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Brennpunkt: Vom Planeten mit gebrochenem Herzen

25. Januar 2023, 8:33

Kinder wachsen heute in einer Welt auf, die von Klimawandel und globalen Katastrophen geprägt ist. Inwieweit sind diese Themen schon im Alltag der Kinder angekommen? Und welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit beim Kauf von Spielwaren? Die Kids Researcher von like to Know haben für Super RTL eine Studie* zum Thema Kids und Nachhaltigkeit durchgeführt und überraschende Ergebnisse generiert.

Die Studie zeigt, dass Kinder schon erstaunlich viel zum Thema Nachhaltigkeit wissen. Kinder benötigen von „oben“ keine weitere Einführung, denn die Schule (Theorie) ist mit den Eltern (Praxis) der größte Informationslieferant zum Thema. Mehr als jeder dritte Elternteil (38 Prozent) gibt sogar zu, dass sein Kind zum Thema Nachhaltigkeit besser informiert sei als er selbst.
Auch wenn das Thema sehr präsent ist, kennen nur die älteren Kinder ab elf bis zwölf Jahren den Begriff der Nachhaltigkeit. Sie verstehen darunter „irgendwas mit Umweltschutz“. Kleinere Kinder können mit dem Begriff wenig anfangen, verstehen aber das Wording „Umweltschutz“ und können dabei Ursache-Folgen-Zusammenhänge des Klimawandels schon sehr gut beschreiben.

Umweltverschmutzung – Ursache und Wirkung

*Dazu wurden 32 Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren (Friendships) und 16 Elternteile remote und vor Ort in den kindgerechten like to Know-Teststudios interviewt. Die Kinder haben vorab eine Hausaufgabe zum Thema „toller Planet“ vs. „kein toller Planet“ vorbereitet.
Im Nachgang erfolgte eine Quantifizierung bei 260 Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren und deren Eltern im like to Know KidsFam@Panel. Via Audiofunktion wurde die Validität der Online-Kinderinterviews überprüft.


„Die Welt sollte so nicht enden“

Von den Kindern angefertigte Collagen über einen „unguten/blöden/unschönen Planeten“ zeigen, wie schwer das Thema bei den Kindern wiegt und wie groß das Bedürfnis ist, hier Entlastung zu erfahren. Auf den Bildern ist Müll zu sehen, Autos und Fabriken und auf manchen Bildern sogar Atomkraftwerke. Viele Kinder zeigten in ihren Bildern das mit Plastik verseuchte Meer. Besonders das Thema Tiere war in den Interviews sehr dominant. Ein immer wiederkehrendes Bild in den Interviews war die von Plastik umhüllte Schildkröte sowie der aussterbende Eisbär.
Zudem berichten die Kinder von Hass, Streitereien und Kriegen auf dem „unguten Planeten“. Die Luft ist schlecht, die Lebewesen sind unglücklich und krank. Flutkatastrophen und Stürme verwüsten die Natur, die Erde erwärmt sich immer mehr, bis letztlich alle aussterben und der „Planet tot ist“. Auch in den Zitaten wird deutlich, wie das Thema auf Kindern lastet und wie groß der Wunsch nach Hoffnung und Erleichterung ist.

Die Vision von einem schönen Planeten
ist auch mit Verzicht verbunden

In den Collagen der Kinder zum „guten/schönen/tollen Planeten“ herrscht hingegen nur Liebe und Fröhlichkeit. Es gibt keinen Streit und kein Mobbing. Die Kinder spielen draußen in einer grünen und sauberen Natur. Menschen und Tiere leben glücklich und zufrieden. Obwohl man sich diesen fröhlichen und grünen Planeten wünscht, zeigt sich in den Interviews gleichzeitig auch eine Schattenseite: Restriktionen, Aufgaben, Regeln und auch Verzicht. So werden Menschen, die den Planeten nicht respektieren und zum Beispiel Müll auf den Boden werfen, direkt ermahnt, es herrschen strenge Regeln. Es gibt nur gesundes Essen, kein Fleisch und nur wenig oder keine Technologie.


