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Brennpunkt – Eine Reise um die Spielwarenwelt (II)

13. Mai 2019, 14:53

Die zwölf für diesen Beitrag ausgewählten Länder veranschaulichen am besten, mit welchen Schwierigkeiten sich ein Spielwarenhersteller konfrontiert sieht, wenn er sich außerhalb des heimischen Spielfelds bewegt. Sie decken die größten Märkte auf vier Kontinenten ab – leichte und schwierige, größere und kleinere, schnell wachsende und absteigende. Alle zeigen jedoch die großen Herausforderungen, die belegen, dass es auch immer eine Kehrseite gibt. Die Daten und Einblicke wurden von den führenden Einzelhändlern eines jeden Landes sowie den anderen angegebenen Quellen bereitgestellt. Die Verantwortung für Fehler oder Auslassungen liegt allein beim Autor. Der zweite Teil der Reise führt in die Länder Japan, Mexiko, Spanien, Thailand, Großbritannien und in die USA.

Japan

Japan hat ein großes Problem: Die Bevölkerung im Kindesalter zwischen 0 und 14 Jahren nimmt immer mehr ab. Diese Gruppe zählte 2010 noch 16,9 Millionen Kinder, sank 2015 auf 15,8 Millionen und Prognosen deuten auf einen Rückgang auf 14,5 Millionen bis zum Jahr 2020 hin. Der Spielwarenmarkt zog dementsprechend nach und sank von 750 Milliarden Yen im Jahr 2010, auf 615 Milliarden Yen im Jahr 2016, auf 525 Milliarden Yen 2017 und im Jahr 2018 sogar auf unter 500 Milliarden Yen. Das Ergebnis ist ein harter Kampf um Marktanteile, um diesen Rückgang zu kompensieren.
Das andere Problem ist Japans unübersichtliche Einzelhandelslandschaft. Es gibt über eine Million Einzelhändler, die Konsumgüter verkaufen und von mehr als 100.000 Großhändlern, Semigroßhändlern und Semi-Semigroßhändlern beliefert werden. Die wichtigen 1.000 Top-Großhändler kontrollieren im Prinzip die gesamte Spielwarenlieferkette.
Eine meiner Quellen – ein einflussreicher Spielwarengroßhändler in Japan – hat es so ausgedrückt: „Für jeden Spielwarenhersteller, der nach Japan kommen möchte, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: Er muss ein Bündnis mit einem renommierten Vertriebshändler eingehen, der schon seit einiger Zeit im Geschäft ist und zwar erfolgreich. Das gibt uns die Gewissheit, dass das Unternehmen solide ist und die Produkte gut gemacht und auf die Bedürfnisse des Marktes abgestimmt sind. Wenn ein europäischer oder amerikanischer Hersteller, der keine solide Präsenz in Japan hat, nach einer Zusammenarbeit mit uns fragt, wird die Antwort ‚Nein’ lauten.“
Aber es gibt noch andere Alternativen: Rakuten oder Amazon, die zusammen 80 Prozent des Online-Marktes kontrollieren. In beiden Fällen benötigt man jedoch eine japanische juristische Person und ein Bankkonto. Sobald man den gründlichen Screening-Prozess bestanden hat und man als qualifizierter Anbieter eingestuft wurde, kann man auch von außerhalb des Landes verkaufen und versenden. Der erforderliche Werbe- und Marketingaufwand ist dem eines Drittanbieters bei Amazon USA sehr ähnlich.

