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Brennpunkt – Holz lässt sich nicht verbiegen

12. Oktober 2019, 13:41

Es gibt kaum einen Werkstoff, der sich so treu bleibt wie Holz. Egal, mit welcher Intention man an das Material herantritt, was auch immer man aus Holz kreieren möchte – Holz drückt dem Ganzen seinen Stempel auf. Im positiven Sinn. Einer, der eben dies während seiner beruflichen Laufbahn verstanden und das Segment sowie die Fachgruppe Holzspielzeug maßgeblich mitgeprägt hat, verabschiedet sich nun in den Unruhestand.

Im Unruhestand will sich Wolfgang Schühle neuen Herausforderungen stellen

Holzspielzeug ist nichts für Billigschütten, für Ramschtische und für Schnäppchenjäger im Discount. Denn Holzspielzeug verlangt ein besonderes Ambiente und eine adäquate Inszenierung. Das gibt schon das Material vor. Die Hersteller und Anbieter von Holzspielwaren haben sich zum Glück selten unter Wert verkauft, auch dann nicht, als man sie noch als „Holzwürmer“ belächelte. Ein Unternehmen, das die Besonderheit und „die USP“ von Holz immer verstanden und auf besondere Weise in den Blickpunkt gerückt hat, ist die Margarete Ostheimer GmbH.
Minimalistische, handbemalte Holzfiguren, jede für sich ein „Handschmeichler“, die klare Formensprache, die auf den ersten Blick Geschichten erzählt, die zeitgemäße Interpretation der anthroposophischen Idee, all das ist typisch Ostheimer.
Es gibt kaum eine Marke in der Spielwarenwelt, die sich über die vom Zeitgeist getriebenen vergangenen Jahre so treu geblieben ist wie Ostheimer. Und es gibt kaum einen Geschäftsführer, der das Potenzial von Holz so gut verstanden, verteidigt und „verkauft“ hat wie Wolfgang Schühle. Schühle hat mit seinem Verständnis und Engagement das gesamte Segment geprägt und nach vorn gebracht. Er gehörte zu jenen, die schnell verstanden haben, dass neue Medien nicht verteufelt, sondern verstanden werden müssen. Die gängigen Vorurteile gegenüber den „Holzwürmern“ haben Schühle zu so manchem Überraschungscoup verholfen. Der sei ihm gegönnt, denn er hat es nie darauf ankommen lassen, Menschen zu übervorteilen.
Schühle ist, wie im Übrigen die gesamte Generation seiner Mitstreiter und Mitbewerber auf Geschäftführerebene, straight, klar und fair. Er hat den Blick für das Wesentliche und ist als Mensch ebenso geradlinig wie das Spielzeug der Marke, für die er als Geschäftsführer fast 35 Jahre lang mit vollem Einsatz tätig war. Jetzt widmet sich Wolfgang Schühle neuen, spannenden Herausforderungen. Seine langjährigen Wegbegleiter sagen leise „Servus“ – und Sibylle Dorndorf und Ralf Wendland trafen ihn zum Gespräch.

Herr Schühle, Sie sind seit fast 35 Jahren Geschäftsführer bei der Margarete Ostheimer GmbH, einem Unternehmen, das hinsichtlich der auf das Wesentliche reduzierten, fast minimalistischen Holzspielwaren Maßstäbe gesetzt hat. Ihr Anteil daran, das Unternehmen in seinen Strukturen behutsam dem Zeitgeist anzupassen, ohne die Marke und die USP zu verwässern, ist hoch einzuschätzen. Wie ist dieser Balanceakt gelungen?
Margarete Ostheimer hat zu Beginn ihrer Spielzeugproduktion ein Design entwickelt, das mit einfachen minimalistischen Formen das Wesentliche einer Figur zum Ausdruck bringt. Mit einem Material, das über die Formsprache hinaus sinnliches Erleben unterstützt. Daran haben wir in der Nachfolge von Margarete Ostheimer nicht viel verändert, denn ihre Entwürfe waren genial und auf das Bedürfnis von Kindern ausgerichtet, spielerisch die Welt entdecken zu wollen. Natürlich sind neue Produkte entstanden, jedoch immer in der Formensprache von Ostheimer – und darin dürfte das Geheimnis unseres Erfolges liegen. Zu wissen, was der Markenkern ist, was Ostheimer ausmacht, wo unsere Aufgabe liegt, welchen Qualitätsanspruch wir erfüllen wollen, und dies mit sich verändernden Marketingmethoden ehrlich und authentisch in die Welt zu bringen. Menschen von unseren Produkten zu begeistern – und nicht zu überzeugen – hat uns in unserer Nische zu dem gemacht, was wir heute sind. Ein durchaus erfolgreicher Holzspielzeughersteller.

