Die neuen Väter – Daddy cool
Daddy Cool war eigentlich nur der Arbeitstitel dieses Textes. Aber Boney Ms Songtext ist hier eher wenig aufschlussreich. Da war selbst Grönemeyer ergiebiger, als er „Männer“ besungen hat. Aber das ist ja nun auch schon etwas her. Beim Versuch einer Annäherung an „die neuen Väter und was sie suchen“ stolpert man schnell über die Frage: Gibt es die eigentlich, die „neuen Väter“? Oder noch pauschaler: Gibt es „DIE Väter“? Und sind sie vielleicht doch Daddy Cool? Darüber macht sich unser Autor Joerg L. Meister so seine Gedanken.
Mattel scheint sich in dieser Frage nicht mehr so sicher: Gab es bisher nur einen Ken, den Barbies zum Freund haben durften, sind jetzt verschiedene Männer auf dem Markt: Neben den athletischen Adonis treten ein etwas stämmigerer Kerl, einer mit Nerdbrille und einer mit „Man Bun“, also Hipster-Dutt. 15 neue Typen buhlen um Barbies Gunst – und sollen, so Lisa McKnight von Mattel, neu definieren, wie die Rollenbilder für eine neue Generation aussehen. Nicht alle Kens sind gleich. Doch alle sind irgendwie hippe Typen.
Spielzeug ist Spiegel der Gesellschaft – und wie bei Mattels Traummänner-Kollektion scheint es auch im „real life“ gerade um eine Neudefinition von Männer- und Väterrollen zu gehen.
Wer oder was sind die neuen Väter?
Suchen diese neuen Väter andere Dinge als früher? Andere als Mütter? Interessieren sie andere Aspekte am Elterndasein als ihre Partnerinnen? Und wie unterstützt man sie in ihrer Paparolle, ohne plump und stereotyp zu werden?
Was hier augenscheinlich ist, ist eine Veränderung der Rollenbilder und des Selbstverständnisses vieler Väter: Sie bemühen sich mehr um Teilhabe im Familienleben. Die klare klassische Teilung zwischen Beruf für den Mann und Familie als Aufgabe der Frau scheint nicht Zukunftsmodell zu sein – auch wenn bis dato das klassische Modell weit überwiegt.
Die Gründe hierfür sind naheliegend wie vielfältig. Oft ist es schlicht nötig, dass beide Elternteile sowohl Arbeits- als auch Familienleben teilen, und somit beeinflusst dies auch das gegenseitige Verständnis. War früher Mehrgenerationen-Wohnen ein Alltagsmodell und die Versorgung des Nachwuchses durch Großeltern oftmals gesichert, verlangt die mobilere und unstetere Arbeitsbiographie vieler junger Eltern den Familien logistische Fertigkeiten ab, was das gemeinsame Umsorgen der Kinder angeht. Diese geänderte Art mit Lebensrealität umzugehen, beeinflusst natürlich die Gestaltung der Zukunft der Kinder: Damals war es mehr oder weniger vorherbestimmt, welchen Weg die Kinder einschlagen werden, weil es eben weniger Optionen, eine gesamtgesellschaftliche Tendenz (zum Besseren) oder eine Art „Generationenvertrag“ und Familientraditionen gab. Heute dagegen ist die Zukunftsplanung nicht nur für die Eltern selbst, sondern auch für die Familie und somit für die Kinder unklarer. Doch auch in Familien, die nicht die Notwendigkeit des Doppelverdienstes haben, lebt man geänderte und emanzipiertere Rollen, vergleicht man sie mit deren Elterngeneration.
Die neuen Väter im Job
Viel dazu beigetragen hat der stete Kampf engagierter Frauen – und zum Glück auch einiger Männer. Peu à peu, oft noch immer zu zaghaft, ändert sich die Bereitschaft von Arbeitgebern, auch Vätern Elternzeit zuzugestehen und Teilzeit- wie Homeofficemodelle möglich zu machen.
