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Brennpunkt: Spielware im Kontext der Krise

19. Januar 2024, 9:48

Spätestens nach der gemeinsamen Branchenpressekonferenz von DVSI, BVS und dem Marktforschungsinstitut Circana Ende November in Nürnberg ist klar, dass inzwischen auch die „sichere Bank Spielware“ in der aktuellen Krise zu kämpfen hat. Aber geht es der Branche wirklich so schlecht wie in der Presse dargestellt? Eine Bestandsaufnahme.

Spielware galt während der vergangenen Pandemiejahre als sichere Bank, sowohl für Händler als auch für Hersteller. „Am Kind wird zuletzt gespart“ hörte man fast schon gebetsmühlenartig aus aller Munde. Und tatsächlich konnten Handelsverbände und Marktforschungsinstitute selten höhere Nachfragen und bessere Verkaufszahlen für Spielware verzeichnen als 2020 und 2021.
Nicht mehr vom Pandemiegeschehen und dem Rückzug ins Häusliche geprägt, sondern von den wirtschaftlichen Konsequenzen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war auch 2023 ein Krisenjahr. Hinzu kam das Wiederaufleben eines normalen Alltags in Deutschland, der höhere finanzielle Aufwendungen für Transport, Reisen, Bekleidung et cetera mit sich brachte.

In Verbindung mit den während der Inflation gestiegenen Kosten für Konsumgüter und Dienstleistungen sowie der Verteuerung von Mieten und Energie hatte dies eine Kaufzurückhaltung in allen Konsumbereichen, inklusive der Spielware zur Folge. Während die Verbraucherinnen und Verbraucher in den ersten Coronajahren kaum wussten, wohin mit ihrem nicht ausgegebenen Geld, und Eltern ihre Kinder für die verlorene Zeit während der Lockdowns mit vielen und zum Teil teuren Spielsachen trösten wollten, werden in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten die Kaufprioritäten anders gesetzt. Joachim Stempfle von Circana brachte es in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt: „Die Menschen (…) greifen eher zu Produkten in mittleren oder niedrigen Preislagen. Die Preiserhöhung im vergangenen Jahr von durchschnittlich einem Prozent fällt dabei kaum ins Gewicht. Eine größere Rolle spielen die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die Menschen haben im Durchschnitt weniger Geld in der Tasche.“

Spielware ist ab einem gewissen Preispunkt eben kein „Must-have“ mehr, sondern nur noch ein „Nice to have“.

Mit Blick auf die Auswirkungen für den Fachhandel ergänzt Steffen Kahnt vom BVS: „(…) die Menschen sind nach wie vor vorsichtig und brennen aktuell kein Konsumfeuerwerk ab. Die Handelsunternehmen sind durch die vielfältig gestiegenen Kosten – ob bei Mieten oder Löhnen – herausgefordert. Es ist daher klar, dass viele Unternehmer ihre Standorte auf den Prüfstand stellen und ihr Geschäft auf Rentabilität trimmen.“
Insgesamt verzeichnete die Branche bis einschließlich Oktober 2023 einen Umsatzrückgang von vier Prozent. Die endgültigen Zahlen, die auch das Weihnachtsgeschäft berücksichtigen, stehen noch aus, doch sind 2023 in Deutschland voraussichtlich insgesamt 4,5 Milliarden Euro für Spielware ausgegeben worden. Das sind laut BVS rund 200 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor und 400 Millionen Euro weniger als im Rekordjahr 2021.
Für Medienschaffende, die über die Spielwarenbranche berichten, sind solche Zahlen gerade um die Weihnachtszeit ein gefundenes Fressen. Eine Meldung darüber ist fast schon ein Garant für hohe Klickraten, nach dem Motto: „Only bad news are good news“. Warum das so ist, liegt unter anderem im menschlichen Gehirn begründet, das negative Neuigkeiten intensiver wahrnimmt und verarbeitet als neutrale oder positive. Das wissen Journalistinnen und Journalisten natürlich auch und viele formulieren Schlagzeilen deshalb durchaus negativ bis reißerisch, um eine möglichst große Leserschaft in den Beitrag reinzuziehen. Was bedenklich ist: Bei manchen Branchenvertretern, die für Interviews oder Zitate kontaktiert werden, kommt der Verdacht auf, dass Medienberichte über die Spielwarenbranche immer häufiger tendenziös gehalten sind, um ein vorgefertigtes Meinungsbild zu festigen und Stimmung in eine bestimmte Richtung zu machen. Gegenläufige Ansichten würden gar nicht mehr geduldet, so der Eindruck. Das sind Erfahrungswerte, die jeder so stehen lassen muss, der nicht dabei war. Seriöser Journalismus verbietet es jedoch, Fakten und Meinungen a priori auszuklammern, die nicht ins (aktuelle) Weltbild passen.
Die Schwierigkeit besteht darin – vor allem für Nicht-Branchenkenner – aus der komplexen wirtschaftlichen Gemengelage ein Gesamtbild der Spielwarenbranche zu entwerfen, das alle Aspekte und Positionen adäquat integriert. Dass dieses Bild eingefärbt ist von der trüben Stimmung, die derzeit in anderen Branchen und der Welt allgemein vorherrscht, ist klar. Dennoch muss man differenzieren und positiven Ereignissen und Aspekten Raum geben. Auch ist die Branche mit einem Umsatzverlust von vier Prozent relativ glimpflich davongekommen, doch bedeutet diese Zahl natürlich für jedes Unternehmen etwas anderes. Letztendlich bleibt die Frage, wie man mit der aktuellen Situation umgeht und so viel aus den eigenen Ressourcen herausholt, damit 2024 ein gutes oder zumindest zufriedenstellendes Ende nimmt. Dafür stehen die Chancen laut DVSI dieses Jahr immerhin etwas besser.


