Brennpunkt – Innovation statt Imitation!

9. September 2020, 11:08

Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate verdienen sich leider immer noch „goldene Nasen“. Die Aktion Plagiarius vergibt daher seit 1977 den Negativpreis „Plagiarius“ für Produktfälschungen und prangert damit öffentlich die Einfallslosigkeit und Dreistigkeit von Nachahmern an, die kreative Ideen anderer 1:1 kopieren und Profit daraus schlagen. Sibylle Dorndorf sprach mit Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius.

Machen Sie mit! Aktion gegen dreisten Ideenklau: 1977 vom Designer Prof. Rido Busse ins Leben gerufen, wird der Negativ-Preis „Plagiarius“ jährlich an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen verliehen. Dem Verein ist wichtig, Unternehmern und Kreativen die Bedeutung und Wirksamkeit von gewerblichen Schutzrechten (Marke, Patent, Design) nahezubringen, damit sie Nachahmer erfolgreich belangen können. Der Negativ-Preis, ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, steht für immense Profite zu Lasten von Kreativen und der Industrie, er soll die Öffentlichkeit für das Problem der Produkt- und Markenpiraterie und deren Schäden und Risiken sensibilisieren. Nehmen Sie am Plagiarius-Wettbewerb 2021 ab September 2020 teil, helfen Sie, Nachahmer zur Rechenschaft zu ziehen! – plagiarius.com

Frau Lacroix, dreiste Produktfälscher treiben nach wie vor ihr Unwesen quer durch alle Branchen, obschon die Gesetzgebung eine schärfere Gangart vorlegt und der Zoll Stichproben zieht. Woran liegt es, dass man ihnen einfach nicht Herr werden kann?
Kurz gesagt: High Profit – Low Risk!
Die Profite bei Produkt- und Markenpiraterie sind extrem lukrativ und teils vergleichbar mit denen aus dem Drogenhandel. Und das bei gleichzeitig geringem Strafmaß bei Entdeckung. Abschreckende Wirkung: gegen Null. Die Täterstruktur ist breit und reicht vom ideenarmen Wettbewerber über rücksichtslose Händler bis hin zur organisierten Kriminalität.
Hinzu kommt: Märkte regeln sich über Angebot und Nachfrage, das heißt, solange es eine mehr oder weniger bewusste Nachfrage nach Plagiaten und Fälschungen gibt, wird diese auch bedient werden.
Faktoren wie Globalisierung, digitale Kommunikation, das Internet und leichtgläubige (Online-)Schnäppchenjäger begünstigen zudem seit Jahren die explosionsartige Ausbreitung von Produkt- und Markenpiraterie. Hergestellt werden die Nachahmungen oftmals in Niedriglohnländern, vertrieben werden sie weltweit, übers Internet ebenso wie auf Straßenmärkten.

Also ein Fass ohne Boden ..?
Den Kopf in den Sand stecken und nichts tun ist keine Alternative! Wir leisten unseren Beitrag, um betroffene Firmen im Kampf gegen Nachahmer zu unterstützen und Verbraucher zu sensibilisieren und vor den Risiken zu warnen. Aus Angst vor öffentlicher Blamage durch die Auszeichnung mit unserem Negativpreis „Plagiarius“ haben über die Jahre hinweg zahlreiche Nachahmer noch vor der Jurysitzung eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht. Restbestände der Plagiate und Fälschungen wurden vom Markt genommen und Unterlassungserklärungen unterschrieben oder Lieferanten preisgegeben. Und über die große Medienpräsenz erreichen wir die breite Öffentlichkeit. Das sind Erfolge.

Mache ich mich als Händler strafbar, wenn ich unwissend Fälschungen verkaufe?
Ja, hier gilt „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. Die Hersteller der Originalprodukte können Händler bei Schutzrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen und zum Beispiel Unterlassung, Schadenersatz und Auskunft fordern. Und auch für den Kunden ist bei Haftungsfragen in der Regel der Händler der erste Ansprechpartner. Ob der Lieferant, der dem Händler bewusst Fälschungen verkauft hat, ihm gegenüber im zweiten Schritt freiwillig haftet, ist fragwürdig. Händler sollten daher Markt und Marktteilnehmer kennen und sehr genau darauf achten, welche Produkte sie anbieten und woher sie diese beziehen. Lieber vertrauensvolle Kontakte zu einigen wenigen Herstellern und Lieferanten aufbauen, als auf vermeintlich verlockende Angebote dubioser Anbieter einzugehen und am Ende teuer zu bezahlen.
Denn: Unabhängig von Größe und Vielfalt des Produktsortiments haben Händler bei Einkauf und Wareneingang Prüfpflichten, und sie haften für die von ihnen angebotenen Waren – eine große Verantwortung, die sie nicht für ein paar Euro Ersparnis aufs Spiel setzen sollten. So müssen alle im Handel erhältlichen Produkte unter anderem die Bestimmungen des Produktsicherheitsgesetzes erfüllen, sprich sie müssen technisch einwandfrei und sicher sein. Und sie dürfen keine Urheberrechte sowie eingetragenen Patente, Design- oder Markenrechte anderer verletzen.

Fälschungen gefährden die Gesundheit. Wer Arzneimittel im Internet ordert, gefährdet ernsthaft seine Gesundheit. Schreckt das ab?
Tatsächlich gibt es immens viele Händler, die keinerlei Skrupel haben, verunreinigte, wirkungslose, gesundheitsgefährdende Tabletten über das Internet zu verkaufen. Aus unterschiedlichen Gründen gehen manche Verbraucher dennoch das Risiko ein, auf kriminelle Händler reinzufallen. Meist ist der vermeintliche Schnäppchenpreis ausschlaggebend. Ein teures rezeptpflichtiges Medikament im Internet angeboten zum Spottpreis und womöglich ohne Rezept erhältlich – die Verlockung ist für viele groß. Auch Scham spielt oftmals eine Rolle. Online kann man alles ungeniert und anonym bestellen, von potenzsteigernden Tabletten über Diätpillen und Haarwuchsmittel bis hin zu vermeintlichen „Wundermitteln“. Leider verdrängen viele Konsumenten die Gefahren, frei nach dem Motto „Mir wird schon nichts passieren“. Eine mitunter fatale Einstellung.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt übrigens unter dimdi.de Tipps, wie man seriöse Online-Apotheken findet.

Den Negativpreis Plagiarius 2014 erhielt zu Recht der Nachahmer des Bruder Schaufelbagger „CAT”: links das Original von Bruder rechts die Billig-Kopie  

Was sind das für Leute, die Kopien kaufen?
Grundsätzlich kommen die Käufer von Plagiaten und Fälschungen aus allen Alters-, Einkommens- und Bildungsschichten. Einen Schwerpunkt bilden junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren, die teilweise wenig Unrechtsbewusstsein und/oder wenig Budget haben und für die es wichtig ist, sich über bestimmte Marken zu definieren. Allgemein fordern Konsumenten heutzutage mit verblüffender Selbstverständlichkeit ständig neue, vielfältige Produkte in höchster Qualität und attraktivem Design – verfügbar 24/7, geliefert in 24 Stunden und möglichst zum Fast-Umsonst-Tarif. Diese Gratis- und Schnäppchenmentalität birgt große Gefahren und spielt den Fälschern in die Karten: Wer für ein Produkt fast nichts bezahlt, der kennt auch nicht dessen realistischen Wert. Folglich können auch keine Wertschätzung und kein Respekt für die hinter dem Originalprodukt steckende Leistung entstehen. Originale sind aber nicht selbstverständlich. Mehr Wertschätzung wäre wünschenswert.

Wir müssen uns wahrscheinlich alle an die eigene Nase fassen …
Deshalb sensibilisieren wir ja. Konsumenten messen oftmals mit zweierlei Maß: Beim Original fordern sie berechtigterweise faire Herstellungsbedingungen, eine umwelt-freundliche, nachhaltige Produktion sowie garantierte Qualität und Sicherheit. Ein vermeintliches Schnäppchen vor Augen, lösen sich bedauerlicherweise schlagartig alle Skrupel in Luft auf. Die negativen Aspekte werden verdrängt.
Original und Plagiat sind aber nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. Gleiches Aussehen bedeutet keineswegs zwangsläufig die gleiche Qualität, Leistungsfähigkeit und vor allem Sicherheit. Dieser Illusion sollten sich Verbraucher nicht blauäugig hingeben. Weder aus Unwissenheit, noch aus fehlendem Unrechtsbewusstsein oder mangelnder Wertschätzung für das Original und schon gar nicht auf der Jagd nach dem vermeintlich besten Schnäppchen oder Statussymbol. Durch ihre Nachfrage und täglichen Kaufentscheidungen nehmen Verbraucher maßgeblich Einfluss auf das Marktgeschehen. Somit liegt es in der Verantwortung jedes Verbrauchers, sich bewusst fürs Original zu entscheiden und Fälschern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen.

Wie selektieren Fälscher unter den Unmengen an Neuheiten? Gibt es einen Bereich, der besonders im Fokus steht?
Grundsätzlich stehen renommierte Marken- und Luxusartikel genauso wie Produkte „Made in Germany“ im permanenten Fokus der Nachahmer. Der Zoll beschlagnahmt überwiegend Fälschungen aus den Bereichen Bekleidung, Sportartikel & Accessoires, Medikamente, Lebensmittel, Kosmetika sowie Elektronik und Ersatzteile. Prinzipiell wird aber alles, was am Markt erfolgreich ist und große Profite verspricht, nachgemacht. Auch der deutsche Maschinenbau ist beispielsweise sehr stark betroffen. Ebenso hat die Aktion Plagiarius in über 40 Jahren ihren gleichnamigen Negativpreis an plumpe Nachahmerprodukte aus nahezu allen Branchen verliehen: Haushaltwaren, Sanitärprodukte, Werkzeuge, (Büro-)Möbel, Hundeleinen, Kniebandagen, aber auch technische Produkte wie zum Beispiel Druckmessgeräte, Kühlmittelpumpen, Motorsägen, Hochdruckreiniger – und auch Kinderspielzeug. Fachmessen, auf denen Produktneuheiten präsentiert werden, dienen den Fälschern häufig als „Inspirationsquelle“. Des Weiteren orien-tieren sie sich unter anderem an den Topsellern auf eCommerce-Plattformen.
Dass die Fälscher keinerlei Skrupel haben und sich blitzschnell aktuellen Marktgegebenheiten anpassen können, haben sie jüngst im März zu Beginn der weltweiten Corona-bedingten Lockdowns unter Beweis gestellt: Statt Fake-Luxusartikeln produ-zier(t)en sie wie aus dem Nichts große Mengen, teils minderwertige, Fake-Schutzmasken, -Desinfektionsgels und -Medikamente.

Original (links) versus Kopie: Das Puky Rutscherfahrzeug wurde 1 : 1 kopiert. Ein frecher Diebstahl geistigen Eigentums und ein erheblicher Schaden für eine renommierte Marke

Ist es immer noch China, das sich als Herkunftsland von Produktfälschungen hervortut?
Die Antwort lautet: „Ja, aber…“: Allein 2018 haben die europäischen Zollbehörden laut EU-Kommission an den EU-Außengrenzen mehr als 27 Millionen rechtsverletzende Produkte mit einem Gesamtwert von über 740 Millionen Euro beschlagnahmt – und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn nur ein Bruchteil aller Warensendungen aus Drittländern kann auch physisch kontrolliert werden. Die Zahlen schwanken zwar, bewegen sich aber in den letzten Jahren konstant auf sehr hohem Niveau.

Und gemäß den jährlich veröffentlichten Zollstatistiken der Europäischen Kommission ist China, inklusive der Sonderverwaltungszone Hongkong, nach wie vor regelmäßig Herkunftsland Nummer Eins für Fälschungen. Danach folgen Länder wie die Türkei (Bekleidung, Getränke), Vietnam und Indien (Arzneimittel). Alarmierend ist die Tatsache, dass der Anteil gefälschter, potenziell gefährlicher Waren zunimmt. Zoll und auch Interpol haben in den letzten Jahren unter anderem folgende Produkte aus dem Verkehr gezogenen: verunreinigte Parfums und Kosmetika, technische Produkte mit mangelhafter Elektronik, gepanschte Lebensmittel, fehlerhaftes oder schadstoffreiches Kinderspielzeug, falsch oder gar nicht dosierte Medikamente und vieles mehr.
Alle Zoll-Statistiken berücksichtigen allerdings nur Waren, die aus Drittländern in das jeweilige Gebiet (zum Beispiel EU oder USA) eingeführt werden sollten, sie erfassen keine Rechtsverletzungen innerhalb dieser Region. Fakt ist aber, unlautere Nachahmungen werden häufig auch in Industrieländern hergestellt, vertrieben oder sogar von dort in Auftrag gegeben. Oftmals von ideenarmen Mitbewerbern oder ehemaligen Produktions- beziehungsweise Vertriebspartnern. Die EU gilt als einer der Hauptabsatzmärkte für nachgemachte Waren. Und wir sollten nicht unterschätzen, dass sich immer mehr chinesische Firmen von der verlängerten Werkbank des Westens hin zu ernsthaften Mitbewerbern auf den Weltmärkten entwickeln.