Inwieweit hat sich Ostheimer Holzspielzeug, das augenscheinlich immer seinen unverwechselbaren Charakter bewahrt hat, mit den Jahren den Gegebenheiten des Marktes angepasst? Welche Stellschrauben wurden hier, wenn überhaupt, angelegt?
Auf das Produkt geschaut, haben wir uns dem Markt nicht angepasst, vielmehr hat sich im Markt bei unserer Zielgruppe ein wachsendes Bedürfnis entwickelt, was wir mit unserer bereits vorhandenen einfachen Formensprache befriedigen durften und dürfen. Wir mussten das Rad nicht neu erfinden – wir hatten es schon, in Form von wunderschönen Holzfiguren, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen berühren und ansprechen. Dass wir damit richtig liegen, hat uns der immer wichtiger werdende Dialog mit unseren Endverbrauchern gezeigt. Wir hören ganz genau hin – und stellen fest, der Markenkern, unsere Formensprache und unsere Werte sind heute moderner denn je.

Ostheimer steht und stand vor allem auch für die wunderschönen, schlichten Weihnachtskrippen. Die Produktpalette ist mit den Jahren gewachsen. Was ist heute typisch Ostheimer, was ist unter dem Dach der Marke denk- und machbar und was ist ein absolutes No Go?
Viele unserer großen und kleinen Kunden finden über unsere Weihnachtsfiguren Zugang zu unseren Spielzeugen. Warum? Weil sich unsere Formensprache und die Art der Bemalung durch alle unsere Spielzeuge hindurch fortsetzen. Insofern typisch für Ostheimer: unsere Figurenwelten mit ihrem unverkennbaren Aussehen. Dazu kommen Zubehör, Gebäude und Fahrzeuge, die ein lebendiges Spielen weiter fördern. In dieser Kernkompetenz, mit Blick auf den Werkstoff Holz, werden wir uns, zusätzlich zu einigen Produkten, die wir damals durch den Kauf der Firma Kinderkram in unser Lieferprogramm aufgenommen haben, weiter entwickeln. Ich bin überzeugt, die aktuelle gesellschaftspolitische Diskussion bezüglich Nachhaltigkeit in allen Bereichen schafft in unserer Zielgruppe ein neues Bewusstsein für nachhaltige Spielzeuge und nachhaltiges Wirtschaften, wie Ostheimer das schon seit jeher macht. Das heißt, ich sehe mit dem, was wir heute tun einen Markt, der weiter wachsen wird. Nach dem Motto „Schuster bleibe bei deinen Leisten“ machen wir daher weiterhin, was wir gut können. All das, was nicht in unsere Kernkompetenz fällt, überlassen wir denen, die es besser können.

Familienunternehmen scheinen eigenen Regeln zu folgen und zu unterliegen. Im Gegensatz zu Konzernen, die meist marktgetrieben agieren, stellen sie stabile Größen nicht nur in der Spielwarenbranche dar. Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Hürden, die Unternehmerfamilien überwinden müssen, um ihr Lebenswerk zukunftsfähig zu machen?
Ich würde nicht sagen „Hürden überwinden“, sondern „Voraussetzungen schaffen“! Es braucht gute Produkte. Dazu unabdingbar gutes, zeitgemäßes und fachlich fundiertes Marketing sowie eine finanzielle Gesundheit. Es braucht visionäre Menschen, gerade in Führungspositionen, die sich mit Herzblut mit einem Familienunternehmen verbinden. Netzwerker, die wach auf den Markt und auf sich verändernde Gegebenheiten schauen und bereit sind, sich in ihrem Tun immer wieder zu hinterfragen. Es braucht den richtigen Fachmann an der richtigen Stelle! Und es braucht Menschen mit einem hohen Maß an Führungs-und Sozialkompetenz, die andere für eine Aufgabe begeistern und mitnehmen können. Je stärker eine Marke sich sympathisch mit vielen positiven Attributen am Markt präsentiert, umso leichter wird es sein, Menschen für die zukunftssichernde Mitarbeit in einem Unternehmen zu gewinnen. Zudem braucht es, nicht zu vergessen, den wertschätzenden und partnerschaftlichen Umgang mit Kunden und Multiplikatoren.

Sie werden als Ostheimer-Geschäftsführer und als Vorsitzender der Fachgruppe Holz in der Branche Spuren hinterlassen. Mit Ihnen geht und ging fast zeitgleich eine ganze Geschäftsführergeneration, die zahlreiche Marken in der Spielwarenbranche maßgeblich geprägt hat. Wie würden Sie „Ihre Generation“ hinsichtlich des Führungsstils und der Führungsziele beschreiben?
Das kann ich nur subjektiv beschreiben. Ich denken nicht, dass wir „Alten“ uns in einen gängigen Führungsstil einordnen können. Ich sehe das so: Nehmen Sie einfach eine Kiste und legen hinein: Menschlichkeit, Kollegialität, Sozialkompetenz, Marktkenntnis, Fachlichkeit, Freude am Produkt, Herzblut für das Unternehmen, Partnerschaft mit Kunden, Netzwerken, Bodenhaftung und Realitätssinn, Wahrnehmung, Wertschätzung, die richtige innere Haltung und dazu jederzeit eine große Portion Neugierde und Offenheit für Neues – schütteln das Ganze gut durch und heraus kommt mit großer Bodenständigkeit das, was wir, die wir nun das Steuer übergeben, versuchen als Unternehmensverantwortliche zu leben und in Ziele zu übersetzen.

Holzspielwaren haben sich gerade in den vergangenen Jahren sowohl im Design als auch in ihrem Selbstverständnis erheblich verändert. Neue Design, ein gelungener Materialmix und ein generationenübergreifender Spielwert haben dazu beigetragen. Was sind in Ihren Augen die gravierendsten Veränderungen in diesem Segment?
Ich denke, Sie haben in Ihrer Frage die Antworten bereits bestens wiedergegeben.

Die herstellenden Unternehmen haben parallel zu dieser Entwicklung an Selbstbewusstsein gewonnen. Aus den einst belächelten „Holzwürmern“ wurden innovative Anbieter der ersten, nachhaltigen Biotoys. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Hat Holzspielzeug Ihrer Meinung nach auch weiterhin Konjunktur und wie muss dieser Werkstoff eingesetzt werden, um Kinder weiterhin zu begeistern?
Das ist richtig, wir Holzwürmer haben es vielfach geschafft, mit unseren Produkten „Marke“ zu bilden, die bei vielen Eltern einfach und selbstverständlich für ein bestimmtes Spielealter ins Kinderzimmer gehören. Wobei man die Kirche im Dorf lassen muss, Holzspielzeuge machen ja nun wirklich nur einen kleinen einstelligen Prozentsatz vom gesamten Spielwarenumsatz aus. Unabhängig davon bilden viele junge Eltern ein neues Bewusstsein für ein gesundes Aufwachsen ihrer Kinder aus. Gesunde und entwicklungsfördernde Spielzeuge aus nachhaltigen Materialien hergestellt, mit einem schönen Spielwert, werden immer mehr in den Fokus gerückt. Eltern informieren sich heute mehr denn je in den sozialen Netzwerken über Wertigkeit und den Nutzen von Spielwaren, tauschen sich aus und stellen fest, für ein bestimmtes Kindesalter erfüllen gute Holzspielzeuge all das, was sie an Werten suchen. Insofern bin ich überzeugt, Holzspielzeuge werden weiterhin Konjunktur haben und der Werkstoff Holz muss nur so eingesetzt werden, dass in Zukunft weiterhin tolle Holzspielzeuge auf den Markt kommen werden.

