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Bücher: Von Leselust und Lesefrust

20. September 2023, 10:44

Lesen will gelernt sein! Wer sich schon in früh zwischen Wortschlangen, wundersamen Buchgestalten und fabelhaften Illustrationen bewegt, hat das Zeug, eine waschechte Leseratte zu werden. Redakteurin und Dreifach-Mami Nadja Finkenzeller kann dazu ihre ganz eigene Geschichte erzählen …

Schon während meines Studiums der deutschen Literaturgeschichte malte ich mir aus, wie ich meinen imaginären Wunschkindern literarische Lebensart nahebringen und ihre Begeisterung für Eric Carle, Astrid Lindgren und Michael Ende wecken würde. Und als es Jahre später dann tatsächlich soweit war, verschlang meine kleine Tochter tatsächlich das ein oder andere Buch. Denn als ich ihr die ersten Pappbilderbücher in die Hand gab, kam sie schnell auf deren Geschmack und das im wahrsten Sinne des Wortes. In ihrer oralen Phase nagte sie nur allzu gerne die Ecken der Bücher an. Da bekam der Begriff Bücherwurm eine ganz neue Bedeutung für mich.
Das Vorlesen habe ich ihr trotzdem weiterhin schmackhaft gemacht und hielt an meinen guten, erzieherischen Vorsätzen fest, die Lesekultur als wertvolle Mama-und-Kind-Zeit in unseren Alltag zu integrieren. Bücher sind eben keine schwere Kost!

Und so gehörte das Vorlesen vor dem Zubettgehen zu unserem allabendlichen Ritual, auch als meine Zweitgeborene dann zwei Jahre später mit im Boot oder besser gesagt mit im Bett saß, um Mamis Worten zu lauschen. Blöderweise hatten beide Mädels schnell ihre Favoriten auserkoren. Eine wollte jeden Abend „Die kleine Raupe Nimmersatt“ vorgelesen bekommen, die andere „Henriette Bimmelbahn“.
Und als mir bereits zum hundertsten Mal die Textzeile „Doch die alte Henriette ruckelt müde, zuckelt matt, bimmelt leise ihre Wiese und rollt heimwärts in die Stadt“ über die Lippen kam, dachte ich mir insgeheim „Wo ist denn bitte die Endstation? Ich will aussteigen.“
Und dann ging es irgendwie doch ganz schnell. Die Kleinen wurden flügge, lernten lesen und zelebrierten das Lesen plötzlich selbst. Heute kann ich unser Abendritual wieder genießen, denn mit unserem Jüngsten, einem fünfjährigen Abenteurer, kam ein weiterer Bücherwurm hinzu. Ihm werden Geschichten über Ritter, Dinosaurier und Piraten jetzt von seiner großen Schwester vorgelesen, während sich Mami ganz entspannt zurücklehnt. Gemeinsam sitzen wir drei im Bett, meine Älteste auf der Couch nebenan hat sich bereits ganz dem Genre der Psychothriller verschrieben. Wenn sie beim Lesen zusammenzuckt, verteilt sich die Spannung spürbar im ganzen Raum. Sie hat es tatsächlich: das viel besagte Lesefieber. Innerlich jubiliere ich, hatte ich mir doch genau das gewünscht – das Lesen als wichtiges Kulturgut innerhalb der Familie wie eine kostbare Pflanze zu hegen und zu pflegen.
Ist das nun das Ende der Geschichte? Keineswegs. Ich habe mich wieder ins Geschehen eingeklinkt und möchte echte Klassiker aufleben lassen. Deshalb habe ich kürzlich zu den „Siebenundzwanzig Suppengeschichten“ gegriffen, die mich so sehr an meine Kindergartenzeit erinnern. Und auch wenn meine Große und mein Mann kopfschüttelnd neben dem Bett stehen und sich fragen, in welchen Sphären die Autorin beim Texten unterwegs war, lese ich „Die Geschichte von der Dreh-Hops-Wipp-Tute-Maschine“ einfach unbeirrt weiter. Die strahlenden Kinderaugen neben mir geben mir recht.