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Brennpunkt – Eine Reise um die Spielwarenwelt (I)

13. Mai 2019, 16:11

Die zwölf für diesen Beitrag ausgewählten Länder veranschaulichen am besten, mit welchen Schwierigkeiten sich ein Spielwarenhersteller konfrontiert sieht, wenn er sich außerhalb des heimischen Spielfelds bewegt. Sie decken die größten Märkte auf vier Kontinenten ab – leichte und schwierige, größere und kleinere, schnell wachsende und absteigende. Alle zeigen jedoch die großen Herausforderungen, die belegen, dass es auch immer eine Kehrseite gibt. Die Daten und Einblicke wurden von den führenden Einzelhändlern eines jeden Landes sowie den anderen angegebenen Quellen bereitgestellt. Die Verantwortung für Fehler oder Auslassungen liegt allein beim Autor. Der erste Teil der Reise führt in die Länder Brasilien, China, Frankreich, Indien, Indonesien und Italien.

Brasilien

Mit einem Umsatz von über zwei Milliarden US-Dollar allein in diesem Jahr ist Brasilien der größte lateinamerikanische Spielwarenmarkt – und damit noch größer als Mexiko, Argentinien oder Kolumbien. Gleichzeitig ist er nach Einstufung der Weltbank aber auch der schwierigste dieser vier Märkte, um Handel zu betreiben. Alles was mit Bürokratie zu tun hat, ist dort sehr mühsam und kostenintensiv. Das politische Klima ist – gelinde gesagt – chaotisch. Die Korruption wuchert, persönliche Sicherheit ist praktisch nicht vorhanden und der Wettbewerbsindex ist einer der niedrigsten der Welt.
Angesichts der unglaublichen Komplexität Brasiliens als Land und Spielwarenmarkt verwundert es daher kaum, dass alle wichtigen Spielwarenhersteller, mit Ausnahme von Mattel und Hasbro, Ausschließlichkeitsverträge mit nationalen Vertriebshändlern wie Candide, Estrela, Mcassab und Sunny Toys haben, die einen geschätzten gemeinsamen Marktanteil von etwa 25 Prozent halten.
Diese vier Händler sind wohl der einfachste und bis zu einem gewissen Grad auch der sicherste Weg auf den brasilianischen Markt. Allerdings wird wohl jedwede Vereinbarung immer zugunsten des Händlers ausfallen und ein beachtliches finanzielles Engagement vor einem Abschluss von Nöten sein. Zudem gilt auch eine spezifische Gesetzgebung für Vertretungsverträge, die eher den Vertreter als den Auftraggeber schützen und bestimmte obligatorische Bestimmungen für Vertreterverträge vorschreiben. Es gilt brasilianisches Recht und Kommissionen sind üblicherweise auch dann zahlbar, wenn keine Verkäufe vom Händler eingeführt werden.
Eine weitere Alternative wäre der Ab-schluss eines Lizenzvertrages mit einem Spielwarenunternehmen, das bereits eine Beziehung mit einem dieser Händler unterhält. Unternehmen wie Bandai, Cepia, Playmobil, Spin Master und Wowee bieten dies an und wären wünschenswerte Partner.

Frankreich

Frankreich befindet sich mit Deutschland in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 2 des Spielwarenabsatzes in Europa – hinter Großbritannien. Es ist auch der am schnellsten wachsende Spielwarenmarkt 2018 in der EU nach Spanien und daher eine zukunftsfähige Alternative für britische Spielwarenunternehmen, die nach dem Brexit eine Basis in der EU brauchen.
Aber auch Frankreich ist nicht das einfachste Land für Handel. Trotz der Bemühungen des Premiers Macron, Frankreichs Arbeitsgesetze reformieren und das Sozialsystem maßregeln zu wollen, ist es noch immer so, dass man einem Arbeitnehmer, sobald er einmal eingestellt ist, quasi nicht mehr kündigen kann. Zudem muss man eine Unmenge an Sozialleistungen für ihn zahlen, die ihm laut Gesetz zustehen. Das ist einer der Gründe, warum Frankreich als eines der schwierigsten Länder für die Gründung eines Unternehmens und das Betreiben von Handel in Europa gilt – nur Italien ist schlimmer.
Für einen neuen Marktteilnehmer in Frankreich gibt es daher nur zwei Möglichkeiten: Die erste wäre, es alleine zu versuchen, was nicht unbedingt optimal ist. Die andere ist der Weg über einen Vertriebspartner, wovon es ein paar sehr gute gibt.
Goliath Games, Giochi Preciosi und Simba sind Vertriebspartner für solide Second-Tier-Spielwarenunternehmen und haben ein Marktanteil von etwa zehn Prozent.
Wie eine solche Vereinbarung aussehen könnte, darüber gibt ein Vertriebshändler Auskunft: „Alle Verkäufe werden von unseren eigenen Mitarbeitern durchgeführt, die alle sehr erfahren und in der Repräsentation der Marke, die wir vertreten, geschult werden. Wir wickeln den gesamten Vermarktungsprozess ab und erstellen und zahlen die meiste Werbung sowie Ausstrahlung für alle Produkte. Die Preisgebung wird vom Markt vorgegeben und zwischen uns und unseren Partnern vereinbart. Wir begrüßen neue Partner, vorausgesetzt, solche Partnerschaften basieren auf Ausschließlichkeit und es handelt sich um Produkte, die für den französischen Markt geeignet sind. Denn schließlich bieten wir einem Partner sehr viel Engagement, Zuverlässigkeit, eine langfristige Strategie und Perspektive sowie absolute Loyalität.“

Indien

Der indische Spielwarenmarkt ist im Vergleich zu seinem Nachbarn China relativ klein. Allerdings wächst er sehr schnell und wird dies wohl auch weiterhin tun, da seine Bevölkerung mit zunehmendem Tempo in die Mittelschicht aufsteigt. Es gibt dabei gleich zwei indische Spielwarenmärkte – den städtischen und den ländlichen. Ersterer wird auf 415 Millionen US-Dollar und letzterer auf etwa 785 Millionen US-Dollar geschätzt. Für internationale Marken ist jedoch nur der urbane Markt von Bedeutung. Indien ist ein schwieriges Land, um ein Unternehmen zu gründen oder Handel zu betreiben. Alles, was mit Bürokratie zu tun hat, ist eine Geduldsübung in Frustration, Aufschub und Kosten. Darüber hinaus ist die Logistik ein Albtraum und der Regalplatz für Spielwaren äußerst hart umkämpft.
Für ein Spielwarenunternehmen, das auf den Markt möchte, gibt es im Grunde zwei Optionen: Eine ist natürlich, es alleine zu versuchen. Die andere, eine Vereinbarung mit einem Vertriebspartner zu treffen. Davon gibt es viele, der beste Vertriebshändler ist jedoch mit Abstand Funskool. Funskools Marktanteil liegt bei weit über zehn Prozent, da das Unternehmen nicht nur seine eigenen Marken verkauft, sondern auch über eine Vielzahl an Exklusivlizenzen und seinen eigenen Einzelhandelsbereich verfügt. Funskool wäre durchaus bereit, neue Partner zu akzeptieren, sofern diese die strengen Kriterien erfüllen, die das Unternehmen für solche Angebote vorgibt.
John Bay, CEO von Fun-skool, erläutert, was ein Vertriebspartner von Funskool erwarten könne: „Wir haben unsere eigene Vertriebs- und Marketingorganisation mit über 85 Mitarbeitern, 17 Außenlagern und drei Werkslagern. Wir versorgen an die 4.500 Verkaufsstellen. Die größeren Geschäfte werden direkt von uns beliefert und die kleineren von einem Netzwerk an Vertriebspartnern. Unser aktueller Vorstoß in den Einzelhandel mit den Funskool Stores, die alle von uns repräsentierten Marken anbieten, war sehr erfolgreich, sodass wir bereits 18 Filialen betriebsbereit haben. Wir werben für die Marken in unserem Portfolio regelmäßig im Fernsehen sowie in den Print- und digitalen Medien und unser Promotion-Team unternimmt landesweit viele Verkaufsförderungsaktionen für alle unsere Produkte.“

Indonesien

Neueinsteiger werden sich auf dem indonesischen Spielwarenmarkt sogleich mit großen Hürden konfrontiert sehen: Zum einen wäre da die Sprache (Bahasa Indonesia und nicht Englisch ist die Geschäftssprache) und zum anderen wird sehr viel Wert auf langfristige Beziehungen sowie kulturelle und religiöse Regeln gelegt, die nicht verletzt werden dürfen. Ein wesentlicher Aspekt des indonesischen Spielwarenmarkts ist, dass alle ausländischen Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet sind, einen indonesischen Vertreter zu haben. Die Frage ist daher nicht, ob man mit einem lokalen Vertriebshändler zusammenarbeiten möchte, sondern mit welchem. Es gibt zwei, die wirklich wichtig sind: MapCo mit einem Marktanteil von 40 Prozent und P T EMway mit ganzen 30 Prozent.
MapCos Stärke basiert auch auf seinen zwei Einzelhandelsketten: den Kidz Station Stores und den MapCo Portfolio Department Stores, die zusammen fast die Hälfte aller Spielwarenverkäufe im Einzelhandel aus-machen. Dazu Sameer Prasad, Vizepräsident von MapCo: „Unseren Erfolg bei der Übernahme von Marktanteilen von der Konkurrenz schreiben wir verschiedenen Faktoren zu. Einer ist, dass wir unsere Anzahl an Filialen stetig ausbauen – wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren 25 neue Geschäfte eröffnet. Der zweite Faktor ist, dass wir unser Markenportfolio, das wir vertreiben, signifikant erweitert haben. Drittens ist die Abdeckung aller Vertriebskanäle ein Hauptfokus von uns. Dafür verlassen wir uns nicht nur auf unsere eigenen Filialen, sondern setzen auch auf ein sehr starkes Vertriebsteam, um den Verkauf an alle größeren Spielwarenhändler zu gewährleisten. Zur Unterstützung ihrer und unserer eigenen Marken unternehmen wir beachtliche Above- und Below-the-line-Werbemaßnahmen – Fernsehen, digitale Medien sowie zahlreichen Aktionen in Einkaufszentren. Verkaufs-Events in den Atrien von Einkaufszentren sind die wichtigsten Verkaufs- und Marketingtreiber in Indonesien.“

 

Italien

Italiens Wirtschaft liegt noch immer um sechs Prozent unter dem Wert von 2008, bevor die europäische Schuldenkrise explodierte. Die Investitionen liegen 20 
Prozent unter dem Spitzenwert von vor der Krise. Das Land schlittert zudem von einer politischen Krise in die nächste. Als ob dies nicht schon schlimm genug wäre, ist Italien auch der schlechteste Ort in ganz Europa, um ein Geschäft zu starten oder zu betreiben. Die bürokratische Trägheit ist erstickend, das Einholen der notwendigen Zulassungen eiszeitlich langsam und das Durchsetzen von Verträgen nahezu unmöglich. Der Wettbewerbsindex ist der schlechteste von allen untersuchten europäischen Ländern und der Korruptionsindex der höchste.
Das hatte und hat noch immer zwei wesentliche Auswirkungen auf den Spielwarenmarkt: Einer ist, dass dieser seit 2014 nicht mehr gewachsen ist. Der andere, dass vier der Unternehmen, die als Vertriebspartner für andere Marken agieren, mittlerweile etwa 40 Prozent des Markts kontrollieren.
Für einen Neueinsteiger auf dem italienischen Spielwarenmarkt gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit, nämlich einen wirklich guten Vertriebspartner zu finden. Es gibt die vier besagten Hauptakteure, die sich 40 Prozent des Markts teilen: Clementoni, Cosmic Group, Giochi Preciosi und Simba. Dabei handelt es sich um solide Spielzeugunternehmen des zweiten Ranges, denen es mit diesem Arrangement sehr gutzugehen scheint. Durch ihre Position in einem äußerst schwierigen Marktumfeld sind alle vier sehr anspruchsvoll, da sie sich die Hersteller aussuchen können, die auch wirklich mit ihnen Schritt halten können.
Es gibt natürlich auch noch andere Vertriebsunternehmen in Italien, aber bei der Auswahl sollte man besondere Vorsicht walten lassen. Der ideale Kandidat sollte bereits über ein Netzwerk an Beziehungen verfügen, die einem viele Türen auf dem Markt öffnen können. Zudem sollte er ein tiefgehendes Verständnis für die lokalen Geschäftspraktiken und -regelungen besitzen. Da eine lasche Zahlungsmoral und die Weigerung, beim kleinsten Anlass überhaupt nicht zu zahlen, in Italien weit verbreitet sind, sollte die anfängliche Geschäftsbeziehung über bestätigte Akkreditive laufen – zumindest bis der Lieferant vollkommen davon überzeugt ist, dass die Beziehung offene Kreditbedingungen zulässt.