In Sachen Produktpiraterie befeuert das Internet das Geschäft mit Plagiaten. Wie könnte man hier Abhilfe schaffen?
Über Social Media-Kanäle und auch auf namhaften globalen eCommerce-Plattformen – den Amazons, Alibabas & Co. – werden neben Originalwaren nachweislich auch massenweise rechtswidrige Plagiate und Fälschungen angeboten. Meist von Drittanbietern, die nach Bedarf ihre (Schein-)Identitäten wechseln und sich erfolgreich in der Anonymität des Internets verstecken. Ein lukratives Geschäft ohne (Haftungs-)Risiken, bei dem nebenbei noch die Plattform-Betreiber mitverdienen.
Die Praxis zeigt, dass freiwillige Verpflichtungen und vollmundige Versprechen der Plattformbetreiber zur stärkeren Bekämpfung des Problems nicht ausreichen. Dabei sollte für alle Betreiber der Schutz der Originalhersteller und der Verbraucher an
erster Stelle stehen. Eine gesetzliche Verpflichtung zu mehr Verantwortung und Engagement seitens der Marktplatzbetreiber wäre wünschenswert und sinnvoll.
Parallel entstehen immer mehr „Fake-Shops“. Unseriöse Anbieter übernehmen entweder auslaufende Domains bekannter Marken oder registrieren Domainnamen, in denen Markennamen vorkommen. Die Fake-Shops sehen den Webseiten der Markenhersteller täuschend ähnlich. Oft verwenden sie Originalfotos, -bewertungen et cetera, um die Verbraucher in die Irre zu führen.
Solange es für Jedermann weltweit möglich ist, (de-) Domains ohne Identitätsprüfung zu registrieren oder sich auf eCommerce-Portalen mit falschen Namen und Adressen anzumelden, werden diese Lücken zu unlauteren Zwecken ausgenutzt werden.

Der wirtschaftliche Schaden, den Plagiate anrichten, ist immens, weiß Christine Lacroix, Geschäftsleitung Aktion Plagiarius

Die Spielwaren-Branche ist regelmäßig Zielscheibe der Produktpiraten. Welche Fälle sind Ihnen bekannt und gab es den Plagiarius für die dreisteste Kopie?
Am Plagiarius-Wettbewerb können Firmen aus allen Branchen teilnehmen, und regelmäßig wurden und werden auch nachgemachte Spielwaren eingereicht. Wir hatten sogar Ende der 90er-Jahre mal kurzzeitig einen „Plagiarius-Toy“ mit Verleihung und Pressekonferenz auf der Nürnberger Spielwarenmesse. Allerdings wurde dieser leider mangels Einreichungen schnell wieder eingestellt und in den regulären Plagiarius-Wettbewerb integriert. Trotz großer Betroffenheit der Branche wollten viele ihre Fälle nicht öffentlich machen – und wir dürfen nur mit Zustimmung der betroffenen Firmen die Verbraucher diesbezüglich sensibilisieren. Interessan-terweise kamen die Nachahmer in der Spielwarenbranche sehr häufig aus Deutschland, vielleicht lag es daran …
Die Firma Bruder Spielwaren ist mit ihren innovativen und hochwertigen Spielzeug-Baggern häufig im Visier von Nachahmern. Bruder zieht die Plagiatoren nicht nur juristisch zur Rechenschaft. Diverse dieser Nachahmer haben auch unseren Negativpreis „Plagiarius“ verliehen bekommen, damit die Verbraucher erkennen, wie billig, plump und im wahrsten Sinne des Wortes zerbrechlich die Plagiate sind. Dreist kopiert wurden darüber hinaus der Nintendo Gameboy, Furby von Hasbro, Käthe-Kruse-Puppen, Perlsacktiere, Holzspielzeug (Murmelbahn, Kaufladenartikel, Kinderpost), eine Ritterburg, eine Steckspielraupe, 3D-Konstruktionsspielzeug aus Japan, das Pedalo und viele mehr.
Ab September 2020 schreiben wir den Plagiarius-Wettbewerb 2021 aus – Einsendeschluss ist der 30. November. Wir freuen uns auf aktuelle Fälle. Nur mit Praxisbeispielen können wir Eltern und Kinder für die Problematik sensibilisieren. Die Medienresonanz ist enorm und die Preisträger-Produkte werden im Internet, im Museum Plagiarius in Solingen und bei externen Ausstellungen einem breitem Publikum gezeigt.

