Brennpunkt: Zwischen Werten und Wettbewerb
Die Spielwarenbranche blickt auf ein Jahr voller Herausforderungen und Chancen. Die Frage, wie Marken in einem von Preisdruck und Werteorientierung geprägten Markt bestehen können, ist drängender denn je. Tomma Rabach, geschäftsführende Gesellschafterin von rabach kommunikation, berät Marken aus der Spielwarenbranche in ihrer Kommunikationsstrategie. Für TOYS gibt sie einen Ausblick auf die Entwicklungen des Spielwarenmarkts 2025 aus kommunikativer Perspektive.
Die Spielwarenbranche steht 2025 erneut vor kritischen Herausforderungen. Während Branchenriesen wie die Lego Group, Tonies, Bruder oder Steiff weiterhin wachsen, schrumpfte der deutsche Spielwarenmarkt 2024 um circa vier Prozent. Selbst renommierte Marken wie Playmobil, Schleich, Zapf Creation und Haba verlieren deutlich. Dahingehend konnten internationale Marken wie Moose Toys, Clementoni oder MAG Entertainment entscheidende Marktanteile für sich gewinnen. Höchste Eisenbahn, dass Marken, die im deutschsprachigen Raum weiterhin mitspielen wollen, die Weichen stellen.
Fakt ist: Die anhaltende Inflation, steigende Produktionskosten und ein wachsender Preisdruck fordern Hersteller und Händler gleichermaßen heraus. Nicht selten geht es ums wirtschaftliche Überleben. Gleichzeitig steigt der Druck von Konsumentenseite. Denn die Erwartungshaltung der Verbraucher*innen hat sich verändert. Bereits die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass diese mehr denn je authentische Werte, nachhaltige Materialien und soziale Verantwortung und damit einhergehend auch immer stärker eine Haltung von Marken erwarten. Gerade in Zeiten von KI ist das Handeln der Spielwarenindustrie gefordert.

Eine der größten Herausforderungen und Chancen zugleich liegt in den Zielgruppen Gen Z und Generation Alpha. Die seit Ende der 1990er Jahre geborenen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsene wachsen in einer digitalen und stark vernetzten Welt auf. Den Digital Natives folgt die Digital First-Generation, die von klein auf mit Sprachassistenten, KI und weiteren Technologien konfrontiert ist. Und das, bevor sie lesen oder schreiben lernen. Beide Generationen sind anspruchsvoll, bestens informiert, legen einen großen Wert auf persönliche Entfaltung und Sinnhaftigkeit und sind sozial wie ökologisch sensibilisiert. Sie achten auf Marken, die Verantwortung übernehmen und sind immer mehr auf personalisierte und schnelle Services eingestellt. Ihre Erwartung an Marken in Hinblick auf Nachhaltigkeit und ethischem Handel wächst. Und: Beide Generationen kommunizieren öffentlich über unterschiedlichste Social Media Kanäle. Marken, die es schaffen, auf diese Zielgruppe einzugehen, sichern sich nicht nur einen kurzfristigen Wettbewerbsvorteil, sondern eine langfristige Kundenbindung – auch für die nächste Generation.
Die Folge: War Wertekommunikation in den vergangenen Jahren noch etwas, um als Premiummarke herauszuragen, werden Unternehmen in 2025 nicht mehr daran vorbeikommen, eine klare Haltung zu zeigen. Das ist an sich nichts Neues für Marketingexperten, wird bislang jedoch nur von den wenigsten Spielwarenmarken gelebt. Meist, weil der unmittelbare Impact auf Sales-Erfolg ausbleibt oder nur sehr schwer gemessen werden kann. Doch in den nächsten Jahren wird auch die Spielwarenbranche daran gemessen werden. Eine Entwicklung, die durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und angepasste Bewertungskriterien von Verbraucherschützern und Verbraucherschutzmedien an Bedeutung zunimmt.
Es stellt sich also die Frage, wie sich diese scheinbaren Gegensätze vereinen lassen und wie eine Marke glaubwürdig kommunizieren kann, wenn sie angesichts wirtschaftlicher Umstände günstige Artikel anbieten muss?
Überleben durch günstige Produktion oder Haltung zeigen?
Die wirtschaftliche Realität der vergangenen Jahre hat Unternehmen gezwungen, ihre Produktionsstrategien zu überdenken. Für viele Spielwarenhersteller bedeutet das den Rückgriff auf günstigere Materialien, einfachere Designs und/oder kosteneffiziente Produktionsstätten. Diese Maßnahmen scheinen oft der einzige Weg, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Preisdruck der globalen Märkte zu bewältigen. Doch der Ansatz birgt Risiken. Die Qualität leidet, das Markenimage wird geschwächt, die -identität verwässert, und am Ende bleibt die Marke austauschbar. Eine Abwärtsspirale, die langfristig das Vertrauen der Verbraucher und auch Händler gefährdet.