Und auch der nachdrückliche Hinweis auf den Gender Pay Gap fördert das Verständnis für die neuen Geschlechterrollen: Eine Gleichbezahlung von Frauen für gleiche Leistung heißt schließlich nicht nur im Beruf, sondern auch in der Familie gleiche Rechte und Vorzüge zu erlangen. Sobald es nämlich einerlei ist, welcher Elternteil beim Kind bleibt, weil beide Arbeitgeber familienfreundlich agieren, ist es keine Geld- oder Karrierefrage mehr, wer denn die Kinder erzieht und sich somit mit Kinderthemen auseinandersetzt.
Leider scheint es aber ohne diesen Nachdruck nicht zu funktionieren: Die Organisation „FidA“ weist darauf hin, dass die Frauenquote nur bei den DAX-Unternehmen erreicht wurde, die dazu verpflichtet wurden, nicht jedoch bei den 3.000 Unternehmen, die eine unregulierte Selbstverpflichtung eingingen.
Die neuen Väter im Netz
Sinnbildlich für diese Entwicklung zum wachsenden Bewusstsein in Sachen Gleichberechtigung stehen wohl die vielen Blogs und Instagram-Accounts, die von Eltern gepflegt werden. Längst scheint der Begriff „Mamiblogger“ überholt, denn Väter mischen auch hier bereits mit. Noch kokettieren sie damit, Hähne im Korb zu sein, männlicher Mamiblogger quasi, doch die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Väter steigt. Und mit der Anzahl und Reichweite auch die Beliebtheit. Instagrammer wie „flyingdaddygeorge“, „papapi“, „daddy_co.ol“oder „thedadlab“ sind nicht mehr Exoten, sondern Teile eines sich verändernden Gesellschaftsgefühles. Und mehr und mehr geben die sozialen Kanäle von Mamas und Papas sowie der sehr persönliche Einblick in deren Leben die Richtung vor, wenn es um Entwicklung und Vermarktung von Produkten geht.
Die neuen Väter und ihre Themen
Eindeutig lässt sich das wohl nicht festlegen. Denn sowohl bei publizierenden Müttern als auch bei Vätern, die über ihr Vaterdasein schreiben, sind Themen und Standpunkte sehr individuell. Typische Themen sind auch hier oft stereotyp besetzt. Beautythemen zum Beispiel finden auf Papablogs eher selten statt, obschon auch pflegende Männerprodukte hin und wieder Erwähnung finden. Gesellschaftliches und Fragen zum Elternsein und zur eigenen Rolle als Mutter respektive Vater werden auf beiden Seiten gleich emotional und intensiv besprochen, und selbst die vermeintliche Männerdomäne „Technik“ scheint in Teilen unisex zu werden: Dani von „Butterflyfish“ zum Beispiel berichtet auch schon mal über Autos und fragt sich, weshalb es eigentlich kein ordentliches Frauen-Automagazin gibt.
Und auch Gadgets sind nicht ausschließlich männlich besetzt, auch wenn Männer wohl noch das dankbarere Publikum für Drohnen und andere Technikspielereien sind. Das Väter- und Autorenteam eines reichweitenstarken Papablogs zeigt das mitunter recht eindrücklich unter der Headline „Daddy werden, Mann bleiben“: Als „Dads‘ Essentials“ nämlich zeigen sie einen Weekender, der „ein vielfaches männlicher als eine normale Hand- oder Wickeltasche“ sei, Laufschuhe (da die Zeit fürs Fitnessstudio künftig fehlen wird), sowie eine Kamera, die schnell zur Hand ist. Noch besser natürlich eine Drohne. Vater sein, so die Essenz, ist ein Lifestyle. Und entsprechend sollte das Produkt-Umfeld gewählt werden.