„Wie soll man das denn
alleine schaffen? Da muss
die Politik mithelfen.“

Lina, 10 Jahre


Nachhaltigkeit kann auch nerven

Das Thema Nachhaltigkeit und die schulische Assoziation spiegelt sich auch in der Gesprächsatmosphäre. Zu Beginn der Interviews wirken die Beiträge sehr angepasst – die Kinder sitzen aufrecht und melden sich artig. Die Dynamik zeigt sich als Frage-Antwort-Spiel. Die like to Know-Kidsforscher spüren, wie fest verankert das Thema bereits seit dem Kindergartenalter ist. Die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen.
Nachhaltigkeit ist kein Thema, das Kindern Spaß macht. Immer wieder ploppen die Themen Schule und Pflichten auf. Auch Verzicht wird häufig angesprochen. Das Thema ist anstrengend und irgendwie mit Pädagogik verbunden, mit Schule und Pflichten. Nachhaltigkeit macht erst mal so viel Spaß wie Zähneputzen und Händewaschen. So erzählen die Kinder, dass Dinge, die Spaß machen, eben nicht nachhaltig sind. Wirklich entspannen oder chillen könne man bei dem Thema nicht, wegen der Sorgen um die Zukunft. Selbst zwei zwölfjährige Klimaaktivistinnen geben im Interview zu, davon auch abschalten zu müssen. Ältere Kinder haben auch das Gefühl, das Übel sei sowieso nicht aufzuhalten. Aber auch wenn Ängste in den Interviews immer wieder zur Sprache kommen, wirklich große Angst äußern die Kinder nicht, da greift dann doch das kindliche Urvertrauen. Und die größeren Kinder lenken sich bewusst davon ab.


Auch wenn Ängste in den Interviews immer wieder zur Sprache kommen, wirklich große Angst äußern die Kinder nicht. Da greift das kindliche Urvertrauen.

Informationsquellen zum Thema Nachhaltigkeit in Prozent
(Online-Kinderbefragung, n = 260 Kinder)

Die kleine und die große Nachhaltigkeit

Die Analyse der Interviews deckt auf, dass es im Leben der Kinder zwei Arten von Nachhaltigkeit gibt. Die „große Nachhaltigkeit“ beinhaltet die großen Themen, die die Wirtschaft und die Politik betreffen. Hier fühlt man sich oft ohnmächtig und alleine gelassen. Die Verantwortung sieht man klar bei Politik und den Unternehmen.
Daneben existiert noch eine „kleine Nachhaltigkeit“, bei der man die Zügel selbst in der Hand hat und Dinge beeinflussen kann. Kinder sind damit aufgewachsen. So zu leben, gehört zum Lebensstil wie Zähneputzen. Die „kleine Nachhaltigkeit“, von der Mülltrennung bis zur Nutzung des Stoffeinkaufsbeutels, gilt oft als alltägliche Pflicht und wird dadurch von Kindern nicht so stark mit Verzicht verbunden wie bei Erwachsenen.
Richtig lebendig wird es, wenn die kleine Nachhaltigkeit über eine sinnliche Erfahrung, auch Naturerfahrungen oder Do-it-yourself-Aktivitäten, transportiert wird. Kinder lieben es beispielsweise, aus Verpackungsmaterialien etwas zu basteln. Psychologisch betrachtet bastelt man so gegen die erlebte Ohnmacht an, gestaltet aktiv und fühlt sich nicht mehr ausgeliefert. Dann kann das Thema Nachhaltigkeit auch richtig Spaß machen.


Ich habe Angst, dass irgendwann die Sonne auf die Erde kracht.

(Frederic, 12 Jahre)

Ich hatte früher Angst, weil ich dachte, dass die Sonne auf die Erde fällt wegen dem Klimawandel. Und manchmal brauche ich mein Lavendelöl, das mache ich dann auf die Handgelenke, das entspannt mich.

(Mia, 12 Jahre)

Wenn Leute einfach so Sachen in die Gegend werfen. Zum Beispiel so Müll ins Wasser werfen. Dann essen die Schildkröten die Plastiktüten und sterben.

(Lucy, 11 Jahre)

So richtig sicher fühle ich mich auf dieser Welt nicht.

(Elli, 12 Jahre)


Stress im Alltag kompensieren Kinder in einer Spiele-Fantasiewelt

Schnell löst sich die Spannung aus den Nachhaltigkeitsthemen, wenn zum ersten Mal Spielwaren im Fokus stehen. Die Augen beginnen zu leuchten, die Stimmung wird fröhlich. Das äußert sich auch in der Dynamik. Das von Verzicht, Ängsten und Pflicht geprägte Thema Nachhaltigkeit wird mit Freude, Fülle und Spaß besetzt. Kinder flüchten aus der Ernsthaftigkeit des Lebens gerne in „ein Spielzeug-Schlaraffenland“, in dem sie den schweren Themen wie Corona, Klimawandel oder Krieg nicht ohnmächtig ausgeliefert sind und ihre Realität selbst gestalten und dadurch Selbstwirksamkeit erfahren können. Anders als in der realen Welt kann im Spiel das Böse jederzeit eliminiert werden. Gleichzeitig ist es eine saubere (fast sterile) Welt, in der man Kind sein kann ohne Verzicht, Anstrengung oder Enttäuschung.

