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Brennpunkt: Eine Welt ohne Plastikmüll?

14. April 2023, 16:55

Eine Welt ohne Plastikmüll – ist das eine reine Fiktion? Nach heutiger Sicht vermutlich schon, doch sieht die Firma Chocal dank einer eigenen Entwicklung Chancen auf eine Zukunft ohne Müllberge aus Plastik.

Wer mag sie nicht, die Schokoladenosterhasen oder -nikoläuse? Eine ganz besondere Beziehung zu Figuren dieser Art hat Alexander von Niessen, Geschäftsführer von Chocal. Sein Unternehmen hat sich auf Verpackungen spezialisiert und sorgt dafür, dass über 150.000 Exemplare pro Schicht das richtige, knitterfreie Kleid bekommen. Schon der Firmenname weist auf die Spezialisierung hin. Bei diesem Kunstwort steht die erste Silbe für Schokolade und die zweite für Aluminium. Nun hat Chocal eine Technologie entwickelt, mit der sich nachhaltige Verpackungen aus Papier mit Barrierefunktion so wie aus transparenten Folien auf Zellulosebasis in nahezu beliebige Formen bringen lassen. Mit dieser Entwicklung will Chocal einerseits einen enormen Beitrag für eine Welt ohne Plastikmüll leisten und mit einem Blick auf die Spielwarenbranche gleichzeitig auch seine Geschäftsfelder weiten. Denn auch in dieser Branche stehen die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Umwelt“ ganz oben auf der Agenda. Ein Thema, das beim Produkt nicht haltmacht, sondern gerade auch die Verpackung betrifft. „Der Verpackungsindustrie kommt eine Schlüsselrolle zu“, ist sich der Chocal-Geschäftsführer sicher. „Die Hälfte aller Plastikabfälle stammt aus Verpackungen.“

Die derzeit beliebte PLA-Verpackung besteht aus Polymilchsäure, die ebenfalls auf nachwachsenden Rohstoffen basiert und als „biologisch abbaubar“ beworben wird. Doch dieses Detail entpuppe sich bei näherer Betrachtung als problematisch, betont von Niessen. Denn biologisch abbaubar bedeutet zunächst nicht viel mehr, als dass sich das Material nur unter bestimmten Bedingungen zersetzt. „In freier Wildbahn dauert es etwa 80 Jahre, bis PLA abgebaut ist. Das entspricht in etwa der Zersetzungszeit eines handelsüblichen Tetrapacks“, weiß der promovierte Ingenieur und ergänzt: „In dieser langen Zeit trägt PLA zur Umweltbelastung durch Kunststoffe und Mikroplastik bei – und unterscheidet sich damit nicht von Kunststoffen aus Petroleum.“ Produkte aus PLA sollten daher nicht in die Natur geworfen werden oder im Biomüll sowie im heimischen Kompost landen. „Nur theoretisch ließe sich PLA mit erheblichem Aufwand umweltgerecht entsorgen. Konstante Temperaturen von 55 Grad bis 70 Grad Celsius und Feuchtigkeit im Zusammenspiel mit Mikroorganismen wären dafür die Voraussetzung“, erklärt der Chocal-Chef und macht damit endgültig Schluss mit dem Märchen vom einfach und schnell kompostierbaren Plastik. Fazit: „Realistisch gesehen ist der Einsatz von PLA kein adäquates Mittel zur Reduzierung von Plastikmüll. Bei PLA bleibt die biologische Abbaubarkeit eine Theorie, die es in der Praxis so gut wie nicht gibt. Eine wirklich nachhaltige Lösung dieses Problems haben wir gefunden“, verkündet von Niessen stolz. Die Chocal-Lösung kombiniert die hauseigene, millionenfach bewährte Technologie zur Herstellung vorgeformter Verpackungen mit natürlich kompostierbaren Materialien: „Wir verwenden Papiere und transparente Folien auf Basis natürlicher Nährstoffe. Auch Pflanzenabfälle können als stoffliche Grundlage genutzt werden“, sagt von Niessen.


