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Das große Wiedersehen

8. April 2022, 13:28

Autor:
Bernd Conrad


Der Lizenzmarkt lebt von Messen, Events, vom Networking und natur-
gemäß von animativen Präsentationen. Es gibt kaum ein Segment, das so „lebendig“ ist, sein muss, denn die Lebenszyklen vieler Lizenzthemen sind deutlich kürzer als die der klassischen Spielwaren. Lizenzen performten zuverlässig, bis Corona das große Stoppschild zeigte. Nun ist die Zwangspause zu Ende. The shows must go on – und das mit neuen spannenden Formaten.

Es erscheint wie eine weit entfernte Vergangenheit. Im Februar 2020 tummelte sich die internationale Lizenzindustrie wie gewohnt auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Kaum ein Gang in einer der Hallen, kaum ein Standbesuch oder ein Snack ohne ein „Hallo“ hier und ein „Wie geht’s?“ dort. Garniert mit dem üblichen Bussi-Bussi zur Begrüßung.

Das SARS-CoV-2-Virus war schon Thema, der Begriff „Covid-19“ aber noch nicht so sehr. Wie andere Viren zuvor schien aber auch dieser Erreger weit weg. Bei der eiligen Hetzerei zwischen Terminen (und bei einem mit Blick auf die Wege wie so oft nicht ganz ideal geplanten Messekalender) versuchten einige zumindest, die Halle 11.1 zu meiden. Klar war es schon damals naiv, das Virus nur in China und bei den chinesischen Ausstellern zu verorten.
Noch schnell ein Handshake hier, ein Gruß dort. „Man sieht sich“, wenn nicht auf einer der vielen Messen, die der Wanderzirkus besucht, dann doch auf dem „Tag der Lizenzen“ in Köln. Pustekuchen. Mit ziemlicher Wucht kamen Virus, schreckliche Bilder und als logische Konsequenz die Lockdowns.
Mangelnde Reisemöglichkeiten, Homeoffice und ausgefallene Veranstaltungen übten einen direkten Einfluss auf die Lizenzbranche aus. Im „People’s Business“ wurden oft von Lizenzgebern und ihren Agenturen mit Herstellern und Handel Ideen erarbeitet, die letztendlich auch für Nischenprodukte einen Erfolg brachten.
Viel schlimmer aber: Auch der Einzelhandel musste schließen, Supermärkte und Drogerien mal ausgenommen. Ganz zu schweigen von verrammelten Lichtspielhäusern. Kinostarts wurden verschoben, die ganze Marketingmaschinerie dahinter verpuffte.
Wer hat nicht 2020 an einer Heineken-Flasche mit 007-Branding genuckelt? Ein Lizenzprodukt zu einem Film, der dann erst im Herbst 2021 Premiere feiern durfte. Einige der in der Story platzierten Produkte waren dann schon nicht mehr aktuell.
Ohne Familienausflüge ins Kino konnte auch das Licensing um Animations- und Actionfilme keine Fahrt aufnehmen. Die Studios und Verleiher zogen Plan B aus der Tasche, brachten ihre Blockbuster direkt bei Streamingdiensten unter oder als digitales Produkt auf den Markt. Nur lässt sich damit kein Licensing betreiben. Keine Spielwarenlinie, kein Back-to-School-Set, auch keine Textilien, die einige Wochen vor Filmstart mit dem Anlauf der Werbekampagne in den Regalen der Händler liegen und dort schnell abfließen.


Bernd Conrad begann seine Licensing-Laufbahn 1998.
Während seiner Karriere baute und erweiterte er Marken wie „PUCCA“, „Little Princess“, „Kikaninchen“ und
„Mia und me“. Seit 2017 ist der Werbekaufmann und Marketing­wirt mit dem Consulting-Unternehmen Conrad Enterprises sowie als Moderator selbstständig. Außerdem hat er mit seinem zweiten Standbein im Automobiljournalismus mit Autonotizen eine neue Marke geschaffen, die nicht nur in Deutschland als Website und Videokanal bekannt ist, sondern sogar bis nach China lizensiert wird.
bernd@conrad-enterprises.com / bernd@autonotizen.de


Mittlerweile blicken wir dem Sommer 2022 entgegen. Wir haben uns im privaten wie im geschäftlichen Leben mit Covid-19 und den Einschränkungen arrangiert. Sogar so weit, dass wir die aktuellen Lockerungen nicht so euphorisch feiern wie erwartet. Dazu trägt leider auch die aktuelle Kriegstragödie bei.
Trotzdem bereitet sich die Lizenzbranche auf die Rückkehr des „People’s Business“ vor. Gleich drei Events sollen es 2022 werden. Der „Tag der Lizenzen“ ist davon die traditionellste Veranstaltung. Lediglich der Termin Anfang Mai ist etwas ungewohnt.
Ende Juni feiert mit BRANDmate ein neues Format Premiere. In Offenbach sollen Markenmacher, Medienschaffende und Produzierende zusammenfinden. Das Konzept kommt in der Branche gut an, auch wenn es Gegenwind gibt. Nur: Warum sollte es nicht versucht werden, auch außerhalb etablierter Strukturen Neues zu wagen?
Das macht auch die deutsche Niederlassung von Licensing International. Die einst als Licensing Market bekannte Lizenzmesse verabschiedet sich, und das war überfällig, vom Hotelzimmer-Format. Anstelle der plüschigen Romantik im Münchner Hotel Bayerischer Hof jetzt also das Nürnberger Messegelände. Keine Sorge, die überschaubare Branche wird dort nicht verlorengehen, denn parallel zur neuen „Licensing-X“ findet im Oktober auch die junge PBS-Messe „Insights-X“ statt. Mit ihr haben die Franken bewiesen, dass sie ein neues, „anderes“ Format entwickeln und etablieren können. Das sollte, in Zusammenarbeit mit den Branchenkollegen bei Licensing International, doch auch mit der neuen Lizenzmesse zu schaffen sein.
Der Standort ist, zumindest mit Auto und Bahn, aus ganz Deutschland gut erreichbar, die Messe lässt vor Ort Raum für künftige Expansion. Es muss nur darauf geachtet werden, dass große Aussteller mit hohen Budgets beim Messebau nicht zu sehr ausufern und kleine Agenturen, junge Lizenzgeber und andere Branchenteilnehmer daneben untergehen.
Ganz neu orientieren müssen sich Aussteller und Besucher nicht. Den meisten Teilnehmern sind ihre Lieblingsrestaurants ja vom Februar-Event bekannt. Es bleibt aber zu wünschen, dass man sich trotzdem wundern darf: Nämlich über weniger horrende Hotelrechnungen als zu Zeiten der Spielwarenmesse.
Man wird sich in Köln, Offenbach oder Nürnberg über den Weg laufen. Und kein Sorge: Mit Zuwinken oder der Begrüßungsfaust statt „Bussi Bussi“ kann man auch seine Wiedersehensfreude ausdrücken.