Brennpunkt: Spielware in der Krise?
Haba auf Herstellerseite, Spiele Max im Handel – die Meldungen zu prominenten Insolvenzen in der Spielwarenbranche haben im vergangenen Jahr zugenommen. Multidimensionale Krisen kombiniert mit einer deutlichen Konsumzurückhaltung sind exogene Faktoren, die nicht zu beeinflussen sind und viele, auch führende, Branchenplayer in die Enge treiben. In dieser Situation geht es nun darum, Realitäten anzuerkennen – und sich unternehmerisch auf die aktuelle Gemengelage einzustellen. Geschäftsmodelle müssen auf den Prüfstand, um durch notwendige Anpassungen den eigenen Handlungsspielraum zu erhalten. Was der Mittelstand jetzt tun kann, erläutern Daniel Emmrich und Philipp Trompeter von der Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner im nachfolgenden Beitrag.

ie deutsche Spielwarenindustrie steht vor Herausforderungen, die sowohl aus globalen als auch aus lokalen Entwicklungen resultieren. Entsprechend müssen sich Hersteller und Handel mit Themen wie veränderten Spielgewohnheiten, Nachhaltigkeitsanforderungen, Anpassung von Logistik und Lieferkette sowie Kostensteigerungen bei Material, in der Organisation und in den Sachkosten auseinandersetzen.
Druck von außen – Maßnahmen von innen
Die Veränderung der Spielgewohnheiten führt dazu, dass sich traditionelle Spielwaren heute mehr denn je ihre Stellung gegenüber iPad und Konsolen erarbeiten müssen. Innovationen unter Einbeziehung digitaler Komponenten zu traditioneller Hardware sind ein Weg, durch den Spielwarenhersteller sich aus ihrer Kernkompetenz heraus zukünftige Umsatzquellen erschließen können. Erfolgreiche Beispiele wie aus einem durchdachten und erweiterbaren Ökosystem nachhaltig wiederkehrende Umsätze generiert werden können, sind unter anderem tiptoi und tonies. Konzepte wie diese zu entwickeln und zu verkaufen, erfordert Innovationsfähigkeit und Marketing-Know-how. Hierauf gilt es die Organisation auszurichten.
Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Spielwarenbranche in unterschiedlichen Dimensionen. Die Anforderung der Verbraucher, nachhaltige und umweltfreundliche Materialien in Produkten zu verwenden, wächst. Dies kann höhere Produktionskosten und Veränderungen in der Lieferkette zur Folge haben. Parallel führen verschärfte Gesetzgebungen zum Nachhaltigkeitsreporting und die neue Spielzeugverordnung dazu, dass Unternehmen zusätzliche Kosten für Compliance einsetzen müssen. Nur wer diese Anforderungen sinnvoll verbindet, kann den bestmöglichen Nutzen für das Unternehmen finden. Konkret gilt es, sich zu entscheiden, ob das Thema Nachhaltigkeit zur Differenzierung genutzt werden soll oder ob der Fokus auf kosteneffizienter Compliance liegt.
Eng verbunden mit dem Thema Nachhaltigkeit sind auch Lieferkette und Logistik. Eine ernsthafte Alternative zur Herstellung in Ländern mit niedrigen Produktionskosten gibt es für die deutschen Mittelständler der Spielwarenbranche nicht. Disruptionen in Produktion und Transport sowie deutlich volatilere Logistikkosten fordern die Supply Chain-
Experten in den Unternehmen. Es gilt eine Beschaffungs-
strategie zu entwickeln, die auch Risikoparameter berück-sichtigt und bei absehbaren geopolitischen Konflikten
Resilienz beweist.
Weiterentwicklung in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und Supply Chain gibt es nicht zum Nulltarif. Hinzu kommen weitere nicht zu vermeidende Kostensteigerungen bei Material, Personal und Sachkosten wie vor allem der Energie, mit denen die Branche umgehen muss. Effizienz im Einkauf, der Organisation und den Prozessen sollte ehrlich und kritisch betrachtet werden, je nach Unternehmenssituation sollten Maßnahmen abgeleitet werden.