„Es geht darum,
für unseren Planeten
nützlich zu sein.“

Professor Dr. Michael Braungart


Papiere und transparente Folien auf Nährstoffbasis

Das Mikroplastikproblem besteht bei Verpackungen aus Barrierepapier oder Zellulosefaserfolien nicht. Auch wenn sie nicht dem regulären Abfallkreislauf zugeführt werden, zersetzen sie sich ohne weiteren technischen Aufwand umweltneutral. Wie herkömmliches Papier werden auch die Barrierepapiere von Chocal aus nachwachsenden Holzfasern hergestellt. Sie haben eine Beschichtung aus Biopolymeren, die das Papier undurchlässig für Wasserdampf, Sauerstoff, Gerüche (die Experten sprechen hier von Aromen) oder Fette macht. Dadurch verfügt die Verpackung über alle von Normen und Richtlinien geforderten Eigenschaften und ist damit wesentlich nachhaltiger und umweltfreundlicher. „Mit dem von uns entwickelten Verfahren können verschiedene Barrierematerialien verwendet werden – je nach Anforderung. Selbstverständlich können die Papierverpackungen in verschiedenen Farben gestaltet und sowohl mit Text als auch mit Bildern bedruckt werden“, sagt von Niessen. Ob Papier- oder Folienverpackungen– beides ist wirklich nachhaltig. Das gelte auch für Folienverpackungen, die Chocal neben Papierverpackungen als weitere nachhaltige Verpackungslösung im Sortiment habe. „Sie lassen sich hervorragend bedrucken und auch mit Barriereschichten kombinieren. Ob Lebensmittelverpackungen zum Mitnehmen, Joghurtbecherdeckel, Getränkebecherdeckel oder Blisterverpackungen für Spielwaren, Lebensmittel, Elektronik oder Hygieneartikel: Sie alle sind kompostierbar oder können in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden“, betont der Chocal-Geschäftsführer, „gelangt eine solche Verpackung in die Natur, ist es immer noch ein Nährstoff, der einfach und ganz natürlich verrottet. Und trotzdem kann das Material recycelt werden.“

Auch für die Spielwarenindustrie gibt es erste Entwürfe für vollständig kompostierfähige Verpackungen
Cradle to Cradle definiert ein System für die Herstellung von Produkten und industriellen Prozessen, das es ermöglicht, Materialien als „Nährstoffe“ in geschlossenen Kreisläufen zu halten.
(Quelle: Zhiying.lim (Das Originalbild wurde zur eigenen Nutzung bearbeitet)/Lizenz: CC-BY-SA 3.0)
Die Triple Top Line orientiert sich an den Naturgesetzen: Fort von einer „Reduzierung der Nachteile“ und hin zu einer
„Maximierung des Nutzens“.
Der Mensch soll mit dem was er tut nützlich sein für andere Stoffkreisläufe. Seine Produkte sollen in Stoffkreisläufen funktionieren, so dass es keinen unnützen Abfall, sondern nur noch nützliche Rohstoffe gibt.

Von Nährstoff zu Nährstoff

Von was spricht Alexander von Niessen, wenn er von Nährstoffen als Ausgangsbasis für seine Papier- und Folienverpackungen spricht? „Die Grundstoffe für Chocal Natural Fibres, also die durchsichtigen Verpackungen, können Biomasse oder Pflanzenabfälle sein, auf jeden Fall sind sie nicht rohölbasiert.“ Chocal legt großen Wert darauf zu betonen, dass an dieser Stelle kein Mais verwendet wird. „Wir kommen aus der Pflanze und wenn unsere Verpackung verrottet, wird sie wieder zu neuem Nährstoff für neue Pflanzen, deswegen: von Nährstoff zu Nährstoff“, betont Markus Schmid, Leiter Projektmanagement bei Chocal und spricht damit das Prinzip „Cradle to Cradle“ an, also vom Ursprung zum Ursprung. Dieses Prinzip wurde von Prof. Dr. Michael Braungart, der den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022 erhielt, definiert. Es beschreibt die zyklische Nutzung von Ressourcen. Jedes produzierte Produkt wird so konzipiert, dass es auch nach seiner Nutzung nicht als Abfall zurückbleibt, sondern einem weiteren Zweck dient, wiederverwendet oder recycelt wird – oder wie im Falle von Chocals neuen Verpackungen, dann auch wieder dem Nährstoffkreislauf zugeführt werden kann ohne dass der Natur ein Schaden durch Rückstände wie Microplastik oder giftige Farben entsteht. „Wir wollten nachhaltig werden und das Aluminium ersetzen“, sagt Alexander von Niessen, „Auf diese Weise sind wir auf Papier gekommen. Welche Dimension wir damit erschlossen haben, haben wir erst gemerkt als wir Professor Braungart kennengelernt haben.“ Bestärkt durch das Cradle-to-Cradle-Prinzip setzte bei Chocal eine mehrere Jahre dauernde Entwicklung ein, die nun in den zwei Produktlinien „Chocal Natural Fibres (CNF)“ und „Chocal Paper Fibres (CPF)“ mündet und auf biologischer Basis kompostierbare Verpackungen schafft.
Um nun die neuen Chocal-Verpackungen anwenden zu können, gibt es für Spielwarenhersteller zwei Möglichkeiten: Nach einer genauen Produktanalyse baut Chocal die notwendigen Verpackungsmaschinen, die dank modularer Bauweise sehr flexibel gestaltet werden können. Entweder liefert Chocal die Maschine an den Hersteller, oder der Hersteller lässt direkt bei Chocal seine Toys verpacken. Beides ist möglich. Erste Versuche sind bereits angelaufen.


