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Brennpunkt: Handel hat Zukunft

29. November 2023, 16:17

Der Spielwarenfachhandel muss sich weiterhin auf verschärfte wirtschaftliche Bedingungen einstellen. Dennoch erlebt er seit Ende der pandemiebedingten Schließungen deutlichen Zuwachs. Weshalb es gerade jetzt wichtig ist, sich darauf nicht auszuruhen, sondern weiterhin kreativ und flexibel zu bleiben, hat Astrid Specht im Interview mit Dr. Thomas Märtz und Julia Graeber vom Vedes Vorstand erfahren.

Julia Graeber, Vorstandsmitglied der Vedes AG
Dr. Thomas Märtz, Vorstandsvorsitzender der Vedes AG

Herr Dr. Märtz, Frau Graeber, wenn wir dem Spielwarenfachhandel, metaphorisch gesprochen, das Stethoskop auf die Brust legen, was hören wir da? Wie geht es dem „Patienten“ aktuell und welche Themen beschäftigen ihn am meisten? 
Dr. Thomas Märtz: Natürlich hat der Fachhandel schon leichtere Zeiten erlebt, denn die wirtschaftliche Situation verschärft sich zusehends. Momentan wird der Fachhandel aus drei Richtungen in die Zange genommen: Die Handelsspannen schmelzen, während parallel die Kostenbelastungen steigen. Und dann sind auch noch gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter knapp beziehungsweise kaum bezahlbar. Der Fachhandel steht also vor großen Herausforderungen, die er aber mit unserer Hilfe meistern kann. Denn in ihrer 120-jährigen Historie hat die Vedes ihre Mitglieder immer tatkräftig unterstützt, um die Zukunftsfähigkeit des Fachhandels nachhaltig zu stärken.
Julia Graeber: Und ich möchte noch ergänzen: Der Fachhandel hat doch gerade erst gezeigt, wie flexibel er auf Veränderungen reagieren kann. Nach den harten Pandemie-Jahren mit Geschäftsschließungen und Zugangsbeschränkungen feiern die Fachhändler ein echtes Comeback mit tollen Zuwachsraten, während andere, erfolgsverwöhnte Vertriebskanäle schwächeln. Das stimmt uns zuversichtlich für die Zukunft!

Die Branche beobachtet mit Schrecken und Bedauern die Veränderungen in der Handelslandschaft. Welche „hausgemachten“ Probleme, spielen hierbei die größte Rolle? Oder wiegen externe Faktoren wie Politik, Gesetzgebung, Bürokratie et cetera viel schwerer?
Dr. Märtz: Hier kommen viele Dinge zusammen. Natürlich ist die Nachfolgeproblematik ein großes Thema. Viele junge Leute scheuen den Weg in die Selbstständigkeit. Zum einen wird vermehrt der individuelle Fokus auf eine ausgewogene Work-Life-Balance gelegt. Hinzu kommt, dass die Vielzahl von bürokratischen Vorgaben abschreckend wirkt. Wenn ich nur an die vielen Verordnungen denke, die unter anderem aus Brüssel kommen … Wie soll ein mittelständisches Unternehmen das alles bewerkstelligen? Aber es gibt nach wie vor mutige Unternehmer, wie zum Beispiel die Brüder Krömer, die die 19 stationären myToys-Filialen übernommen haben und unter dem Namen Toysino weiterbetreiben.


Der Fach-handel erlebt ein echtes Come-back!

Julia Graeber


Apropos unattraktives Umfeld: Wie stark sollten Ihrer Meinung nach Städte/Kommunen mit Vertretern des Handels in Kontakt sein, um die Innenstädte (wieder) zu beleben? Welche Positiv-Beispiele gibt es hier und warum funktioniert dies in anderen Städten nicht?
Dr. Märtz: Um die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen, sind alle Beteiligten gefordert. Ein schönes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit ist Hanau, wo die Zukunft des Vedes Traditionshauses Brachmann gesichert werden konnte. In der Geburtsstadt der Gebrüder Grimm setzten sich vor allem die kommunale Politik und Verwaltung aktiv für die Förderung des stationären Fachhandels ein. Und so haben wir gemeinsam im Vorfeld alle Kräfte gebündelt – auch die Vedes war hier maßgeblich beteiligt. Mit der Unternehmerfamilie Glück haben wir dann den richtigen Partner gefunden, der das seit über 175 Jahren bestehende Spielwarenfachgeschäft weiter in eine erfolgreiche Zukunft führt.