Mexiko

Mexiko hat zwei Spielwarenmärkte – den offiziellen und den inoffiziellen. Ersterer lag 2017 bei 1,15 Milliarden US-Dollar und wird von internationalen Marken dominiert, die in traditionellen Geschäften verkauft werden. Letzterer ist sehr viel kleiner und läuft über nicht traditionelle Kanäle wie „Mercados“ oder Straßenverkäufer.
Der Spielwarenmarkt wächst sehr stark. Im Jahr 2017 waren es 20 Prozent und für 2018 werden weitere 15 Prozent prognostiziert. Die Online-Verkäufe sind bislang zwar kein wichtiger Faktor, nehmen aber rapide zu und werden in den nächsten zehn Jahren wohl zu einem wichtigen Treiber. Die meisten großen Spielwarenunternehmen haben ihre eigenen Geschäfte, ein paar kleinere werden von Vertriebshändlern wie Bandai, Camcom und Anparin vertreten. Diese drei Vertriebspartner besitzen einen gemeinsamen Marktanteil von zehn Prozent.
Aufgrund der Dominanz der etablierten Unternehmen ist ein neuer Marktteilnehmer gut beraten, Vertriebsvereinbarungen genau zu prüfen. Ich habe mich daher mit dem führenden Spielwarenhändler – Bandai Mexico – unterhalten. Der Geschäftsführer, Pablo Vargas, hat mir Folgendes erzählt: „Wir vertreiben Bandai-Spielwaren, halten aber immer auch Ausschau nach Drittanbietern. Wir unterhalten keine Alleinvertriebsvereinbarungen, da wir die Freiheit haben möchten, die Marken zu wählen, die wir wollen, und die abzustoßen, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie nicht zu uns passen. Wir vertreten fast alle Marken von Moose Toys sowie die verschiedenen Charaktere, Figuren und Spielesets von Peppa Pig sowie Stretch Arm-strong, Ben and Holly und die PJ Masks von Just Play. All unsere Marketing- und Verkaufstätigkeiten erfolgen durch unsere eigenen Mitarbeiter. Wir entwickeln für jede Marke, die wir vertreiben, spezielle Marketingpläne und -budgets. Üblicherweise vereinbaren wir mit unseren Partnern einen Prozentanteil am Umsatz auf Grundlage der unternommenen Marketingaktivitäten. Wir zahlen die Kampagnen, wozu normalerweise Fernsehen, digitale Werbung, am Verkaufsort eingesetzte Materialien (PoP) und In-store-Aktionen zählen.
Die Preise legen wir in Abstimmung mit unserer Standard-Bruttozielmarge fest. Wir unterhalten verschiedene Vertriebsvereinbarungen, manche nur für einen festgesetzten Zeitraum, den wir eventuell entsprechend verlängern, und andere wiederum unterhalten wir kontinuierlich.“

 

Spanien

Auch wenn Spanien der kleinste der fünf großen europäischen Spielwarenmärkte ist, ist er doch der mit dem schnellsten Wachstum. Aber auch dieser Markt ist nicht der einfachste: In Hinsicht auf die Handelsbedingungen ist er etwa gleichauf mit Frankreich. Das Hauptproblem ist die Bürokratie: Die Einholung von Betriebsgenehmigungen, die Eintragung von Immobilien, das Erhalten von Baugenehmigungen sowie die elektrische Infrastruktur sind komplex, zeitraubend und teuer.
Das andere Problem ist die innere Spaltung Spaniens. Die autonome Gemeinschaft Katalonien, in der etwa 16 Prozent der spanischen Bevölkerung leben, strebt nach Unabhängigkeit. Gleichzeitig stellt sie auch 20 Prozent von Spaniens Spielwarenmarkt und ist für den Großteil des Wachstums des Landes verantwortlich. Ohne Katalonien verliert Spanien an Bedeutung.
Angesichts all dieser Faktoren würde ich keinem Neueinsteiger empfehlen, sich alleine auf den spanischen Markt zu wagen. Es gibt jedoch eine Vielzahl an äußerst kompetenten Vertriebshändlern, die eine Erfolgsbilanz in der Zusammenarbeit mit kleinen bis mittelgroßen Spielzeugherstellern vorweisen können. Es gibt vier, die das Feld anführen: Bandai, Bizak, Giochi Preziosi und Goliath Games, die gemeinsam zehn Prozent des Marktes kontrollieren.
Ich habe mich mit einem etablierten Vertriebshändler unterhalten, um zu erfahren, wie eine Vertriebsvereinbarung aussehen und eine solche Zusammenarbeit laufen könnte: „Wir sehen uns jeden neuen potenziellen Partner an, vorausgesetzt, die Produkte des Unternehmens stehen nicht in direktem Konflikt mit dem, was wir bereits anbieten. Wir sind besonders an kunsthandwerklichen Erzeugnissen und Outdoor-Spielzeugen interessiert, sind aber auch offen für andere Produkte. Den gesamten Verkaufsprozess wickeln wir über unsere eigenen Mitarbeiter ab, die landesweit bei allen großen Spielwareneinzelhändlern repräsentiert sind. Die Produkte des neuen Partners würden wir in unseren Spielzeugkatalog aufnehmen, den wir im Fernsehen intensiv bewerben – ein Aufwand, der etwa 90 Prozent unseres gesamten Werbebudgets darstellt. Unsere Preise stimmen wir mit den Marktbedingungen ab. Aber am wichtigsten ist wohl, dass wir alle Produkte von Unternehmen so vermarkten und hinter ihnen stehen, als wären sie unsere eigenen.“