Marken, die viel Geld in die Hand nehmen, um gute Produkte auf den Markt zu bringen und die deshalb mit den besten Designern arbeiten, sind die Hauptleidtragenden in diesem bösen Spiel. Was kann ein Markenhersteller im Vorfeld tun, um Produktpiraten das Leben ein wenig schwerer zu machen?
Firmen sind aus verschiedenen Beweg-gründen gefordert in der ein oder anderen Form zu handeln – Existenzsicherung, Markenschutz, Verbraucherschutz. Dabei spielen sicherlich auch personelle und finanzielle Ressourcen eine große Rolle, welche Maßnahmen ergriffen werden (können). Allgemein wichtig sind das Sammeln von Beweisen und ein schnelles professionelles Agieren, damit unter anderem Dringlichkeitsfristen nicht ungenutzt verstreichen.
Für bestmögliche Abwehr von Produkt- und Markenpiraterie rät die Aktion Plagiarius Unternehmen auf eine ganzheitliche Strategie aus juristischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen zu setzen.
Grundsätzlich gilt in Deutschland wie in vielen anderen Ländern Nachahmungsfreiheit. Daher ist vor der Markteinführung eines neuen Produktes das Eintragen von gewerblichen Schutzrechten – Marke, Patent, Design – unerlässlich. Ohne solche Schutzrechte sind Kopien zwar dreist und unfair, aus rechtlicher Sicht aber in vielen Fällen legal, wenn nicht zum Beispiel unlauteres Wettbewerbsverhalten nachgewiesen werden kann.
Mit eingetragenen gewerblichen Schutzrechten haben Betroffene die Möglichkeit, den Plagiator zur Rechenschaft ziehen zu können. Das bedeutet, Unterlassungs-, Schadenersatzansprüche sowie Auskunfts-rechte können geltend gemacht und der Klageweg kann genutzt werden. Da das Motto vieler Fälscher „Mehr Schein als Sein“ ist, hat sich auch bei technischen Produkten die zusätzliche Absicherung über eingetragenen Designschutz bewährt.
Wer eingetragene gewerbliche Schutzrechte hat, kann zudem einerseits den Zoll beauftragen, rechtsverletzende Waren bereits an den Außengrenzen aus dem Verkehr zu ziehen. Der Zoll ist für die Hersteller und Händler ein wichtiger strategischer Partner im Kampf gegen Plagiate. Zum anderen können und sollten Plagiate und Fälschungen auch im Internet regelmäßig – entweder in Eigenregie oder über Dienstleister – aufgespürt und dann Antrag auf Löschung gestellt werden.
Zur Abwehr von unberechtigten Produkthaftungsklagen eignen sich unter anderem Sicherheitsmerkmale wie RFID-Codes oder Farb-Codes, die zur eindeutigen Identifizierung an Produkt und/oder Verpackung an-gebracht werden. Eine Vielzahl von Dienstleistern bietet entsprechende Lösungen sowohl sichtbarer als auch verdeckter Merkmale an. Darüber hinaus können technische Maßnahmen ergriffen werden, die zum Beispiel unerwünschte „Überproduktionen“ verhindern. Ein professioneller IT-Schutz zur Verhinderung des Diebstahls von Firmen-Know-how ist selbstredend.
Um auch die Nachfrage nach Plagiaten und Fälschungen einzudämmen, ist Aufklärungsarbeit der Verbraucher – und auch der Einkäufer im B2B-Bereich – sehr wichtig. Aktion Plagiarius und Museum Plagiarius leisten hier ihren Beitrag in Form von praxisnaher Information, Austausch und Sensibilisierung.
Wer sich nicht wehrt, sendet falsche Signale und ist auch zukünftig ein leichtes Opfer für rücksichtslose Nachahmer. Gerade in Zeiten von Social Media und Influencer Marketing sind für Markenhersteller ungerechtfertigte Reputationsschäden meist noch gravierender als die finanziellen Schäden. Enttäuschte Kunden wenden sich angesichts der Vielzahl von Alternativ-Anbietern schneller denn je von der Marke ab und beeinflussen quer über den Globus Freunde und Follower mit ihren Erfahrungen, Meinungen und Empfehlungen.

