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Brennpunkt – Die neue Stunde Null: Unser Leben nach Corona

10. Mai 2021, 13:38

Gibt es ein Leben nach Corona? Nach über einem Jahr Pandemie und zahlreichen Lockdowns, die die Handelslandschaft nachhaltig verändern werden, ist diese Frage berechtigt. Wir suchen Antworten auf: Wo werden wir einkaufen? Wie werden wir einkaufen? Nach welchen Produkten suchen wir?

Wie sah eigentlich ein Stadtbummel vor Corona aus? Lang, lang ist‘s her …
Man traf sich zum späten Frühstück, zog dann durch die angesagten und/oder die Lieblingsgeschäfte, legte einen Boxenstopp beim Italiener ein, besuchte eine Ausstellung und machte am Abend noch mit Freunden eine Stippvisite in der neuen Musikkneipe. Wir denken alle sehnsüchtig an diese Zeit, wohl wissend, dass wir die Welt nach der Pandemie nicht mehr so vorfinden werden wie vor Corona. Wenn wir uns selbst in den zurückliegenden Monaten aufmerksam beobachtet haben, stellen wir fest, dass sich viele unserer Verhaltensmuster und Gewohnheiten verändert haben. Wir handeln überlegter, sind weniger spontan, wir gehen auch in unserem Inner Circle mehr „auf Abstand“, wir präferieren andere Produkte, wir leben und kaufen bewusster. Wir üben in vielerlei Hinsicht freiwillig Verzicht. Die Zeit mit ihren Einschränkungen macht es uns leicht. Die Frage ist: Wird dieses neue Lebenskonzept bleiben? In welchen Bereichen ergeben sich die gravierendsten Veränderungen? Soziologen, Psychologen und last but not least Handelsexperten versuchen schon jetzt, Antworten zu finden. Denn irgendwann gehen die Türen wieder auf …

Die City als sozialer Hub

Sterben die Innenstädte aus oder gewinnen sie neue Bedeutung für unser soziales Leben? Die City als Treffpunkt und sozialer Hub wird, glaubt man einer aktuellen Studie der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners, nach dem Lockdown zunehmen. Dazu kommt: Verbraucher zeigen schon jetzt eine hohe Solidarität mit lokalen Einzelhändlern, das, so Simon-Kucher & Partners, wird bleiben und sich verstärken.
Also Einkaufsbummel in der City statt Online-Shopping? 90 Prozent der Konsumenten freuen sich darauf. 88 Prozent geben an, dass es ihnen im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie wichtiger geworden ist, den Einzelhandel zu unterstützen. 43 Prozent sind sogar bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Der soziale Aspekt eines Innenstadtbesuchs hat an Bedeutung gewonnen: 60 Prozent wollen die lokale Shoppingtour nutzen, um Freunde und Familie zu treffen, 46 Prozent verbinden damit einen Café- oder Restaurantbesuch.
„Wir sehen, dass der Handel zwar ein wichtiger Magnet für eine lebendige Innenstadt nach dem Lockdown bleibt, doch die Relevanz der Innenstädte als Treffpunkt und sozialer Hub nimmt zu“, sagt Dr. Tobias Maria Günter, Partner in der globalen Konsumgüter & Einzelhandel Practice bei Simon-Kucher.

Quelle der Grafiken auf diesen Seiten: Simon-Kucher & Partners. Studie „Zukunft der Innenstädte 2021“, Online-Konsumentenbefragung in Deutschland, durchgeführt im März 2021, bevölkerungsrepräsentative Befragung (n=1.007)

So sind vor allem für jüngere Zielgruppen (53 Prozent) Veranstaltungen und Events wie Stadtfeste oder Weihnachtsmärkte wichtiger geworden. Ebenso spielt für 40 Prozent der Befragten auch die Einkaufsatmosphäre beim lokalen Einzelhändler eine größere Rolle. Günter: „Events mit Gleichgesinnten, Wohlfühl-Shoppen, Einkaufserlebnis: Das sind die Faktoren, die nach dem Ende des Lockdowns die Verbraucher wieder in die Innenstädte locken. Angebote, die diese Faktoren miteinander verbinden, bringen Synergien für Stadt, Handel und Konsumenten.“
Daraus resultieren für Städteplaner wichtige Veränderungen im Erscheinungsbild der Citys. Für den Handel bedeutet es veränderte Kundenerwartungen, die er proaktiv zu befriedigen versuchen sollte.

Alles hat seinen Preis

Die Studie zeigt, dass im Vergleich mit der Zeit vor der Covid-19-Pandemie vor allem soziale Aspekte an Bedeutung gewinnen werden. Demgemäß sollten sich Handel und Städteplanung Gedanken machen, wie man Inhalte vernetzen und zusammenführen kann. Events und Veranstaltungen, die den Handel einbeziehen, sind nur eine von vielen Möglichkeiten, die Bedürfnisse der Menschen zu stillen. Mit der Pandemie stieg die Erkenntnis der Verbraucher, wie wichtig der lokale Handel und eine abwechslungsreiche Handelslandschaft für eine hohe Lebens- und Einkaufsqualität sind. Preis- und Rabattschlachten treten endlich in den Hintergrund. Eine gute Warenverfügbarkeit wird allerdings von 37 Prozent erwartet. „Das verstärkte Online-Shopping in den vergangenen Monaten hat die Anforderungen der Kunden an den lokalen Handel verändert: Aus dem Internet sind sie Standards wie einen transparenten Preisvergleich oder die ständige Verfügbarkeit von Artikeln gewöhnt – und erwarten dies auch beim Shoppen in der Innenstadt“, so Dr. Tim Frommeyer, Manager in der globalen Konsumgüter & Einzelhandel Practice bei Simon-Kucher. „Zusätzlich sind vor allem für jüngere Konsumenten zwischen 16 und 34 Jahren kulante Rückgaberegelungen, ein Lieferservice nach Hause und ‚Click & Collect‘-Angebote selbstverständlich ge-worden.“ Tobias Maria Günter ergänzt: „Die veränderte Erwartungshaltung der Kunden ist für lokale Einzelhändler Chance und Herausforderung zugleich. So ist zwar zum einen die Bedeutung der Einkaufsatmosphäre gestiegen, der lokale Handel kann sich hier vom Internetshopping abgrenzen und Mehrwert bieten. Gleichzeitig gibt es auch eine starke Solidaritätswelle der Verbraucher mit den lokalen Händlern der Innenstadt – die aber nicht bedingungslos kommt. Händler müssen deshalb ihre Sortimente, Angebote und Services im neuen Umfeld gezielt weiterentwickeln und – vor allem mit Blick auf die jüngere Zielgruppe – hybride Lösungen anbieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Sicherlich werden Händler, die mit ihren Kunden in Kontakt sind, diese Tendenzen jetzt, während des Lockdowns, schon spüren. Die Chance, neue Angebote in den Dienstleistungskatalog aufzunehmen, am Sortiment und am Service zu arbeiten, ist jetzt!

Ulrich Eggert ist den meisten kein Unbekannter. Wer Handel treibt, kennt den Diplom-Kaufmann und Handelsexperten, der 32 Jahre bei der BBE Unternehmensberatung GmbH, Köln, angestellt war, davon über 25 Jahre in leitender Position, 13 Jahre als Geschäftsführer. Seit Anfang 2007 ist Ulrich Eggert selbstständig tätig.
Das Portfolio der UEC Ulrich Eggert Consult+Research. Köln umfasst Disziplinen wie Betriebs-Beratung, Forschung, Training et cetera. Regelmäßig legt Ulrich Eggert viel beachtete Studien auf, so auch jetzt mit „Trends 2021/2030: Veränderungen in Handel, Vertrieb, Wirtschaft und Gesellschaft.“ Eggert geht darin den Fragen nach: Was kommt jetzt? Wie könnten die nächsten Monate und Jahre sich entwickeln?

Wie wird The New Normal?

In seiner neuen Trend- und Strategiestudie, die auf den aktuellen Entwicklungen aufsetzt, legt Eggert basierend auf seiner über 25-jährigen Erfahrung dar, was in den nächsten Jahren bis 2030 auf Unternehmen zukommen dürfte und wie Unternehmer sich darauf strategisch einstellen können. Was wird uns fordern? Volle Digitalisierung im Vertrieb, E-Commerce, Plattform-Ökonomie, Künstliche Intelligenz, smarte Technologien im stationären Handel, voll-automatisierte Läden, geändertes Käuferverhalten und vieles mehr?

Die Wirtschaft und mit ihr die agierenden Unternehmen wird, das zeichnet sich jetzt schon ab, in vielen Aspekten anders aussehen als jetzt. Sie wird in ihrer Gesamtheit und Komplexität differenzierter auftreten müssen. Ulrich Eggert hat vor allem für den Handel wichtige Erkenntnisse gewonnen und zusammengefasst: Senioren sind seinen Recherchen zufolge überraschenderweise die schnellst-wachsende Kundengruppe im E-Commerce. Wer hätte gedacht, dass die Ü60-Jährigen diese „kanalübergreifenden“ Shoppinggewohnheiten so annehmen? Mehr noch: Fast alle Senioren sind jetzt online unterwegs. Auf Partnersuche, beim Skypen mit den Enkeln während der Corona-Pandemie, in Communitys – und beim Shoppen.
Apropos Corona: Der Schub, den die Pandemie vielen Lebensbereichen gegeben hat, wirkt sich langfristig ebenso bereichernd wie vernichtend aus. Geschlossene Restaurants und die Angst vor Kontakten sorgen dafür, dass Lieferdienste unglaublichen Zulauf haben. Der Lebensmittelhandel reagiert auf die veränderten Einkaufsgewohnheiten mit vermehrten Angeboten der Online-Order. Auch das wird bleiben.  

Online kommt im Food-Handel gewaltig. In diesem Bereich wird gerade ein Milliardenmarkt verteilt. Die Online-Lieferdienste sind der kommende Investoren-Hype. Und glaubt man Ulrich Eggert, so erhalten Kunden bald binnen weniger Minuten ihre Lebensmittel. Guten Appetit kann man da nur sagen. Und was blüht uns noch? Der selbstfahrende, unbemannte Lieferdienst? Ganz so weit hergeholt ist das nicht. Auch zum Einsatz von Robotern und zur KI, der Künstlichen Intelligenz, trifft Eggerts Studie wertvolle, richtungweisende Aussagen. Eggert sieht KI ganz klar als Schwerpunkt-Trend, der schon jetzt unser Leben verändert. Er bezeichnet den Status Quo als „die neue Stunde Null“, in der künstliche neuronale Netze, Machine-Learning, Deep Learning et cetera immer wichtiger und relevanter werden. Das Milliarden-Business KI verändert gerade die Welt und Deutschland muss, wie in der Digitalisierung, gewaltig aufholen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Hierzulande dominieren immer noch zu viele Vorbehalte den Umgang mit KI. Während andere Nationen die Möglichkeiten der KI mit Staunen betrachten, machen sie uns Deutschen Angst. Das war auch zu Beginn des „digitalen Zeitalters“ so. Alles Fremde, Neue, das in irgendeiner Form mit revolutionärer Technik zu tun hat, scheint für uns negativ- oder angstbesetzt. Gestern wie heute. Technische Neuerungen feindselig zu betrachten war schon zur Kaiserzeit gang und gäbe und: Gekrönte Häupter sind nicht unbedingt schlauere Menschen. Weitsichtigere auch nicht. Die grandiose Fehleinschätzung des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II: „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd“, kursiert heute noch als Bonmot, aber wenn wir ehrlich sind: Viel hat sich nicht geändert. Was machen wir erst, wenn die Roboter kommen? Oder sind sie gar schon da? Ulrich Eggert sieht Robotik als ganz klaren Trend der Zukunft. Schon für 2021 prophezeiht er ein Drittel mehr Roboter als im vergangenen Jahr. Was wir aus dem Kinderzimmer und Science Fiction-Filmen kennen, wird nun Wirklichkeit. Oder: Aus Spielereien werden Indus-trie-Anwendungen. Die neue Robotergeneration steht vor dem Durchbruch. Eggert untersucht auch, warum der Roboter doch kein Jobkiller ist und er definiert Roboter gar als intelligenter, vernetzter und energieeffizienter.
Merken Sie, was für eine spannende Reise wir gerade unternehmen? Viele der neuen Errungenschaften sind uns in irgendeiner Form schon begegnet. Die „Virtual Reality“ (VR) und die „Augmented Reality“, die beispielsweise in der Spielwarenbranche für spannende neue Produktvarianten sorgen. Laut Ulrich Eggert ist Virtual Reality ein Spaßfaktor, viel mehr aber noch ein Business-Treiber der Zukunft. Der Visionär nimmt uns in seiner Studie mit auf eine hoch spannende Reise. Orwell lässt grüßen. Sein „Herzlich willkommen im Smart-Store“ liest sich wie Science Fiction und ist doch schon in vielen Teilen Wirklichkeit. