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Brennpunkt – Messen go digital

17. Juli 2020, 9:36

Spiele- und Spielwarenmessen sind geprägt von hohen Besucherzahlen, von Interaktion und Emotionen. Ihre Realisierung ist in Zeiten von Corona eine kaum zu stemmende Herausforderung. Die weltweit größte Spielemesse, die Spiel in Essen, setzt auf eine digitale Variante. Die Digital-Messe Toys Milano Plus hat ihre Premiere bereits hinter sich gebracht.

Es hätte alles so schön sein können. Im vergangenen Jahr nahm die Spiel ‘19 die 200.000-Besucher-Hürde und erreichte auch bei den Ausstellern mit 1.200 Teilnehmern aus 53 Ländern einen neuen Rekord. Und für 2020 sah alles nach einem weiteren Wachstum aus. Bis Mitte Mai waren bereits 80 Prozent der Fläche von 86.000 Quadratmeter in den Essener Messehallen gebucht – doch dann zog Dominique Metzler, Geschäftsführerin des Bonner Friedhelm Merz Verlags, der die Messe veranstaltet, die Notbremse. „Das Risiko ist einfach zu hoch“, so die Chefin der weltweit führenden Spielemesse. „Die Gefahr einer neuen Welle des Coronavirus ist immer noch da, und orientiert man sich an der zurzeit empfohlenen Dichte von einem Besucher auf zehn Quadratmeter, können wir so gut wie keine Gäste empfangen. Selbst bei einer Regelung von einer Person pro fünf Quadratmeter Fläche lässt sich unser Konzept nicht realisieren. Wir sind eben keine Fachmesse, und gerade das macht unseren Erfolg aus.“

So schließt der Merz Verlag die Lücke bis zur Spiel ‘21, die für den 14. bis 17. Oktober 2021 geplant ist, mit einer echten Innovation, der Spiel.digital vom 22. bis 25. Oktober 2020. „Es gibt hunderte von Verlagen, die im Herbst ihre Neuheiten auf den Markt bringen und die ohne uns keine Plattform zur Vermarktung haben“, beschreibt Metzler ihre Motivation und berichtet von den ersten Plänen. Auf fünf Säulen ruht das digitale Konzept. Spiel games heißt das Neuheitenportal, auf dem alle neuen Spiele vorgestellt werden – geordnet nach verschiedenen Themenwelten wie Familienspiele oder Rollenspiele und kombiniert mit Verkaufslinks, beispielsweise zu den Onlinestores der Verlage. Im Bereich Spiel exhibitors können sich die Aussteller mit ihren eigenen virtuellen Messeständen, Informationen und Videos präsentieren, während sich unter der Bezeichnung „Community“ alle Events und Aktionen der Player auf der Digital-Messe finden. „Auch Ladengeschäfte, die parallel zur Spiel.digital vor Ort kleine Spielefeste mit neuen Spielen veranstalten, können hier kostenlos für diese Angebote Werbung machen“, so Metzler. Dann wird es Spiel TV geben mit englischen und deutschen Livestreams und einem Rollenspielkanal. Auch die Verleihung des Deutschen Spielepreises wird hier zu sehen sein, ebenso wie Vorstellungen von Autoren und Verlagen. Das Angebot von Panels ist ebenfalls angedacht. „Wenn alles gut geht, werden wir hier bereits im September mit einer Pre-Show starten“, hofft die Messe-Veranstalterin. Säule Nummer 5 ist ein Businessbereich, den Aussteller separat zum Beispiel für Gespräche mit Autoren buchen können. Er wird ergänzt um eine Prototypengalerie, in der Spieleerfinder ihre neuen Entwicklungen zeigen können.
Aktuell werden die verschiedenen Buchungs-Pakete erarbeitet und den Verlagen auf der ganzen Welt kommuniziert. „Ausstellern, die mit digitalen Auftritten nicht so vertraut sind, vermitteln wir zudem gerne Dienstleister, die sie dabei unterstützen, ohne dass wir selbst daran verdienen“, berichtet Metzler. In Kontakt sei man unter anderem mit der Plattform Tabletopia. Aussteller haben hier die Möglichkeit, digitale Versionen ihrer Spiele zu erstellen, die dann von den Besuchern gemeinsam an virtuellen Spieltischen gespielt werden können. „Wir haben erreicht, dass dieses Online-Portal unseren Besuchern während der Messelaufzeit uneingeschränkt kostenlos zur Verfügung steht.“
Mit der Spiel.digital blickt Metzler auch schon in die weitere Zukunft. „Natürlich diskutieren wir, wie wir die nun programmierte Plattform in Zukunft nutzen können. Eine physische und eine virtuelle Messe parallel zu veranstalten, ist eine große Belastung für alle Beteiligten“, glaubt sie. „Aber zeitversetzt halte ich die Zweigleisigkeit durchaus für eine gute Idee – und kleinere digitale Events sind ebenfalls denkbar, wenn es einen entsprechenden Bedarf gibt.“
Auch die gamescom 2020 vom 27. bis 30. August in Köln setzt konsequent auf das Thema Digitalisierung. Der bereits im vergangenen Jahr erfolgreich gestartete Content-Hub gamescom now wird stark erweitert und zur ersten Anlaufstelle für alle Inhalte und News. Mit Themenbereichen wie Let’s Player, E-Sport, Cosplay, Indies oder Merchandise zeigt sich die Games-Welt auf diesem zentralen Portal in ihrer ganzen Vielfalt. Ein ausgedehntes Programm für Fachbesucher rund um Games-Entwickler mit zahlreichen Talks und einem umfangreichen Matchmaking wird im Rahmen der devcom digital conference 2020 vom 17. bis 30. August stattfinden. Zusätzlich wird die devcom zukünftig auch ganzjährig ein vielfältiges Programm (devcom 365) aus Talks, Shows oder Masterclasses für Entwicklerinnen und Entwickler von Games bieten. Virtuelle Messestände sind allerdings nicht geplant. Jeder interessierte Besucher kann über gamescom now oder die gamescom App kostenlos an den Events teilnehmen. Es gibt jedoch die Möglichkeit, sich als Besucher zu registrieren. Durch diese Personalisierung können auch individuelle Inhalte bereitgestellt werden.