 

Thailand

Thailand ist ein sehr unkompliziertes Land, um Handel zu betreiben, denn die Thais sind Ausländern und ihren Weisen gegenüber sehr offen eingestellt. Es gibt für neue Marktteilnehmer jedoch auch ein paar Probleme: die Sprache [Thailändisch und Teochew], die starke Fokussierung auf langfristige Beziehungen sowie kulturelle Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.
Keines der führenden Spielwarenunternehmen agiert dort auf eigene Faust, sondern man verlässt sich vielmehr auf Vertriebspartner. Diese fallen in zwei Kategorien: Die eine wäre ein Partner, der nur die logistische Abwicklung wie Import, Lager, Verkauf, Versand, Einziehen von Rechnungen übernimmt, der aber weder über die Ressourcen noch die Fähigkeiten verfügt, um sich am Marketing- oder Innovationsprozess zu beteiligen. DKSH als Vertriebspartner von Lego ist ein solches Beispiel. Die andere Option wäre ein Full-Service-Vertriebsdienstleister, der seine Arbeit darin sieht, das gesamte Markenprofil des Kunden den Vorgaben des thailändischen Marktes anzupassen. Einer von ihnen ist MAP Active, Hasbros semi-exklusiver Vertriebspartner.
Da ich erfahren wollte, wie eine Beziehung mit einem solchen Vertriebsdienstleister aussehen könnte, habe ich mit dem Geschäftsführer vom MAP Active, Deepack Tomar, gesprochen. Tomar hat mir Folgendes erzählt: „Wir sind für die Unternehmen, die wir vertreten, ein aktiver Partner. Für jede Marke, die auf der Suche nach einer Vertretung in Thailand ist, sind wir vollständig ausgerüstet, um als einzige Anlaufstelle zu fungieren. Wir verfügen über Marktkenntnisse, Beziehungen mit führenden Einzelhändlern, Expertise und Fachkräfte in den Bereichen Merchandising und Einzelhandel sowie über eine etablierte Lieferketteninfrastruktur. Außerdem managen wir 62 Shop-in-Shops in führenden Kaufhäusern und sind dort auch für die Personalbesetzung zuständig. Die Beziehungen mit unseren Partnern basieren auf Vertriebsvereinbarungen, in denen die Rechte und Pflichten für beide Parteien, die Zahlungsbedingungen, Kündigungsklauseln und so weiter. bestimmt werden. Den Unternehmen, die wir vertreten, stehen wir mit Expertise und Rat bei Marketing- und Werbeentscheidungen zur Seite.“

 