Der Plagiarius Toy im Jahr 2000 ging an den Nachahmer des Furby. Links das Original von Hasbro, rechts das Plagiat. Der Gipfel: Die Kopie wurde in Deutschland vertrieben

Manchmal kann man das Original kaum von der Fälschung unterscheiden. Erkennen Sie auf den ersten Blick, was die Mogelpackung ist?
Tatsächlich ist es so, dass das, was vor über 40 Jahren als laienhafte Kopierversuche in Hinterhof-Werkstätten begann, sich in Zeiten von Internet und Globalisierung zu einer weltweit vernetzten und professionell agierenden Fälschungsindustrie entwickelt hat. Nachgemachte Waren sind heutzutage in allen Preis- und Qualitätsabstufungen erhältlich, von gefährlichen Billigfälschungen bis hin zu qualitativ hochwertigen Plagiaten – die dann aber kaum günstiger als das Originalprodukt sind. Topqualität gibt es nicht zum Schnäppchenpreis.

Um auf Ihr Beispiel zurückzukommen: Man bekommt in Asien gefälschte Luxusuhren für 30, 300 und 3.000 Euro, je nachdem ob man nur einen billigen, peinlichen Blender am Arm tragen möchte oder ob man Wert auf hochwertige Materialien und Verarbeitung und ein erstklassiges, funktionierendes Uhrwerk legt. Bei teuren, sehr gut gemachten Fälschungen müssen selbst Experten genau hinsehen, das gilt für fast alle Branchen. Aber wie gesagt: Die sind dann auch preislich vergleichbar mit dem Original, so dass man als Verbraucher lieber direkt den Originalhersteller unterstützt, der das Produkt mit viel Herzblut entwickelt hat.

Woran kann man generell Fälschungen erkennen?
Hochpreisige Markenartikel werden nicht an Stränden, Autobahn-Raststätten oder auf Flohmärkten vertrieben, sondern über den spezialisierten Fachhandel. Viele Hersteller stellen auf ihrer Website eine Übersicht aller autorisierten Händler zur Verfügung. Grundsätzlich ist es wichtig, sich gut zu informieren, genau hinzusehen und auf seinen Verstand zu hören. Macht das Produkt in Bezug auf Materialien und Verarbeitung einen sicheren, hochwertigen Eindruck? Was ist mit Produktdetails wie Bedientasten, Knöpfen, Reißverschlüssen, Rädern, et cetera? Wie sehen Druckqualität oder Stabilität der Verpackung aus? Wenn der Preis unrealistisch niedrig und „zu gut, um wahr zu sein“ ist, dann sollte man Abstand vom Kauf nehmen.
Beim Kauf im Internet sollte man nicht voreilig und kritiklos auf „Kaufen“ klicken, sondern Anbieter und Produkte sorgfältig prüfen. Gibt es ein Impressum? Steht ein Ansprechpartner bei Rückfragen telefonisch oder per Chat zur Verfügung? Wie sehen die AGBs und die akzeptierten Zahlungsarten sowie Rückgabebedingungen aus? Achtung bei „nur Vorkasse“. Sind alle Kosten transparent und vollständig? Gibt es negative Bewertungen über den Anbieter? Werden sensible Daten verschlüsselt übertragen. Sind Domainname und Top-Level-Domain (zum Beispiel „to“) des Anbieters auffällig? Sind auf einer Website Gütesiegel vorhanden, dann gilt es diese anzuklicken und zu prüfen, ob sie nur abgebildet oder auch zum Siegel-Anbieter verlinkt sind.

Was war die dreisteste Kopie, die Ihnen jemals unterkam?
Es ist schwer hier nur ein Beispiel zu nennen. Besonders eklatant finde ich alle Plagiate, von denen ernsthafte Risiken für die Nutzer ausgehen. Unter den Preisträger-Produkten waren schon nachgemachte Motorsägen, bei denen der vordere Handschutz, also der Auslösehebel für die Kettenbremse, bereits in der Verpackung abgebrochen war. Ebenso wurden uns schon gefälschte Autofelgen eingereicht, die auf einer deutschen Messe beschlagnahmt wurden und die beim Belastungstest durch den TÜV nach kurzer Zeit Risse aufwiesen und auseinander gebrochen sind. Entsetzt war die Jury auch über nicht funktionsfähige Notfall-Beatmungsgeräte. Darüber hinaus zeigen wir im Museum Plagiarius in Solingen nachgemachte Designer-Armaturen, die – von außen nicht zu erkennen – mit billigen Bleirohren ausgestattet sind. Mit jedem Händewaschen und Zähneputzen nimmt der Benutzer Bleiwerte über die Haut auf, die 70 Prozent über den in Deutschland zulässigen Werten liegen. Diese Beispiele zeigen drastisch den Unterschied zwischen billig und preiswert – und die Skrupellosigkeit der Fälscher.

Frau Lacroix, danke für das hoch interessante und informative Gespräch!