Abstand halten ist bei der Spiel in Essen keine Option. Auch deshalb fiel die Entscheidung, die Messe dieses Jahr virtuell zu veranstalten

Die Partner der gamescom erhalten eine umfangreiche Integration in den Content-Hub gamescom now. Dabei entscheiden sie alleine und ganz individuell, wo und wie sie ihre Inhalte produzieren. Die eigenen Formate werden in Zusammenarbeit mit den professionellen Medienpartnern der Messe produziert, dazu gehören zum Beispiel die eigenen Shows: gamescom: Open Night Live, gamescom: Awesome Indies, gamescom: Daily Show und die gamescom: Best of Show. Die spezifischen digitalen Lösungen werden dabei in den digitalen Content-Hub integriert und machen die jeweiligen Inhalte für die gesamte gamescom-Community erreichbar.
Ihre Feuertaufe bereits bestanden hat die Toys Milano Plus. Wegen der Covid-19-Pandemie wurde aus dem zweitägigen Live-Event Toys Milano eine einmonatige Digital-Version, die am 25. Mai startete und am 25. Juni 2020 endete. Veranstalter war der Salone Internazionale del Giocattolo (Internationaler Spielzeugsalon) gemeinsam mit dem Industrieverband Assogiocattoli. 112 Firmen und insgesamt 350 Marken stellten hier ihre Innovationen online – angefangen von Spielen und Spielzeug über Schreibwaren, Freizeit- und Weihnachtsartikel bis zu Partyprodukten. Eine eigene Bay-B-Sektion war für den Bereich Baby reserviert. Die virtuellen Stände der Aussteller präsentierten die Produkte und auch auf die Sektion „Get inspired“ mit Informationen, Empfehlungen und der gründlichen Analyse von „heißen“ Themen in diesen schwierigen Zeiten mussten die Besucher nicht verzichten.

„Die virtuellen Stände stießen auf das Interesse von insgesamt 2.234 Käufern, 23 Prozent davon aus dem Ausland“, zeigte sich Paolo Taverna, Geschäftsführer des Spielzeugsalons sehr zufrieden. „Insgesamt wurden 34.403 Seiten besucht. Zu der großen Akzeptanz hat auch beigetragen, dass die Aussteller ihre Online-Auftritte bei Milano Toys Plus ständig aktualisierten und so auch bei mehrmaligen virtuellen Besuchen immer wieder Neues zu bieten hatten. Wir schätzen es ebenfalls sehr, dass italienische Produzenten und Distributoren ausländische Nachfrage anziehen und werden dies besonders auf unserer nächsten Messe am 26. und 27. April 2021 berücksichtigen.“

Auch Carrera Toys war bei der virtuellen Messe am Start – vor allem, um über die Weihnachtskampagne 2020 zu informieren, sagte Italien-Manager Oscar Cinelli. „Wir hatten zwar nur einige neue Kontakte, aber ein sehr positives Feedback von unseren Kunden. Trotzdem vermissen wir die persönlichen Gespräche, die uns die klassische Toys Milano ermöglicht. Nun werden mein Verkaufsteam und ich unsere Kunden besuchen, die unsere Produkte und Verpackungen auch physisch sehen und berühren müssen, und werden mit ihnen über die Marketing-Strategien unseres Unternehmens diskutieren. Wir alle freuen uns, uns im nächsten Jahr auf der Messe persönlich zu treffen.“
„In solch einer kritischen Situation hat Toys Milano Plus der Spielzeug- und Babybranche die einzige Möglichkeit erschlossen, sich zu treffen und zu kommunzieren – wenn es auch auf Abstand ist“, so der Kommentar von Raffaele Romanò, Präsident von Beberoyal, Betreiber von über 70 Babyartikelgeschäften in Italien. „Obwohl es eine sehr gute Erfahrung war, unterscheidet sich eine virtuelle Messe doch sehr von einem Live-Event, das die Kontakte zwischen den Vertretern der Branche doch auf die bequemste und praktischste Art fördert und beschleunigt.“
Daniel Arnold, International Business Development Director Simba Dickie Group dazu: „Vom 25. Mai bis 25. Juni 2020 nahmen wir mit unserem Team von Simba Toys Italien an der Toys Milano Plus teil. Bemerkenswert, wie schnell die ‚Salone Internazionale del Giocattolo‘ nach dem Shutdown dieses digitale Event umsetzte! Gerade in diesen schwierigen Zeiten war und ist es wichtig, mit unseren Kunden in aller Welt in Kontakt bleiben zu können. Die Erfahrung zeigte uns aber auch, dass eine digitale Messe nie eine physische Veranstaltung ersetzen kann. Durch die Krise sind überall schnell neue Wege der digitalen Kommunikation entstanden. Diese positive Entwicklung wird in Zukunft weiterhin unseren Büroalltag prägen. Wir freuen uns aber auch sehr, wenn wir – sobald es die Situa-tion rund um das Corona-Virus zulässt –
wieder persönlichen Kontakt zu unseren Kunden pflegen können und wenn wir 2021 wie früher auf unserem Messestand in Mailand stehen werden, um unsere Gäste zu begrüßen.“