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Der Handel muss Impulse setzen

31. Mai 2023, 16:38

Nach dem Weihnachtsgeschäft 2022 wird in den Unternehmen analysiert, welche Lehren daraus für dieses Jahr zu ziehen sind. Antworten auf die offenen Fragen liefert eine neue Studie des Marktforschungsinstituts iconkids & youth*: Noch nie wurde der Kaufprozess von Spielzeugen so detailliert unter die Lupe genommen. Geschäftsführer und Projektleiter Axel Dammler stand TOYS im Interview Rede und Antwort.

Worum geht es in Ihrer neuen Studie?
Ganz kurz zusammengefasst darum, wie Spielzeug den Weg unter den Weihnachtsbaum findet. Wir haben über 1.000 Eltern von Zwei- bis Zwölfjährigen gefragt, wie der Kaufprozess bei Spielzeug ausgesehen hat und wo schließlich gekauft wurde. Und mehr als 500 Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren haben uns gesagt, wie Spielzeug auf ihren Wunschzettel gekommen ist.

Da werden Sie wohl sehr unterschiedliche Antworten erhalten haben.
Oh ja. Wir haben über 3.600 Kaufprozesse analysiert. Weil die Ergebnisse aber erst dann wirklich aussagekräftig werden, wenn man differenziert, haben wir nach Produktkategorien und Marken ausgewertet. Wir können die Customer Journey also im Detail für alle großen Marken, alle Produktkategorien und auch die wichtigsten IPs darstellen. Und wo das nicht ausreicht, natürlich auch nach Altersgruppen und Geschlecht der Kinder.

Wie wurde diese Customer Journey abgefragt?
Wir haben Kinder und Eltern zunächst nach dem ersten Kontakt mit dem Spielzeug gefragt: Wer hat es gefunden, wann war das und wo genau hat man es zum ersten Mal gesehen? Dann haben wir die weiteren Informationsquellen, die genutzt wurden, ermittelt und nachgeforscht, welcher dieser Touchpoints insgesamt der kaufentscheidende war. Die Eltern haben zusätzlich noch angegeben, wo das Spielzeug dann gekauft wurde und warum gerade dort. Wir wissen also nicht nur, was der allererste Touchpoint war, sondern können auch zeigen, welche weiteren Touchpoints im Verlauf des Kaufprozesses hinzugekommen sind. Das ist vor allem dann wichtig zu wissen, wenn man neben der eigentlichen Product Awareness auch noch vertiefende Infos über sein Produkt verbreiten muss.

Das klingt aufwändig.
Das stimmt – wir wollten es ja genau wissen und haben immer gezielt nachgehakt. Nun können wir jeweils sagen, ob das Geschäft ein Müller oder Smyths war, ob der Katalog von der Marke oder einem Retailer stammte, auf welcher Social Media-Plattform es gesehen wurde und ob der Post von der Marke oder einem Influencer kam.

Und was kam heraus?
Eine Menge! Um mal ein für uns auch sehr spannendes Ergebnis herauszupicken: Eine große Frage ist ja immer, wie ich heute überhaupt noch Neuprodukte kommunizieren kann. Bei den Kindern ist es so, dass man als Marke oder Händler 40 Prozent dieser Erstkontakte nicht steuern kann, weil sie im privaten Umfeld stattfinden, zum Beispiel bei Freunden. Von den 60 Prozent der Kontakte, die von Marken oder Retailern selbst geschaffen wurden, finden fast zwei Drittel offline statt, also im klassischen Handel, über Werbung oder Kataloge. Onlinequellen sind im Vergleich deutlich weniger wichtig. Was viele überraschen wird: Klassische TV-Werbung in Kindersendern ist für sich genommen immer noch die wichtigste einzelne Quelle, um neues Spielzeug kennenzulernen.

Da denkt man heute doch eher an Social Media.
Es wird immer wieder vergessen, dass viele Kinder noch kein Handy haben, diese können Social Media also gar nicht nutzen. Dagegen hat im Vergleich ein vielleicht mehrmals gesehener, cooler TV-Spot nicht nur mehr Reichweite, sondern auch mehr Wirkmacht. Wenn man im vergangenen Weihnachtsgeschäft ein neues Spielzeug an die Kinder bringen wollte, kam man an TV-Werbung nicht vorbei.

Und wie sieht es bei den Eltern aus?
Auch bei denen spielt Social Media in Bezug auf Weihnachtsgeschenke keine große Rolle – immerhin fünf Prozent der Spielzeuge aber wurden dort gefunden. Generell sind Onlinequellen bei den Eltern viel wichtiger, vor allem die Onlineshops. Dass Amazon hier klar die Nase vorn hat, wird wohl niemanden überraschen.

Ist bei den Eltern dann alles nur noch digital?
Nein, natürlich nicht. Jedes dritte Spielzeug wurde offline entdeckt, also im Geschäft, in der Werbung oder einem Katalog. Hier ist es wie bei den Kindern: Neues entdecken Eltern eher offline. Haben sie aber schon eine grobe Ahnung, was sie wollen, zum Beispiel die Marke oder das Produkt, dann wird in den Onlineshops gestöbert. Für die Hersteller von Spielzeug ist es also wichtig, genau auf diese Unterscheidung einzugehen. Amazon wird mit Scheuklappen genutzt, Kataloge, Geschäfte und Werbung dagegen inspirieren.