Plastik gehört für Kinder zur Spielewelt

Plastik ist das perfekte Material, um in die kindliche Fantasiewelt-Spiele-Bubble einzutauchen: Es ist glatt, glossy, bunt. Denn letztlich sind es Dinge mit starken sinnlichen Reizen, die positive Stimmungen erzeugen und helfen, in eine Welt einzutauchen, in der man Spaß hat, in der alles möglich ist. Die Spielwelt hat nichts mit der realen Welt zu tun. Das Thema Nachhaltigkeit verhindert sogar den Transfer in die Spielewelt-Blase. Nachhaltige Materialien wie Holz oder Pappe werden von den Kindern als Spaßbremse empfunden, und sie finden Rationalisierungsargumente für die fehlende Nachhaltigkeitspräferenz.
Kinder möchten also Kinder sein – ohne Verzicht, Anstrengung oder Enttäuschung. In den Interviews wird immer wieder geäußert, dass sie Happy Meals von McDonald‘s genießen, Capri Sonne aus Plastikstrohhalmen trinken oder mit der Plastik-Nerf spielen wollen.


Brigitte Bayer leitet als Vice President die People Insight Agency like to Know. Sie kommt aus den eigenen Reihen von RTL Deutschland, wo sie zuletzt bei RTL Data als Senior Head of Audience, Trend & UX Research die Teams für die Programmforschung, Trend- und Zukunftsforschung sowie für UX methodisch und inhaltlich (weiter-)entwickelt hat. Die Forschungsexpertin und studierte Betriebswirtschaftlerin vertiefte ihre Marktforschungskenntnisse im morphologischen Kompaktstudium zum Markt-/Medienforscher beim Rheingold Institut in Köln.


Am PoS darf es doch wieder Plastik sein

Unser Verhalten ist häufig widersprüchlich. Marktforscher*innen sprechen vom „Say-do-Gap“. Auch beim Thema Nachhaltigkeit verhalten wir uns oft anders, als wir angeben, es zu tun. Nachhaltigkeit ist ein rationaler Treiber und kann nur schwer mit emotionalen Motiven wie Spaß, Lebensfreude oder Genuss konkurrieren, die sofort umsetzbar sind und stärker motivieren als langfristig angelegte Veränderungen.
Im like to Know-Teststudio wurden zwei Regale für ein Experiment aufgebaut. In einem Regal gab es Spielwaren mit Sichtverpackung (durchsichtige Plastikfolie), im anderen Regal wurden die gleichen Spielwaren in Pappverpackung ohne Sichtmöglichkeit auf das enthaltene Produkt angeboten. Obwohl Kinder und Eltern vorher in den Interviews über einen längeren Zeitraum über die Relevanz von nachhaltigen Produkten gesprochen hatten, bevorzugten fast alle Testpersonen die Produkte aus dem Regal mit den Plastikverpackungen. Denn aufgrund erlebter Enttäuschungen (in der Verpackung war etwas anderes enthalten als vorne abgebildet) möchte man die Inhalte sehen und kontrollieren. Wenn aber am Point of Sale ein Produkt-Ansichtsexemplar bereit stünde, würden Eltern eine reine Pappverpackung bevorzugen.

Elternbefragung: Zustimmung zu vorgegebenen Statements

„Kinder stehen eben auf Plastik, weil das die Sinne mehr anregt. Was hilft Holzspielzeug, wenn es dann nur in der Ecke liegt?“