Ob das alles nur das mediale Rauschen ist – oder ob auch der Handel diese Veränderungen spürt, und derlei Tipps auch beim Konsumenten durchschlagen, wusste das Team der „Familienbande“ in Hamburg zu beantworten: „Eigentlich“, wissen die Fachhändler für Babyartikel zu berichten, „gibt es meist Konsens beider Partner bei der Wahl von Kinderwagen, Autositz und Co. Männer sind tendenziell vorinformierter und auch interessierter, wenn es um technische Details der Produkte geht. Dahingegen sind Frauen belesener in Sachen Marke.“ Ein Beispiel, an dem sich die Unterschiede im Kaufverhalten sehr schön ablesen ließen, so das Verkaufsteam, sei der Autositz „doona“ – eine Babyschale, die ein Fahrgestell zum Herausklappen gleich integriert hat: „Hätten wir nur männliche Kunden, würden wir viel mehr davon verkaufen. Männer sind Gadget-Liebhaber. Frauen dagegen finden die herkömmlichen Autositze besser.“
Aber auch bei Babytragen scheiden sich hin und wieder die Geister – ob zum Beispiel die neue Cybex-Trage zu feminin wirke oder ein reines Frauenprodukt sei.
Die neuen Väter und ihr Rollenverständnis
Es scheint also noch immer geschlechtsspezifische Bastionen der Produktwelt zu geben. Beim Trageberater-Kongress beispielsweise, der unlängst in Hamburg stattfand, war der Männeranteil verschwindend gering. Und auch der Anteil Tuch tragender Väter ist – zumindest gefühlt -–geringer als der Anteil der Väter, die Kinderwagen schieben. Zumindest außerhalb der einschlägigen Viertel von Ballungszentren. Doch die Grenzen verschwimmen zusehends, und die Trends und Moden, die in hippen Kiezen geboren werden, finden nach und nach Anklang auch außerhalb der Hipsterszene.
Natürlich gibt es noch Familien, die das „klassische Modell“ leben. Natürlich gibt es Vorreiter-Paare, die jede Entscheidung paritätisch treffen. Und natürlich gibt es unzählige andere, teils sehr unkonventio-
nelle, Familienmodelle. Doch das Feld dazwischen ist weit. „Die neuen Väter“ als Rollenmodell gibt es wohl in wenigen Ausnahmen. „Neue Väter“ dagegen, die eine veränderte Wahrnehmung der Vaterrolle im Vergleich zur eigenen Elterngeneration leben, durchaus.
Ob es Gadgets oder Lifestyle-Produkte sind, die dazu beitragen, dass sich diese Väter in ihrer Rolle zurechtfinden, sei dahingestellt. Was jedoch beiträgt, sind neue Lebenskonzepte, neue Arbeitsmodelle und nicht zuletzt neue Mütter, die es sich selbst und den Partnern ermöglichen, die Rollen der eigenen Persönlichkeit entsprechend einzunehmen. Hier hat sich bereits viel getan. Doch noch immer gibt es ein Ungleichgewicht an wahrgenommener Elternzeit – und noch immer gibt es den Gender Pay Gap. Grund genug also, nicht im Hier und Jetzt zu verharren, sondern im Dialog zu überlegen, was sich noch tun muss, und wie man für alle Beteiligten die jeweiligen Rollen attraktiver gestaltet, nicht zuletzt durch unterstützende Produkte, Dienstleistungen und Services.
Wie solche Produkte aussehen könnten, scheint so einfach nicht zu beantworten. Was spricht Väter an und animiert sie, sich in der Vaterrolle besser aufgehoben zu fühlen? Sind es Gadgets? Sind es stereotyp-männliche Themen? Sind es appgestützte Hilfsmittel?
Erste Hersteller versuchen sich in solchen Produktlinien. sigikid zum Beispiel spricht Väter mit der „Papa & Me“-Serie an: Helden, Roboter und Plüschwerkzeuge sollen die Brücke zwischen Papa und Nachwuchs schlagen. Sicher nicht die Ultima Ratio, doch ein Beispiel für den ersten Schritt, dem die Überlegung zugrunde liegt, ein neues Rollenbild für alle Beteiligten attraktiver zu gestalten.
Joerg L. Meister