Professor Dr. Michael Braungart

Professor Dr. Michael Braungart ist Gründer und wissenschaftlicher Geschäftsführer von Braungart EPEA, ein internationales Umweltforschungs- und Beratungsinstitut mit Hauptsitz in Hamburg. Er ist Mitbegründer und wissenschaftlicher Leiter von McDonough Braungart Design Chemistry (MBDC) in Charlottesville, Virginia (USA), Mitbegründer und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts e. V. (HUI) sowie Leiter von Braungart Consulting in Hamburg.
Schon in den 80er Jahren hat Braungart sich bei Greenpeace engagiert und dort ab 1982 den Bereich Chemie mit aufgebaut. 1985 übernahm er dessen Leitung. Unter dem Namen „Intelligentes Produktesystem“(IPS) entwickelte er zwischen 1989 und 1991 im Rahmen eines Forschungsprojektes des damaligen Schweizer Chemieunternehmen Ciba-Geigy das Cradle to Cradle-Konzept mit und forscht und berät seitdem für öko-effektive Produkte im Kreislauf, die nicht nur weniger schädlich für Menschen und Natur sind, sondern stattdessen nützlich.


Dr. Alexander von Niessen, Gründer und Geschäftsführer Chocal, entwickelt Folien und Verpackungen aus Biomasse und Pflanzenabfällen

Prof. Dr. Michael Braungart über Dr. Alexander von Niessen: „Alexander von Niessen hat begriffen, dass man zuerst fragt, was richtig ist. Es geht um Effektivität, nicht um Effizienz. Es geht darum, dass wir lernen für unseren Planeten nützlich zu sein und nicht nur weniger schädlich. Und die Frage, die sich Alexander von Niessen gestellt hat, lautet: Welche Verpackung ist denn dann überhaupt die richtige in dieser Welt? Er hat Verpackungen entwickelt, die wunderbare Eigenschaften haben und trotzdem perfekt biologisch abbaubar sind. Man muss Additive, Mittelstoffe und Pigmente auch so aussuchen, dass sie in biologische Kreisläufe zurückgehen können. Im Weiteren bedeutet das auch: Um nützlich für diesen Planeten zu sein, braucht es auch veränderte Geschäftsmodelle. Alexander von Niessen geht auch diesen Schritt, seine Verpackungsmaschinen müssen gar nicht mehr gekauft werden, sondern sie sollen Dienstleistungen erbringen. Wenn ich Maschinen verkaufe, muss ich immer einen Kompromiss machen zwischen Anwendungsqualität und Kosten. Wenn ich aber nur die Nutzung verkaufe, ändert sich das. Und da ist Alexander von Niessen von elementarer Bedeutung. Er ist sozusagen die Innovationsplattform für den Maschinenbau und gleichzeitig auch für den Verpackungsbereich.“

Dr. Alexander von Niessen
(Foto © gmündguide / VISCOM)