Dem gegenüber steht die wachsende Erwartung an Unternehmen, „Haltung“ zu zeigen. Nachhaltige Materialien, faire Arbeitsbedingungen und die Unterstützung sozialer Projekte sind längst keine Randthemen mehr, sondern etablieren sich als grundlegender Standard. Das zeigt auch die immer stärker werdende Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Verbraucherschutzmedien wie Ökotest.
Problematisch ist, wenn der Umsatzdruck so hoch wird, dass Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen (können) und somit das Risiko eingehen, unter schlechten Arbeitsbedingungen zu produzieren. Unzureichende Kontrollen, schwache Umweltschutzmaßnahmen, bestehende Armut, die zur Ausbeutung von Arbeitskräften führen kann und die potenzielle Gefahr von Kinderarbeit sind kommunikativer Sprengstoff und können Unternehmen in die Knie zwingen.
Und genau hier liegt die Herausforderung: Haltung ist teuer. Nachhaltige Materialien, eine verantwortungsvolle Produktion, die Unterstützung (lokaler) Bildungsprojekte, transparente Lieferketten und eine entsprechende Nachverfolgung verursachen höhere Kosten, was zwangsläufig zu höheren Preisen führt. Die wirtschaftliche Folge: Die Marke wird für preissensible Kunden weniger attraktiv, der Absatz kann sinken.
So stellt sich die Frage, ob dieser Balanceakt überhaupt auflösbar ist? Ich behaupte ja – wenn Unternehmen mutig und transparent kommunizieren. Der Schlüssel liegt darin, wirtschaftliche Realitäten nicht zu verschweigen, sondern zielgruppengerecht mit den Konsumenten zu teilen. Segmentierte Produktlinien sind in der Spielwarenbranche keine Seltenheit. Doch nur selten werden auch die preisgünstigen Artikel kommunikativ unterstützt. Dabei können auch günstige Produkte emotional aufgeladen werden und bieten unter Berücksichtigung der jeweiligen Zielgruppe und ihren individuellen Kommunikationskanälen, sogar Chancen. Solange gleichzeitig betont wird, wo trotz Preisdruck keine Kompromisse gemacht werden (Stichwort Sicherheit und Schadstofffreiheit).
Kommunikation: Der (un)sichtbare Hebel im Wettbewerb
PR und im besten Fall eine ganzheitliche Markenkommunikation vermitteln die Botschaften, die über den reinen Produktnutzen hinausgehen. Denn seien wir ehrlich: Warum sollte ein Elternteil gerade diesen Experimentierkasten, dieses Puzzle oder dieses Spiel, diesen Plüschartikel kaufen, wenn ein Vergleichbares günstiger ist? Die Antwort liegt ganz sicher nicht im Preis, sondern in der Geschichte, die die Marke erzählt, in den Emotionen, die sie transportiert und in dem Mehrwert, den sie verspricht.
Kommunikation schafft Vertrauen und Identifikation – Aspekte, die gerade in unsicheren Zeiten den Unterschied machen. Marken, die durch authentische Kommunikation und klare Werte überzeugen, sind weniger anfällig für den reinen Preisdruck. Sie gewinnen loyale Kunden, die bereit sind, die Produkte weiterzuempfehlen und die bereit sind, einen höheren Preis für ein Produkt zu zahlen – vor allem, wenn sie durch emotionale Kommunikation von deren Wert überzeugt werden. Der positive Effekt: Eine eigene starke Community, die wächst und bei kritischen Kommentaren oder Berichterstattungen meist als Fürsprecher agieren. Vorausgesetzt, die Qualität des Produkts und der Nachhaltigkeitsanspruch stimmen. Übrigens zeigte schon 2022 eine Studie von Nielsen, dass 73 Prozent der Konsumenten (branchenübergreifend) bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen, wenn sie transparent über die positiven Auswirkungen informiert werden.
Entscheidend ist, dass Kommunikation nicht als reiner Kostenfaktor, sondern als Investition in die Zukunft der Marke betrachtet wird. Eine direkte Auswirkung auf Sales sollte nicht die Erwartungshaltung sein. Nachhaltige Markenkommunikation bedarf eines langen Atems. Umso wichtiger, ganzheitlich zu denken und auf einen Mix aus verkaufsunterstützenden Kommunikationsmaßnahmen und Marken-PR zu setzen. Hierfür wird es notwendig sein, bisherige KPIs zu überdenken und den TKP neu zu bewerten.