Ehrliche Standortbestimmung im Fokus
Entscheidend an dieser Stelle: eine ehrliche Standortbestimmung. Während finanziell starke Unternehmen die nötige „Kriegskasse“ haben, um ihre Anstrengungen auf die strategische Weiterentwicklung auszurichten, geht es bei angespannterer Situation mit robuster Liquidität und Erlösquellen darum, im Zuge eines selbst verordneten Performance Improvement Programms Kosten zu senken. Ist auch die Liquidität eingeschränkt, stehen die Zeichen auf Restrukturierung/Sanierung mit professioneller Unterstützung. Deutlich wird: Die zentrale Steuerungsgröße des operativen Handlungsspielraums ist die Liquidität. Dadurch wird neben dem operativen Handlungsspielraum auch die Existenz des Unternehmens gesichert und die Haftungsrisiken der Geschäftsführung werden minimiert.
Restrukturierung – auf dem Weg zum Turnaround
Da in der Spielwarenbranche die Kundenorientierung sehr wichtig ist, muss vor allem kritisch hinterfragt werden, ob die strategische Ausrichtung tatsächlich „kundenorientiert“ ist oder eine Zentrierung auf das „Produkt“ vorliegt. Insbesondere bei Traditionsunternehmen kann hier die Eigen- und Fremdwahrnehmung deutlich auseinanderliegen – und muss hinterfragt werden: Was will der Kunde? Was kann das Unternehmen/das Produkt? Wo verdient man Geld? „Matchen“ die Antworten auf diese drei Fragen, gibt es einen Weg zur Zukunftsfähigkeit, der in einem Restrukturierungskonzept zu konkretisieren ist. Dieses definiert den Handlungsspielraum auf Basis der Liquidität sowie die Restrukturierungsstrategie, klärt formale Anforderungen der Stakeholder und legt die konsequente Umsetzung der Restrukturierungs-/Sanierungsmaßnahmen fest.
Insolvenz = Tod des Unternehmens?
Eine Insolvenz ist nicht das Ende. Punkt. Es ist vielmehr ein mögliches Werkzeug der Sanierung, zur Neuausrichtung des Unternehmens. In der öffentlichen Meinung wird Insolvenz oft mit der Liquidation verwechselt – doch nur ein Teil der insolventen Unternehmen kann im Rahmen einer Insolvenz nicht gerettet werden!
Im Wesentlichen geht es bei der Insolvenz um die finanzielle und operative Sanierung mit dem Ziel, das Unternehmen sowohl hinsichtlich der Verschuldung als auch der operativen Performance zu redimensionieren und somit auf die veränderten Marktgegebenheiten einzustellen. Dies gelingt nur, wenn das Geschäftsmodell hinterfragt und den Anforderungen des Markts und somit der Kunden angepasst wird. Zentrale Anforderungen: Das Unternehmen muss innerhalb des Sanierungszeitraums eine Verschuldungsdauer von drei Jahren erreichen, ein stabiles Eigenkapital von mehr als 30 Prozent vorweisen und für den Sanierungszeitraum durchfinanziert sein.
Kann der notwendige Finanzbedarf nicht generiert werden und eine „außergerichtliche Sanierung“ ist unmöglich, führt der Weg in die Insolvenz. Im Rahmen der Insolvenz ergeben sich nun andere Handlungsmöglichkeiten, um die Sanierungsstrategie umzusetzen und einen „ReStart“ des Unternehmens zu ermöglichen.
Krise rechtzeitig erkennen, Handlungsalternativen erhöhen
Die Spielwarenbranche bewegt sich wie viele andere aktuell in einem äußert dynamischen Marktumfeld. Anforderungen an Unternehmen ändern sich ständig und kurzfristig. Gerade der Mittelstand, Rückgrat auch in der Spielware, muss jetzt Geschäftsmodelle schonungslos unter die Lupe nehmen und einen ehrlichen Blick auf die Anforderungen der Zielkunden werfen. Der Mittelstand ist hier aufgrund von meist kurzen Entscheidungswegen und Kontinuität in Führung und Gesellschafterstrukturen deutlich im Vorteil. Die Gesellschafterstruktur ist zudem für den Bereich Nachhaltigkeit ein großer Vorteil, da Familienunternehmer – insbesondere die junge Generation – unter der „Enkelfähigkeit“ einen nachhaltigen Werteanspruch an das Unternehmen formulieren.
90 Prozent der Kunden zu einem erfolgreichen Turnaround geführt.