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Collectibles: Die Psychologie des Sammelns

28. November 2025, 16:06

Warum geben wir oft mehr Geld aus, als wir geplant haben, wenn es um Sammelobjekte geht? Die Antwort liegt tief in unserer Psyche: Sammeln befriedigt nicht nur den Wunsch nach Besitz, sondern auch nach Anerkennung, Kontrolle und Selbstverwirklichung. Doch was genau treibt Menschen an, immer weiter zu kaufen – und wann wird Sammeln zur Sucht? TOYS-Redakteurin Janina Hamhaber hat Diplom Psychologin Britta Bettendorf gefragt, weshalb das Sammeln für den Menschen so eine große Bedeutung hat.

Collectibles stellen gerade einen großen Markt dar und werden nicht nur von Kindern, sondern auch von den sogenannten Kidults – also Erwachsene mit kindlichen Interessen – geschätzt. Oft führt dies dazu, dass die Sammler mehr Geld ausgeben, als dafür vorgesehen. Doch woher kommt das? Sammeln ist weit mehr als nur das Anhäufen von Gegenständen. Ob Briefmarken, Actionfiguren, Sneaker oder limitierte Editionen: der Reiz, die Sammlung zu vervollständigen oder ein seltenes Stück zu ergattern, wirkt wie ein innerer Motor. Psychologisch gesehen spielt dabei der sogenannte „Belohnungseffekt“ eine zentrale Rolle. Denn jeder neue Erwerb setzt Dopamin im Gehirn frei. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der Glücksgefühle erzeugt. Gleichzeitig aktiviert das Sammeln den sozialen Vergleich: Wer eine besondere Sammlung vorweisen kann, genießt oft Anerkennung und Status in der eigenen Community.

Doch die Motivation hört nicht nur bei der Freude am Besitz auf. Sammeln gibt vielen Menschen das Gefühl von Kontrolle und Ordnung in einer oft chaotischen Welt. Außerdem ermöglicht es eine Art Selbstinszenierung – das Sammeln wird zum Ausdruck der Persönlichkeit und Werte.

Häufig zeigt sich, dass hinter jedem Kauf mehr als nur der Wunsch nach materiellem Besitz steckt und es oft komplexe emotionale und soziale Bedürfnisse sind, die die Käufer antreiben, immer weiter zu kaufen. Für viele Kidults bietet das Sammeln eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. Angesichts globaler Krisen und persönlicher Belastungen wird das Hobby zunehmend als emotionaler Rückzugsort genutzt. In der eigenen Sammlung finden manche Ruhe, Struktur und ein Stück Kontrolle in unsicheren Zeiten. Doch das Sammeln ist nicht nur bloße Alltagsflucht, sondern gehört auch zur ureigenen Natur des Menschen. Schon in der Frühgeschichte sammelten Menschen nicht nur Nahrung, sondern auch besondere Gegenstände. Dies geschah vor allem aus Neugier, zum Schutz oder zur Erinnerung. Heute hat sich dieses Verhalten in neue Formen verlagert: Ob Actionfiguren, Collectibles oder Comics, das Sammeln bleibt ein kulturelles Grundbedürfnis und ist zu einem festen Teil der Freizeitgestaltung geworden. Doch für einige ist Sammeln mehr als nur ein Hobby. Es ist der Ausdruck von Leidenschaft, Identität oder sogar eine Lebensaufgabe. Nirgendwo wird das so sichtbar wie im Guinness-Buch der Rekorde. Ob es um die größte Sammlung ovn Gummienten oder Spielkarten geht: Das Streben nach dem „größten“, „meisten“ oder „seltensten“ findet hier eine internationale Bühne. Dabei geht es nicht nur um Quantität: Oft erzählen die Sammlungen einzigartige und persönliche Geschichten, die tief in der Biografie der Sammler verwurzelt sind. Die Eintragung ins Rekordbuch wird für viele zur Bestätigung, denn sie erhalten für ihr individuelles Sammeluniversum weltweite Anerkennung.

Ein Universum in Miniatur.

Der Handel hat das Potenzial der Sammler längst erkannt und entwickelt daher gezielte Strategien, um die emotionale Bindung in Kundentreue und Umsatz zu verwandeln. Dabei gehören limitierte Editionen, Exklusivprodukte und Blindboxen zu den erfolgreichsten Instrumenten. Die künstliche Verknappung schafft Begehrlichkeit und erhöht den Sammlerwert. Händler setzen verstärkt auf Nostalgie, etwa durch Retro-Designs oder Neuauflagen, wie bei der Diddl-Maus, die in Frankreich und im südlichen Belgien gerade wieder ihr Comeback feiert und auch ab 2026 in Deutschland wieder in den Läden erscheinen soll, um positive Kindheitserinnerungen zu aktivieren.

Auch Community-Building spielt eine zentrale Rolle. Sammler tauschen sich heute über soziale Netzwerke, Tauschbörsen oder Events aus. Wer als Händler diese Gemeinschaft aktiv unterstützt, etwa durch limitierte Fanartikel, Online-Foren oder exklusive Veranstaltungen, stärkt die emotionale Verbindung zur Marke.
Das Sammeln ist also kein Nischentrend, sondern ein kulturelles Bedürfnis – besonders in unsicheren Zeiten. Wer es schafft, dieses Bedürfnis authentisch zu bedienen, bietet mehr als Konsum: Er verkauft Identifikation, Erinnerung und emotionale Sicherheit.