Verantwortung übernehmen
Die Besonderheit der Spielwarenbranche: Sie trägt vergleichsweise mehr Verantwortung als andere Branchen. Zum einen ist Spielzeug ein zentraler Bestandteil in der Entwicklung von Kindern, der die Werte, Kreativität und Bildung der nächsten Generation prägt. Zum anderen sind Eltern und Kinder eine besonders sensible Zielgruppe. Gerade in Zeiten, in denen KI nicht nur für Kommunikationsmaßnahmen, sondern auch innerhalb der Produkte eingesetzt wird. Chatbots sind vor allem bei Jugendlichen beliebt. Denn häufig ermöglichen sie es, mit den Lieblingscharakteren aus ihren Videospielen zu sprechen. Doch die Entwicklungen in den USA zeigen die Gefahren von KI: So wurden Kinder und Jugendliche zu Straftaten oder Suizid aufgefordert. Was unfassbar scheint, zeigt die Gefahren des KI-Einsatzes. Bereits 2022 warnten Forscher der Oxford University davor, dass sich fortgeschrittene KI verselbstständigen und im schlimmsten Fall gegen ihre Erfinder wenden könnte. Umso wichtiger für Marken, trotz potenziell hoher Sicherheitsfunktionen in entsprechende Schutz- und Bildungsprogramme zu investieren, Eltern und Kids aufzuklären und zum verantwortungsvollen Umgang zu sensibilisieren.
Marken müssen daher nicht nur ihre Produkte optimieren, sondern auch gesellschaftliche Fragen adressieren. Dazu gehört, wie sie die Sicherheit ihrer Produkte gewährleisten, die psychologische Entwicklung der Kinder fördern und gleichzeitig Eltern in ihren Werten und Erziehungszielen unterstützen können. Insbesondere der letzte Punkt wird von vielen Spielwarenherstellern unterschätzt und zugunsten reichweitenstarker Produktwerbung hintenangestellt.
Fazit
Kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch ist der Schlüssel. Der ehrliche Dialog gewinnt!
Kann also eine Marke in Zeiten des Preiskampfs überleben? Die Antwort lautet: Ja – wenn sie transparent, ehrlich und bedürfnisorientiert Werte in den Mittelpunkt stellt und diese konsequent kommuniziert. Es geht nicht darum, entweder günstig oder werteorientiert zu sein. Die Fähigkeit, sich durch Innovationen und authentische Markenkommunikation hervorzuheben, wird entscheidend sein. Erfolgreiche Marken finden eine Balance zwischen effizienter Produktion und einer klaren Haltung – einer Haltung, die durch Kommunikationsarbeit sichtbar wird. Eltern und Familien wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie erwarten keine Perfektion, sondern Authentizität. Das schafft Verständnis und Vertrauen.
Spielwarenhersteller, die sich als lernende, verantwortungsbewusste und zugleich wirtschaftlich realistische Marken positionieren, werden langfristig erfolgreich sein. Der ehrliche Dialog wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil in einem Markt, der zwischen Preisdruck und Werteorientierung zerrissen ist.
Damit steigt die Bedeutung der Kommunikationsarbeit in 2025 einmal mehr. Sie wird der Hebel sein, der Balance sichtbar macht. Sie ist es, die Marken eine Stimme verleiht, die im Wettbewerb hörbar heraussticht, und die Konsumenten die Orientierung gibt, die sie in einem überfüllten Markt suchen. In einer Zeit, in der Preise steigen und Vertrauen sinkt, ist Kommunikation das entscheidende Werkzeug, um langfristig erfolgreich zu bleiben.
Somit wird 2025 kein Jahr des billigen (Kommunikations-)Spiels, sondern des bewussten Spielens und Kommunizierens.
Laut einer Prognose von Statista wird der Markt für Spielzeug und Spiele in Deutschland bis 2029 auf sechs Milliarden Euro ansteigen, was einem jährlichen Umsatzwachstum von 2,01 Prozent entspricht. Das liest sich doch vielversprechend. Und ich bin sicher Purpose- und Soulpreneure, die ihre Bedürfnisgruppen kennen, werden als Gewinner aus diesen herausfordernden Zeiten hervorgehen. Gesellschaftlich und wirtschaftlich.
Tomma Rabach
Tomma Rabach, geschäftsführende Gesellschafterin von rabach kommunikation, berät seit knapp 20 Jahren (inter)nationale Marken aus der Spielwarenbranche in ihrer Kommunikationsstrategie. Ihre Empfehlung: „Gerade unsere Branche sollte Zielgruppen als Bedürfnisgruppen verstehen, die Chancen des direkten Dialogs fördern und sich als Purpose- und Soulpreneure verstehen.“