Als Vorsitzender der Fachgruppe Holzspielzeug sind Sie mit den Mitgliedsunternehmen als einer der ersten in Social Media aktiv geworden und haben Zeichen gesetzt. Wie ist hier der Stand der Dinge und was haben Sie bis 2020 noch vor?
Ich bin ein begeisterter Anhänger von strategischem Marketing. Das beginnt mit den Grundlagen wie Marketingstrategie oder einem Markenhandbuch und geht über in eine passende Kommunikationsstrategie. Diesbezüglich geben uns die sozialen Medien heute sehr wertvolle Instrumente an die Hand. Ob Facebook, Instagram, oder die Zusammenarbeit mit Bloggerinnen. Ist doch einfach genial! Wo sonst kann ich so zielorientiert und genau und ohne Streuverluste in eine Kundenansprache und in einen Dialog mit meinen Endverbrauchern treten. Der Erfolg gibt uns Recht! Und ich freue mich, dass ich mit meiner Begeisterung viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Fachgruppe infizieren durfte, mit diesen Medien zu arbeiten und sich erfolgreich darin zu bewegen. Ich lasse nicht locker und werde auch weiterhin bei jedem Fachgruppentreffen das Thema Marketing und soziale Medien mit auf die Agenda setzen. Wobei in dem ganzen Thema zu beachten ist: Für strategisches und erfolgreiches Marketing braucht es den Fachmann oder die Fachfrau – alleine zu wursteln, um Geld zu sparen, bringt da recht wenig bis gar nichts!

Und zum Schluss die berühmten drei persönlichen Fragen:
Hat Ihr berufliches Leben Sie verändert?
Vermutlich verändert sich jeder Mensch im Laufe seiner Lebensspanne, das hat auch vor mir nicht halt gemacht. Wobei meine berufliche Tätigkeit schon sehr darauf eingewirkt hat. Ab und zu habe ich, als ich schon eine gewisse Zeit Geschäftsführer bei Ostheimer war, von meinen Kindern gehört: Papa, du hast dich aber verändert – dann wird es wohl so sein. Ob positiv oder in einige verbesserungsbedürftige Verhaltensweisen – das lasse ich einfach offen und hoffe, ich war und bin für meine Mitmenschen immer noch ein ver- und erträglicher Zeitgenosse.

Waren Ihre persönlichen Ziele immer mit den beruflichen vereinbar?
Ich war immer mit großer Freude und Begeisterung verantwortlich für Ostheimer tätig und die Unterstützung, die ich durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch Kolleginnen und Kollegen, durch Kunden und durch viele andere Menschen erfahren durfte, haben mich durch mein Berufsleben getragen. Das ist mir einfach wichtig, dies am Ende Ihrer Fragen zum Ausdruck zu bringen. So war es mir jederzeit möglich, meine privaten Ziele in Einklang mit meiner Aufgabe und meiner verantwortungsvollen Tätigkeit zu bringen und ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, das passt nicht oder ich komme persönlich zu kurz. Danke an alle, dass ich diese tolle und einmalige Zeit so erleben und genießen durfte.

Wie füllen Sie die Freiräume, die nach Beendigung Ihrer beruflichen Laufbahn entstehen?
Treffen sich zwei, wovon der eine nun in der Ruhestand geht und der andere ihn fragt, was machst du denn im beginnenden Ruhestand. Die Antwort: Ich kaufe mir einen Schaukelstuhl und setze mich hinein! Und dann, die nächste Frage seines Kollegen, worauf die Antwort kam: Nach einem halben Jahr fange ich an zu schaukeln! Vielleicht denke ich an diese Geschichte, wenn ich auf die Hundert zugehe. Bis es so weit ist, haben wir auf unserm Hof am Stettiner Haff genügend zu tun. Meine Frau und ich ziehen zu Ende des Jahres um, es geht so richtig in die bäuerliche Selbstversorgung, jedoch nur, soweit es nicht zur Last wird. Kinder und Enkelkinder sind da, und uns wichtig, unsere Kutsche braucht ein Pferd, der alte schwäbische Traktor von 1955 will bewegt werden und das Motorrad lockt für kurze oder lange Touren. Segelschein – noch mit Fragezeichen versehen, Wandern, Klettern und die Welt entdecken – das ist schon gesetzt, vorausgesetzt wir finden begeisterte Menschen, die uns diesen Freiraum bedingt durch unseren Hof ermöglichen. Sollte die nächste Mondlandung noch in eine gute gesundheitliche Zeit fallen, bewerbe ich mich, wenn das nichts wird – wäre der Mars mein nächstes Ziel. Und dann – wir werden sehen, dann ist vielleicht doch der Schaukelstuhl mein nächstes Projekt. Das muss jedoch ein „Großer“ sein, damit meine Frau und liebenswerte Partnerin mich auch darin begleiten kann.

Herr Schühle, ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Gesundheit für den neuen Lebensabschnitt, der vor Ihnen liegt!
Ganz herzlichen Dank!