, Marketing, Vertrieb sind in Handel und Industrie gleich. Jedoch gelten für Industrie wie für den Handel, dass Mehrwert geschaffen werden, dass innovativ gearbeitet werden muss.

Wirkt sich die digitale Transformation auch auf die Kundenbeziehung aus und zwar im B2B und im B2C-Bereich?
Lotter: Definitiv und zwar ganz massiv. Hier geht es ja um Beziehung, um Begegnung, um den Dialog. Kommunikation ist keine Einbahnstraße und kann analog und digital auf verschiedenen Kanälen stattfinden. Dieser Bereich spiegelt nachdrücklich, wie sich unser Leben verändert hat, in welchen „Räumen“ wir uns künftig begegnen und wo Dialog stattfindet.
Atiker: Da muss ich zumindest in Teilen widersprechen. Ich rede ja nicht mit meinem Joghurtlieferanten. Aber er kann mich mit einem customized Produkt „ansprechen“. Das Nutella oder die Cola mit meinem Namen drauf lässt uns in Beziehung treten. Auch die sozialen Medien bieten diese Möglichkeit. Aber dazu braucht es einige interne Voraussetzungen in den Unternehmen, die auch wieder mit Kommunikation zu tun haben. Meine Vision ist, dass Marketing und Vertrieb zu einem echten Zwei-Wege-Kanal werden.

Kann es sein, dass sich mit der digitalen Transformation das gesamte Geschäftsmodell ändert?
Lotter: Ja natürlich. Ich will, um das zu verdeutlichen, den Wirtschaftsprofessor Oren Harari zitieren, der sagt: „The electric light did not come from continuous improvement of candles.“ Die Lernreise, von der wir sprechen, hängt in ihrem Verlauf und ihrem Ergebnis komplett von mir selbst und meiner Grundhaltung dazu ab. Wie radikal bin ich bereit vorzugehen? Will ich alles umkrempeln? Auf welchen Ebenen will ich Veränderung zulassen? Mein Rat: Stellen Sie sich am besten eingangs die lapidare Frage: Wie will ich übermorgen mein Geld verdienen? Und haben Sie keine Sorge, dass wir alles auf den Kopf stellen und um 180 Grad drehen, das tun wir niemals gegen den Willen unserer Partner.

Atiker: Jein. Handel bleibt weiterhin Handel und Industrie ist weiter Industrie. Aber schauen wir mal genauer hin, am Beispiel Amazon. Amazon hat erst Bücher verkauft, dann Rechenzentren vermietet, dann kam Streaming und jetzt gibt es da Filmstudios! Bei Netflix liegt es ähnlich. Die Frage ist: Wo ist mein Mehrwert? Die digitale Transformation ist eine Effizienzmaschine, die jede Marge rauspressen kann. Also muss ich neue Werte finden.
Lotter: Auf jeden Fall erfordert die digitale Transformation einen Mentalitätswandel, eine Veränderung im Denkmodell hin zu: Ich bin Mehrwertdienstleister.

Wer jetzt den Prozess aktiv mitgestaltet, wird davon mehr profitieren als jene, die sich der Transformation ausliefern. Ist das so?
Lotter: Ja. Das ist ein archaischer Prozess. Ich bin in einer Gefahrensituation. Wie verhalte ich mich? Renne ich davon, stelle ich mich tot oder greife ich an? Wir merken gerade, dass Altes nicht mehr funktioniert und das Neue noch nicht richtig. Wir befinden uns in einer Art Vakuum.
Atiker: Gestalten ist immer besser als nachlaufen. Aber es kann auch schief gehen. Vorne zu sein, ist cool, aber auch riskant. Im Übrigen kann man auch von hinten aufholen und das übernehmen, was funktioniert. Das ist dann die Fast Copy-Methode.
Lotter: Richtig. Wichtig ist, dass alles aus einer bewussten Haltung heraus ge-schieht. Werde ich getrieben oder bin ich aktiv? Bin ich Anführer, in der Opferrolle oder bewege ich mich im Mittelfeld?

Es gibt Branchen, die digital sehr weit und sehr experimentierfreudig sind. Ist es umso spannender für Sie, eine Branche mit hohem emotionalen Know-how zu begleiten?
Lotter: Ich sehe das als junger Familienvater ausgesprochen emotional und bin völlig frei in meiner Erwartungshaltung der Branche gegenüber. Salopp gesagt: Ich will mit Menschen zusammenarbeiten, die Lust darauf haben, sich weiterzuentwickeln!
Atiker: Jedes Unternehmen sagt: Bei uns ist es ganz schlimm. Aber ich kann Sie beruhigen: Alle Unternehmen sind in Sachen digitale Transformation hintendran. Es geht nicht darum, wer von Anfang an die besten Karten hat, es geht um die Freude an der Veränderung.

Was ist Voraussetzung für die „digitale Lernreise“, die Sie für die Branchenteilnehmer exklusiv in 1st Steps anbieten?
Lotter: Das liegt ganz an den Menschen selbst. Man kann ein One-way-Ticket buchen, kann als Backpacker reisen oder eben pauschal, auf Nummer Sicher. Wenn man Ersteres wagt, dann findet man schnell neue Kontakte, einen Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten, man bekommt Geheimtipps, aber man weiß vielleicht ab und zu mal nicht, wo man als nächstes landet. Aber man hat dann Netzwerke geknüpft, quasi im Vorbeigehen …
Atiker: Für mich gibt es drei Fragen, die sich jeder stellen sollte: Wo bin ich? Wo will ich hin? Wie komme ich dahin?

Um zu ermitteln, wo die Unternehmen stehen, bieten Sie in unserer nächsten Ausgabe einen „Digital Check“ an. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Vorgehensweise?
Lotter: Sehr gute. Es sind spannende Prozesse. Wir sind Sparringspartner, wir sehen tolle Impulse, sehr individuelle Vorgehensweisen. Aber wir sehen auch, dass Menschen in eine Sackgasse laufen. Eine Vollkaskoklausel gibt es nicht. Aber keine Sorge vor dem Scheitern. Auch das ist Lernen, ist Reflektieren.
Atiker: Wenn Sie das beruhigt: Das, was wir tun, ist immer maßgeschneidert. One size fits all passt nie wirklich gut. Sehen Sie uns bitte nicht als „Berater“. Wir sind Begleiter, sind Trainer. Wir geben eine Orientierung, aber keine vorgefertigten Blaupausen.

Profitieren die Teilnehmer auch ganz persönlich von einem solchen Projekt?
Lotter: Ja. Jede Veränderung zwingt uns, Umwege zu gehen und neue Wege zu finden. Man muss als erstes einmal bereit sein, alte Glaubenssätze zu hinterfragen und Platz zu schaffen für ein neues Denken.