Ulrich Brobeil, Geschäftsführer DVSI

Zuversicht ist angebracht

Die Konjunkturprognosen der führenden Institute sehen für Deutschland in diesem Jahr einen kleinen Rückgang der Wirtschaftsleistung voraus, aber Prognosen können sich auch wieder schnell ändern. So zeigte sich Ende Dezember 2023 die Förderbank KfW überzeugt, dass es 2024 zu einer moderaten wirtschaftlichen Erholung kommen könnte. Und wer hätte gedacht, dass das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt 2022, als Russland den Ukraine-Krieg anzettelte und ex­treme Energiepreiserhöhungen sowie Material- und Lieferengpässe die gesamtwirtschaftliche Lage weiter verschärften, um 1,9 Prozent steigen würde? Dass die Spielwarenbranche nicht davon profitieren konnte, hat allein seinen Grund in der Sonderkonjunktur der beiden Corona-Jahre. Aus meiner Sicht wird 2024 viel davon abhängen, wie die derzeitige Regierung die Verunsicherungen abbaut, um so eine Perspektive zur Erholung der Deutschen Wirtschaft zu bieten. Mit dem Wachstumschancengesetz ist ein erster Schritt getan.
Deutschland neigt zum Pessimismus. Ich vermute allerdings, dass sich manche Länder eher freuen würden, wenn sie die Probleme Deutschlands hätten. Das bedeutet allerdings nicht, dass 2024 ein einfaches Jahr wird. Der Reformbedarf ist nach wie vor groß, wie der DVSI-Index 2023 mit seinem Special-Standort Deutschland zeigt. Unsere Mitglieder bewerten das administrativ-politische Umfeld durchweg als verbesserungsfähig: zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern und Abgaben, enorme Energiekosten und fehlende Energiesicherheit, kränkelnde Infrastruktur. 91 Prozent der befragten Spielwarenhersteller gaben an, dass sich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gerade in den letzten Jahren mehr oder minder stark verschlechtert hat, schätzen aber die „allgemeinen Rahmenbe­dingungen“.
Aber ist die Lage wirklich so düster? Ich meine nicht. Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist weiterhin stabil. Gleichzeitig steigen die Löhne und Gehälter erstmals seit zwei Jahren kräftiger als die Preise. Die Kaufkraft der Einkommen nimmt damit zu, was den privaten Konsum und damit die Konjunktur stützen dürfte. Und die 2024 in Kraft getretenen Steuerentlastungen sorgen für mehr Netto vom Brutto. Und noch etwas macht Mut. Trotz der Heraus­forderungen sieht sich die Branche nach eigener Einschätzung mittel- bis langfristig solide aufgestellt. 32 Prozent der vom DVSI befragten Hersteller bewerten ihre Aufstellung für die nächsten Jahre als gut oder sehr gut. Das alles lässt mich durchaus zuversichtlich ins Jahr blicken.

Ulrich Brobeil, Geschäftsführer DVSI