Warum fällt es vielen Händlern so schwer, ihr (Laden-)Konzept an die Erwartungen und Wünsche der Konsumenten anzupassen, die mit „Boomern“ und Vertretern der Generation Z aus einer zugegebenermaßen sehr disparaten Käuferschaft besteht?
Dr. Märtz: Gerade in jüngster Vergangenheit gibt es in unserem Mitgliederkreis zahlreiche Beispiele für innovative und zeitgemäße Laden- und Sortimentsgestaltung. Wichtig ist, die Alleinstellungsmerkmale und Vorteile des stationären Handels herauszuarbeiten und attraktiv in Szene zu setzen. Je virtueller unsere Welt wird, umso mehr sehnen sich die Menschen nach echten Erlebnissen, greifbaren Dingen und schönen Materialien, wollen Spiele und Spielsachen live entdecken. Unsere Vedes Dienstleistungsplattform bietet dafür ein umfangreiches Service-Portfolio, um einen echten Point of Emotion zu schaffen.
Graeber: Gleichzeitig gilt es, die digitale Erlebniswelt weiter auszubauen und zusätzlich virtuelle Einkaufswelten zu gestalten, die zum Entdecken einladen. Auch dafür bietet die Vedes innovative Lösungen, damit unsere Händler ihre Kunden heute und in Zukunft auf allen Kanälen begeistern können. Kurzum, mit unserer Omnichannel-Strategie erreichen wir alle Generationen.

Wie unterstützt die Vedes ihre Mitglieder? Welche Dienstleistungen werden aus Ihrem breitgefächerten Portfolio am häufigsten abgerufen?
Graeber: Als serviceorientierte Dienstleistungszentrale mit einem umfassenden Serviceportfolio bietet die Vedes ihren Mitgliedern und Kunden immense Wettbewerbsvorteile. Wir unterstützen mit innovativen Lösungen in allen Vertriebs- und Kommunikationskanälen. Die Vedes verfügt über eine große Sortimentsbreite und -tiefe, wie sie kaum anderswo zu finden ist: Unser Sortiment umfasst über 300.000 Artikel, davon rund 15.000 in unserem eigenen Großhandelslager. Unser gesamtes Serviceportfolio beruht auf Analysen unserer Vedes Marktforschung. Darauf aufbauend werden Sortimente angepasst und innovative Shop-Konzepte entwickelt, die mit zielgerichteten Marketingmaßnahmen unterstützt werden. Und natürlich steht auch die Digitalisierung im Fokus, die dem Fachhandel neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnet. Mit unserer vernetzten Omnichannel-Strategie und unserer digitalen Shopping-Lösung verlängern wir die Regale der Händler virtuell und verstärken damit ihre Online-Präsenz, um die Kunden auf allen Kanälen zu bedienen.

Daniel und Christian Krömer (oben mit Julia Graeber und Achim Weniger von Vedes) haben mit der Toysino GmbH die 19 stationären myToys-Filialen übernommen. Als Vedes Mitglied erhalten sie unter anderem Unterstützung beim Warenmanagment, IT, Online-Services und vielem mehr.

Nach Ende der Corona-Pandemie haben viele Menschen einen regelrechten Hunger nach besonderen Erlebnissen – sei es im Urlaub, in der Freizeit oder beim Einkaufen. Im anglo-amerikanischen Raum spricht man inzwischen von einem Trend, der sich „Location Based Entertainment“ nennt, also Erlebnisse oder Unterhaltung, die an einem bestimmten Ort stattfindet. Könnte „Erlebnis“ die Rettung des Einzelhandels sein? Oder wird diesem Aspekt zu viel Bedeutung beigemessen? 
Graeber: Um die Attraktivität der stationären Geschäfte zu steigern, ist es erforderlich, sich vom Point-of-Sale zum Point-of-Emotion zu wandeln. Damit hebt man sich von anderen ab und kurbelt parallel den Umsatz an, denn wenn Kunden ins Geschäft kommen, um etwas ganz Besonderes zu erleben, sind sie möglicherweise bereit, auch mehr Geld auszugeben. Spannend finde ich auch die Entwicklung digitaler Technologien, wie zum Beispiel Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), die für den Handel und das Kundenerlebnis ganz neue Chancen und Ansätze bieten.
Dr. Märtz: Es kommt darauf an, die Interessen der Zielgruppen mit der Kreativität der Einzelhändler unter Nutzung neuester Technologien in Einklang zu bringen. Erlebnisse und emotionale Highlights sind in unserer heutigen Zeit ein wichtiger Baustein in der Handelslandschaft.
Ist der Online-Handel noch immer das Schreckgespenst, zu dem es während der Pandemie geworden ist? Oder hat es sich – um im Bild zu bleiben – inzwischen „ausgespukt“? Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Graeber: Der Online-Anteil in der Spielware ist seit Jahren hoch. Insofern ist die Entwicklung der Pure Player keine Überraschung: Sowohl der Höhenflug während der Corona-bedingten Geschäftsschließungen als auch die Normalisierung nach der Pandemie verwundern mich überhaupt nicht. Aber ohne online geht es eben heutzutage nicht! Es ist eher die Frage, wie man sich positioniert. Der Königsweg besteht meines Erachtens im Zusammenwirken der stationären DNA mit dem digitalen Angebot des Inhabergeführten Fachhandelsgeschäftes. Nur die Omnichannel-Strategie bringt die beste Performance – und hier ist die Vedes bestens aufgestellt.