Merkt man diese Unterscheidung auch in den Ergebnissen?
Sehr deutlich sogar. Wir haben jeweils auch gefragt, ob ein Spielzeug das erste von dieser Marke war. Daran ist klar erkennbar, welche Brands inspiriert und neue Kunden gewonnen haben und welche eher „nur“ an ihre Bestandskundschaft verkauft haben.

Gibt es noch andere Highlights in den Ergebnissen?
Es ist beeindruckend, wie wichtig Kataloge und Prospekte sind, die vom Handel ebenso wie die der Marken. Viele Eltern werden die Situation kennen: Ist so ein Katalog oder Prospekt im Haus, wird alles von den Kindern durchgearbeitet. Es dient dann sowohl der Inspiration und dem Finden neuer Produkte, verfestigt aber auch den Wunsch. Die Kinder schauen sich das begehrte Spielzeug immer wieder an und zeigen es den Eltern. Schließlich taucht es samt Produktnummer auf dem Wunschzettel auf.

Noch einmal zurück zum Thema Digitale Touchpoints: Erwarten Sie, dass die in den kommenden Jahren auch bei Kindern wichtiger werden?
Ganz bestimmt. Im vergangenen Jahr waren die Kinder ja eher weniger in Social Media und auf YouTube unterwegs als im Coronajahr 2021. Mit der Rückkehr in die Schule und in die Büros hat wieder ein geregelter Tagesablauf Einzug in die Familien gehalten und viele Kinder hatten nur noch deutlich reduzierten Zugriff auf die Handys und Tablets der Eltern. In den nächsten Jahren werden wir da sicher einen Zuwachs sehen. Wenn ich Spielzeughersteller wäre, würde ich mir aber wünschen, dass die Old School-Medien möglichst lange relevant bleiben, denn deren Kommunikationsimpact wird Social Media nicht erreichen können. Neben der geringeren Reichweite ist das Involvement meistens auch viel geringer. Und wer glaubt, mit Social Media könnte man im Vergleich zum TV Werbegelder sparen, der irrt gewaltig: Durch die extreme Fragmentierung der Contents wird Social Media in Zukunft eher noch teurer als billiger. Außerdem ist Social Media kein Ersatz für Print-Kataloge und das haptische Erlebnis im Store.

Sie haben die Eltern ja auch gefragt, wo die Spielzeuge gekauft wurden. Was kam dabei heraus?
Die Befragung lief bis zum 23. Dezember 2022, deswegen waren 85 Prozent der Weihnachtsgeschenke schon gekauft. Der wichtigste Monat für den Kauf war der November, aber insgesamt waren die Eltern eher spät dran. Hier gab es aber auch deutliche Unterschiede innerhalb der Toy-Kategorien. Zwei Drittel der Spielzeuge wurden online gekauft, und natürlich hatte Amazon hier den größten Teil vom Kuchen abbekommen.

Welche Schlüsse können und sollten Händler aus diesen Ergebnissen ziehen?
Für den stationären Handel ist das Schaffen von Kaufgewohnheit sehr wichtig: Man muss sich seine Stammkunden heranzüchten, die routinemäßig ins Geschäft kommen. Da kann beispielsweise eine Kundenkarte mit Cashback helfen. Und dann geht es natürlich auch um die spontanen Käufe, die online viel seltener stattfinden. Da sind wir wieder bei der Inspiration, die der PoS bieten kann. Entsprechend müssen die passenden Impulse gesetzt werden – im Geschäft, aber eben auch in der Kommunikation und im Schaufenster.

Und was empfehlen Sie Händlern, die Spielzeug online verkaufen?
Kenne deine Kunden! Wenn ich zum Beispiel eine Preisaktion im Herbst plane und weiß, dass Kunde XY früher bei mir etwas von Lego oder ein Nintendo-Spiel gekauft hat – warum sollte ich diesen Kunden nicht ein paar Wochen vorher kontaktieren und ihm anbieten, schon Produkte für diese Preispromotion zu reservieren, damit er diese dann auch wirklich zum günstigen Preis bekommt? Neudeutsch: fear of missing out nutzen.

Wie wichtig ist denn grundsätzlich der Preis?
Sehr wichtig. Das gilt für Onliner genauso wie für den stationären Handel. Wir haben leider keine Vergleichsdaten zum Vorjahr, weil wir diese Studie zum ersten Mal durchgeführt haben. Ich würde mich aber trauen zu behaupten, dass der Preis in diesem Jahr schon eine besonders große Rolle gespielt hat. Der Inflations- und Energiekostenschock saß sehr tief. Wir sind gespannt auf die Daten vom kommenden Weihnachtsgeschäft.

Sie werden die Studie also wiederholen?
Auf jeden Fall. Das Interesse im Markt ist so groß, dass wir derzeit auch darüber nachdenken, auf andere Länder zu erweitern. Es gibt nirgendwo etwas Vergleichbares.