Collectibles: Wenn Sammelfiguren zum globalen Kultobjekt werden

23. Oktober 2025, 18:13

Was ursprünglich als skurrile Kinderbuchfigur des Künstlers Kasing Lung begann, hat sich unter dem Dach von Pop Mart zum internationalen Hype entwickelt: Labubu ist mehr als ein klassisches Spielzeug und findet sich nicht bloß in Kinderzimmern wieder, sondern auch in Kunstgalerien, Luxuskollektionen und auf den Social-Media-Accounts internationaler Stars. Mit seinen spitzen Ohren, schiefem Grinsen und unzähligen Designs ist Labubu längst ein Popkulturphänomen, das Sammelleidenschaft, Nostalgie und Stilbewusstsein vereint.

Wie konnte eine schräge Monsterfigur aus Hongkong die globale Spielzeugwelt auf den Kopf stellen? Und warum sprechen Expert*innen mittlerweile von einem kulturellen Wendepunkt? Toys wirft einen Blick hinter den Labubu-Hype: vom charmanten Kinderbuchmonster zur milliardenschweren Sammelikone. Im Interview mit Janina Hamhaber veranschaulicht der Markt- und Kulturforscher Wutao Wen vom Marktforschungsinstitut Rheingold das Phänomen der Collectibles am Beispiel von Labubu. Er erklärt, weshalb sie längst mehr sind als ein bloßes Spielzeug und warum es sich bei Labubu vielmehr um emotional aufgeladenen Sammelartikel handelt, die diverse Zielgruppen ansprechen. Denn ob Jugendliche oder junge Erwachsene: Getrieben von Blind-Box-Prinzip, Social-Media-Trends und künstlicher Verknappung zeigt das Phänomen eindrucksvoll, wie stark sich Spielzeugtrends heute an Mode-, Lifestyle- und Popkultur orientieren.

Wutao Wen,
Markt- und Kulturforscher bei Rheingold

Was sagt der Labubu-Trend über unsere aktuelle Konsumkultur aus?
Der Trend zeigt, dass Konsum heute weniger über den reinen Nutzen funktioniert, sondern über psychologische Resonanz und kulturelle Symbolik. Menschen kaufen Labubu nicht wegen seiner Funktion, sondern weil er Trost, Zugehörigkeit und Identität vermittelt. Konsum wird so zu einem Mittel, um Unsicherheit, Krisen und Komplexität zu verarbeiten.

Warum wirken gerade skurrile Designs wie Labubu anziehend?
Das „hässlich-süße“ Design spricht ambivalente Gefühle an. Es verbindet Verletzlichkeit mit Wehrhaftigkeit – und genau diese Spannung erzeugt emotionale Nähe. Gerade junge Generationen finden in solchen Figuren eine Identifikationsfläche, weil sie selbst gelernt haben, Ambivalenz als Teil ihrer Identität zu akzeptieren – das Zusammenspiel von Sensibilität und Widerstand.

Sind Collectibles wie Labubu eher ein vorübergehender Trend oder bleiben sie Dauerbrenner?
Ob Figuren wie Labubu bleiben, hängt davon ab, ob es dem Hersteller gelingt, neue Charaktere und überraschende Erzählwelten zu schaffen. Der Mechanismus – Sammeln, Verknappung, Community – ist stark und tief in der Konsumgeschichte verankert. Einzelne Figuren können jedoch an Reiz verlieren, wenn sie zu sehr im Mainstream ankommen und ihre kulturelle Sprengkraft verlieren.

Weshalb funktionieren Überraschungsprodukte wie Blind Boxen so gut?
Blind Boxen lösen psychologisch Hoffnung, Spannung und einen unterschwelligen Nervenkitzel aus. Das Prinzip ähnelt dem von „Low-Stakes-Gambling“: Man weiß nie, welche Figur man bekommt, und genau dieser Unsicherheitsfaktor macht den Kauf reizvoll. Gleichzeitig wird das Auspacken zum emotionalen Moment – und damit ideal für viralen Social-Media-Content.

Was sehen Erwachsene in Labubus? Welche Rolle spielt Nostalgie?
Für viele Erwachsene sind Labubus keine Spielzeuge, sondern emotionale Rückzugsorte. Sie erfüllen die Sehnsucht nach Kindheit und Einfachheit in einer Welt voller Komplexität. Nostalgie spielt dabei eine große Rolle: Plüschfiguren erinnern an kindliche Geborgenheit und bieten einen emotionalen Gegenpol zur Ernsthaftigkeit des Alltags. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von „Kidults“ – Erwachsenen, die sich kindliche Freuden als bewussten Ausgleich erhalten.


Welche psychologischen Prinzipien nutzt der Hersteller Pop Mart gezielt?
Pop Mart setzt auf drei zentrale Mechanismen:

  • Blindboxing: Der Zufallsaspekt weckt Spannung und Spieltrieb.
  • Social-Media-Kompatibilität: Das Unboxing wird zur emotionalen Content-Inszenierung.
  • Künstliche Verknappung: Limitierte Auflagen und ausverkaufte Serien erzeugen Begehrlichkeit.

Alle drei Prinzipien aktivieren Emotionen, schaffen Status und stärken die Communitybindung.


Welche Rolle spielen Influencer oder Prominente bei der Vermarktung?
Popstars und Influencer tragen Labubu – und erhöhen damit Sichtbarkeit, Relevanz und kulturelle Anschlussfähigkeit. Ihre ungefilterten Reaktionen beim Unboxing wirken authentisch und verstärken die emotionale Wirkung. Das macht Labubu zu einem idealen Social-Media-Objekt mit hoher Viralität.

Was macht den Labubu-Trend so erfolgreich?
Labubu verbindet ein cleveres Geschäftsmodell mit tiefer psychologischer Symbolik. Die Figur spricht die Sehnsucht nach Schutz, Trost und Gemeinschaft an – aktiviert aber zugleich Spannung, Sammeltrieb und Statusbedürfnisse. Damit passt Labubu perfekt in die Logik der TikTok-Ökonomie, in der emotionale Authentizität mehr zählt als reine Funktion.

Gibt es hier Vorbilder aus der Designgeschichte?
Ja – die Kawaii-Ästhetik aus Japan ist ein zentrales Vorbild: Hello Kitty, Sanrio-Figuren, Mangas und Animes. Ursprünglich entstand Kawaii als stille Rebellion gegen Leistungsdruck und gesellschaftliche Konformität. Labubu setzt diese Tradition fort – bringt sie aber in eine neue, digitale Gegenwart.

Welche wirtschaftlichen Risiken bergen solche Produkte?
Solche Trendprodukte bergen mehrere wirtschaftliche Risiken. Zum einen besteht die Gefahr der Abnutzung: Wenn eine Figur wie Labubu zu sehr im Mainstream ankommt, verliert sie ihren Reiz und die damit verbundene kulturelle Sprengkraft. Auch eine Sättigung des Marktes kann problematisch werden – etwa, wenn zu viele Editionen erscheinen und dadurch die Begehrlichkeit sinkt. Hinzu kommt die Konkurrenz durch Nachahmerprodukte, die den Hype verwässern könnten. Schließlich besteht das Risiko einer kulturellen Überdehnung: Wenn die Figur ihre subversive Kraft verliert, sinkt auch die emotionale Bindung. All diese Faktoren können dazu führen, dass ein Hype kippt – wirtschaftlich wie symbolisch.

rheingold-marktforschung.de