Dass junge Unternehmer an die Zukunft des Fachhandels glauben, zeigt, wie Sie bereits erwähnten, Toysino: Mit den 19 ehemaligen myToys-Filialen haben sich Daniel und Christian Krömer der Vedes angeschlossen. Was bedeutet dieser Zuwachs für Sie? Wie eng arbeiten Sie zusammen, beispielsweise was das Ladenkonzept, Sortiment et cetera betrifft? Wird es dort nur Spielware geben oder wird ein erweitertes Sortiment angeboten?
Dr. Märtz: Wir freuen uns sehr, dass sich dieses engagierte und sympathische Unternehmerduo mit Toysino für eine Mitgliedschaft bei der Vedes entschieden hat. Mit dem Unternehmen Spielwaren Krömer haben sie sich in den letzten 20 Jahren bereits einen sehr guten Namen in der Branche erarbeitet. Durch die Übernahme der 19 myToys-Filialen und der damit einhergehenden Verdopplung des Filialnetzes sind sie zu einer echten Branchengröße in der deutschen Handelslandschaft geworden. Mit Vedes und Toysino haben sich zwei starke Partner gefunden, die gemeinsam ein starkes Signal für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des stationären Fachhandels aussenden.
Graeber: Die Nutzung des Vedes Logos ist für Daniel und Christian Krömer eine Selbstverständlichkeit und ein wesentlicher Baustein ihrer Marketingstrategie. Sie profitieren damit von der starken Marke Vedes, die nach wie vor einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt. Aber unsere Unterstützung geht weit über das Marketing-Paket hinaus. Mit zentralem Warenmanagement, IT, Online-Services und Logistik-Struktur bringen wir uns aktiv ein. Hinzu kommt, dass wir sehr viel Erfahrung mit großen Vedes Standorten haben, von denen auch Toysino profitieren wird.


Stationäre Geschäfte müssen sich vom Point-of-Sale zum Point-of-Emotion wandeln.

Dr. Thomas Märtz


Wie sieht die Zukunft des Spielwarenfachhandels allgemein aus – werden wir Ihrer Meinung nach in Zukunft überhaupt noch stationäre Fachgeschäfte haben? Wenn ja, wie werden die Geschäfte aussehen, die am erfolgreichsten sind?
Dr. Märtz: Ich glaube an eine erfolgreiche Zukunft des stationären Fachhandels, wenn er sich den verändernden Bedürfnissen und Erwartungen der Verbraucher anpasst. Unsere Aufgabe ist es, den Spielwarenhandel zukunftsgerichtet zu gestalten und weiterzuentwickeln, Trends zu erkennen und sie in tragfähige Innovationen zu übersetzen. Agilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit werden entscheidende Erfolgsfaktoren sein, um weiterhin relevant und wettbewerbsfähig zu bleiben. Omnichannel spielt natürlich auch eine wesentliche Rolle, ebenso wie Service und Erlebnis, gezielte Personalisierung und neue Technologien sowie soziales Engagement und Nachhaltigkeit. Das Fachgeschäft der Zukunft ist ein vielseitiger, kundenorientierter und nachhaltiger Ort, der nicht nur Produkte verkauft, sondern auch Erlebnisse bietet und soziale Verantwortung übernimmt.

Sie sprechen es an: Nachhaltigkeit spielt in Zukunft eine große Rolle. Die Vedes hat das frühzeitig erkannt und ist hier bereits sehr aktiv – ihr erster Nachhaltigkeitsbericht wurde in diesem Jahr veröffentlicht.
Graeber: Nachhaltigkeit ist fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Sie wird von uns gelebt und bestimmt unser Handeln – das gilt für alle Unternehmensbereiche. Denn nur mit vereinten Kräften können wir in der Spielwarenbranche etwas bewegen. Wir sind entschlossen, das Thema Nachhaltigkeit konsequent weiterzuverfolgen. Dies soll auch einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Spielwarenbranche leisten. Im Zuge unserer nachhaltigen Unternehmensstrategie geht es darum, positiv auf Bildung und Gesellschaft einzuwirken, energie- und ressourcenschonendes Wirtschaften zu forcieren und globale Partnerschaften zu fördern. Dies sind unsere drei zentralen Handlungsfelder, die wir auf Basis der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für uns definiert haben.

Ich bedanke mich für das offene Gespräch Herr Dr. Märtz und Frau Graeber!