Großbritannien

Der Durchverkauf bis September weist einen Rückgang von fünf Prozent auf, was vor allem auf die ungewisse Perspektive durch den Brexit zurückzuführen ist. Selbst nach dem bestmöglichen Szenario wird das Betreiben eines Geschäfts danach sehr viel komplizierter werden. Die meisten Gesetze, die derzeit Geschäftstätigkeiten regeln, basieren auf der EU-Gesetzgebung und es gibt bislang noch keinen Plan, wie die GB-Gesetzgebung danach aussehen wird. Eine weitere schwierige Herausforderung ist, dass mehr als die Hälfte aller Spielwarenverkäufe über Massenhändler erfolgt. Nach der Pleite von Toys‘R‘Us ist es für neue Marken sehr schwer, ein Zuhause zu finden. TRU hatte 2017 einen Marktanteil von zehn Prozent. Die etablierten Marken kämpfen nun um den verlorenen Regalplatz, indem sie sich auf die übrigen wichtigen Vertriebshändler ausweiten, die nach Belieben auswählen können, wem sie den Platz geben.
Angesichts der derzeitigen Unsicherheit bin ich der Meinung, dass ein Neueinsteiger in GB nicht sein eigenes Unternehmen führen sollte, aber es gibt andere Wege, um auf den Markt zu kommen. Der bevorzugte ist wohl, eine Beziehung mit einem namhaften Vertriebsdienstleister aufzubauen, der auch Produkte aus den USA und anderswo sowie auch der EU einführen kann. Um herauszufinden, was man von einem solchen Vertriebshändler erwarten kann, habe ich mit Clive Smith, dem früheren Präsidenten von Bandai UK, gesprochen. Bandai UK vertreibt nicht nur seine eigenen Marken, sondern vertritt auch in Großbritannien eine Vielzahl von Spielwarenherstellern. So beschreibt er die Rolle von Bandai UK in einer Vertriebsbeziehung: „Wir behandeln jeden Partner so, wie wir auch unsere eigenen Produkte behandeln. Wir haben Handelsvertreter, die auf einen unabhängigen Handel achten, und unser eigener Außendienst arbeitet mit unseren größeren nationalen Einzelhändlern in den GB und Irland zusammen. Wir kommen für die gesamten Marketingkosten auf. Dazu zählen je nach Produkt alle Aspekte außer Radio, so wie Fernsehen, Internet-Influencer, Kino und Presse.  Wir sind immer offen für neue Partnerschaften und in dieser Hinsicht gesprächsbereit, sofern dies nicht mit unserem eigenen geistigen Eigentum von Bandai oder dem der anderen Unternehmen, die wir vertreten, in Konflikt steht.“

USA

Trotz der Pleite von Toys‘R‘Us befindet sich der US-amerikanische Spielwarenmarkt in ziemlich guter Verfassung. Tatsächlich sind alle Verkäufe, die einst von TRU erzielt wurden, nun an andere Einzelhändler übergegangen. Die USA sind für neue Marktteilnehmer noch immer ein sehr unkomplizierter Marktplatz für einen Einstieg und den Handel, aber das Problem wird vielmehr sein, einen Platz für seine Waren zu finden. Seit dem Ausscheiden von TRU hat die Macht der führenden Einzelhändler exponenziell zugenommen und genau wie in GB versucht jeder den verlorenen Regalplatz wettzumachen. Massenhändler wie Amazon kontrollieren mittlerweile fast drei Viertel des Marktes, was sie natürlich zu ihrem bestmöglichen Vorteil einsetzen.
Auch wenn es für einen neuen Marktteilnehmer schwierig scheint, sich bei diesen Bedingungen einen Platz zu sichern, ist es jedoch nicht unmöglich. Einige Newcomer hatten durch bahnbrechende Innovationen Erfolg. Beispiele hierfür sind unter anderem Jazwares mit Roblox, eOne mit seinen PJ Masks in der Kategorie Action-Figuren, JoJo Siwa und Hairdorables von JustPlay im Bereich Mode- und Ankleidepuppen sowie Swivel-Snaps von Creative Toys in der Kategorie Konstruktionsspielzeug. Innovationen sind der Schlüssel und sie können durch nichts ersetzt werden.
Für ein besseres Verständnis der Strategien, die neue Marktteilnehmer verfolgen sollten, um in den USA Fuß zu fassen, habe ich mich mit einer nationalen Spielwareneinkäuferin bei einem Massenhändler unterhalten. Sie hat mir Folgendes erzählt: „Neueinsteiger müssen zunächst Verkaufserfolge in den USA erzielen, bevor wir sie überhaupt in Erwägung ziehen. Der neue Marktteilnehmer kann daher eine der folgenden zwei Strategien verfolgen: Eine Möglichkeit wäre, zunächst Verkäufe über eine Amazon-Dritt-Anbieterplattform zu generieren. Die andere ist, mit Fachhändlern zusammenzuarbeiten. In jedem Fall muss das Unternehmen seine Produkte über die sozialen Medien, die traditionellen Medien, In-Store-Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit bewerben. Außerdem muss es eine voll funktionsfähige Lieferkette vorweisen können.“