Eine Mutter


Leuchtende Kinderaugen zählen mehr als rationale, nachhaltige Kauftreiber

Bei den Eltern zeichnen sich zwei Grundkonflikte ab: Auf der einen Seite möchten sie ihre Kinder zum Maßhalten und zur Disziplin erziehen, auf der anderen Seite sie bedingungslos glücklich machen. Bis zum Kindergartenalter spielen nachhaltige Aspekte aus gesundheitlichen Motiven („Schadstoffe“) noch eine größere Rolle. Sobald die Kinder in die Schule kommen, geht durch den Leistungsdruck jedoch ein pädagogischer und auch nachhaltiger Anspruch zurück, da man die Kinder entlasten möchte. Selbst sehr nachhaltig fokussierte Eltern geben zu, dass sie Plastikspielwaren kaufen, um ihren Kindern eine Freude zu machen.
Beim Thema Spielwaren sehen Eltern das Nachhaltigkeitsthema nicht. Hier wirkt der Second-Hand-Aspekt. Ausnahme: „Chinaplastik“, das lange Transportwege zurücklegt, wenig stabil ist und zu Spielwaren gehört, die keinen lang anhaltenden Spielspaß für die Kinder bieten. Anders verhält es sich mit Markenware wie beispielsweise Lego. Hier wird Plastik als belastbar (stabil) erlebt. Man kauft es nicht täglich und kann Spielsachen auch weitervererben. Lego wird weitergegeben, ist unkaputtbar, die Verpackungen werden wiederverwertet. So wird das nachhaltige Gewissen etwas beruhigt. Entlastung ist zwar gewünscht, muss aber auf anderem Wege passieren, ohne auf Plastik bei der Spielware ganz verzichten zu müssen. So lassen sich natürliches oder recyceltes/recycelbares Plastik oder auch Benefits wie die Lebensdauer der Spielwaren ausloben. In der like to Know-Umfrage würden nur 45 Prozent der Eltern für plastikfreie Spielwaren mehr bezahlen. Die Mehrheit von 64 Prozent würden hingegen für Spielwaren mehr bezahlen, die unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt wurden.


Dem Planeten wurde hier das Herz gebrochen.

(Kai, 9 Jahre)

Hier ist viel Plastik, die Bäume sind nicht mehr gesund. Da ist die Luft so stickig. Hier habe ich die Flutkatastrophe gemalt. Die Welt sollte so nicht enden.

(Maja, 12 Jahre)

Bei der letzten Flut, da ist den Menschen auch klar geworden, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist.

(Edgar, 12 Jahre)

Wir Menschen sterben dann ja auch aus.

(Paul, 6 Jahre)


Fazit: Nachhaltigkeit ja – aber mit Spaß und Lustgewinn!

Menschen verhalten sich widersprüchlich („Say-do-Gap“). Einerseits wollen wir gesund leben, essen aber Fastfood. Wir wollen fitter werden, verbringen aber Stunden auf dem Sofa. Wir sind emotionale Wesen, handeln daher nicht immer vernünftig. Nachhaltigkeit kann nur schwer mit emotionalen Motiven wie Spaß, Lebensfreude oder Genuss konkurrieren, die sofort umsetzbar sind und stärker motivieren als langfristig angelegte Veränderungen.
Im Fokus der Werbung soll daher immer der Spaß und das Spielgeschehen stehen sowie kindliche Fantasiewelten, die bunt, steril und künstlich sein dürfen. Spielsachen sollen helfen, in eine Spiele-Bubble zu kommen, die Kinder vom Alltag entlastet und ihnen hilft, ihre Persönlichkeit entwickeln. Spaß oder Erleben sind zwar wichtiger als Nachhaltigkeit, bei der Argumentation der Kaufentscheidung spielt Nachhaltigkeit aber eine Rolle. Das Thema darf aber nicht als Spaßbremse agieren, und die Tonalität sollte nicht belehrend oder unterrichtend sein.
Bei der Verpackung sollten unbedingt entlastende Lösungen angeboten werden. Umweltsiegel beispielsweise können Eltern entlasten und Kindern Überzeugungsargumente liefern. Auch das Thema Verpackungs-Upcycling (DIY) ist ein wichtiger Hebel bei der Vermeidung von Verpackungsmüll. Hier wünscht man sich von Unternehmen inspirierende DIY-Ideen, wie man Verpackungen kreativ umgestalten und in das Spiel miteinbeziehen kann.
Weitere Entlastungshilfen von Unternehmen wären, regionale Aspekte hervorzuheben („Made in Germany“) oder Rücknahme-, Reparatur- und Garantieleistungen zu kommunizieren. Hersteller können ihre Marken positiv aufladen, wenn sie sich nachhaltig engagieren (zum Beispiel Bäume pflanzen oder Waisenheime unterstützen) und dadurch den Käufern ein gutes Gefühl vermitteln.
Im Vordergrund sollte aber immer der Spielspaß stehen, der sich erst mal in der Werbung ausbreiten darf, bevor nachhaltige Aspekte aufgeführt werden. Denn wie Michael (10 Jahre) es im Interview so schön formuliert: „Auf dem schönen Nachhaltigkeitsplaneten wären aber manche Menschen auch verrückt, weil sie einfach keinen Spaß mehr haben!“