Britta Bettendorf ist Diplom-Psychologin und führt eine psychologische Privatpraxis am Kurfürstendamm in Berlin. Sie arbeitet mit Erwachsenen, Jugendlichen und Paaren, häufig an Themen wie Beziehung, Identität und eigener Klarheit. Im Interview mit TOYS-Redakteurin Janina Hamhaber, erklärt sie was das Sammeln für den Menschen so wichtig macht.

Frau Bettendorf, warum sammeln Menschen gerne?
Weil sie damit etwas festhalten können, das sonst vielleicht verschwinden würde: Erinnerungen. Ordnung. Kontrolle. Oder auch einfach ein Gefühl. Wer sammelt, gibt der Welt einen Sinn – leise und für sich. Es markiert so etwas wie ein „Ich war hier“ inmitten des Chaos. Manchmal ist es übrigens auch nur Spaß oder Stolz oder Kindheit in Reinform. Selten geht es nur um das Objekt. Fast immer geht es um das, was es bedeutet.

Was empfinden Menschen beim Sammeln?
Das kann vom stillen Glück bis hin zu rauschhafter Jagdlust so ziemlich alles sein. Manche fühlen sich endlich vollständig, andere fühlen sich endlich besonders. Für einige ist es das pure Spiel, für andere ein Rettungsanker. Sammeln kann beruhigen. Sammeln kann beleben. Sammeln kann sogar heilen. Aber vor allem ist es eins: sehr persönlich. Jeder spürt etwas anderes dabei und genau das macht es so menschlich.

Diplom Psychologin Britta Bettendorf

Gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die Menschen anfälliger für exzessives Sammeln machen?
Vielleicht. Aber es geht nicht unbedingt darum, wer anfällig ist. Sondern eher darum, was im Leben gerade nicht satt macht. Manche Menschen bauen sich eben mit Dingen eine Art Nest, weil sie innerlich nirgends zuhause sind. Andere sammeln, weil sie gelernt haben, dass Dinge verlässlicher sind als Menschen. Das ist kein Charakterfehler, das ist oft eine ziemlich kluge Anpassung. Manchmal ist es auch ganz einfach Leidenschaft. Erst die Geschichte dahinter zeigt, was los ist.

Wann wird aus harmlosem Sammeln eine Sucht?
Wenn das Objekt wichtiger wird als das eigene Wohlergehen. Wenn jemand nicht mehr sammeln will, sondern muss. Wenn der Kick beim nächsten Kauf das einzige Hochgefühl der Woche ist. Dann spricht weniger die Freude, dann spricht mehr die Leere. Die Grenze ist nicht immer scharf, aber meistens spürt man sie schon. Irgendwann geht es nicht mehr um Dinge, sondern darum, das eigene Gefühl auszublenden.

Was unterscheidet das Sammeln von Collectibles wie Labubus von klassischen Sammelobjekten?
Vielleicht die Richtung. Klassisches Sammeln kommt oft von innen: „Ich mag das, ich erinnere“ mich daran, ich bin damit groß geworden. Collectibles wie Labubus kommen eher von außen: „Du brauchst das, das ist selten, das haben alle gerade.“ Das eine wurzelt also eher im Persönlichen, das andere lebt vom Hype. Beides darf sein, aber es fühlt sich unterschiedlich an.

Wie beeinflusst der Hype um limitierte Editionen und exklusive Releases das Kaufverhalten?
Er kitzelt den Jagdinstinkt. Nichts macht ja so nervös wie das Gefühl, etwas zu verpassen. Wenn etwas „nur heute“ oder „nur 100 Stück weltweit“ da ist, verengt sich unser Hirn und bekommt einen Tunnelblick. Dann heißt es nicht mehr: „Ich brauche das.“ Dann heißt es: „Ich darf es nicht verlieren.“ Marken spielen damit.

Wie reagieren Händler und Marken auf den wachsenden Trend?
Ich vermute, mit offenen Armen und ganz viel Marketing. Sie liefern ja nicht nur Produkte, sondern das passende Lebensgefühl gleich mit. Sie machen aus einem Objekt eine Geschichte und ein Statement im Sinne von „Look at me“. Das funktioniert. Warum? Weil Menschen sich nach Bedeutung sehnen und nach Verbindung. Und wenn die nicht im echten Leben zu haben ist, dann eben in der Vitrine.

Wie sehen Sie die Zukunft des Collectibles-Marktes in den nächsten Jahren?
Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Ich bin Psychologin, keine Marktanalystin. Aber was ich sagen kann: Solange Menschen nach Bedeutung suchen, wird es Dinge geben, die mehr sind als Dinge und Bedeutung geben. Sammelobjekte sind oft Projektionsflächen für Erinnerungen, Sehnsüchte und Identität. Wenn sich diese inneren Bedürfnisse verändern, verändert sich auch der Markt. Vielleicht wird irgendwann weniger gesammelt oder ganz anders. Vielleicht werden Momente wichtiger als Materielles. Vielleicht auch nicht. Der Mensch bleibt unberechenbar und das ist das eigentlich Spannende.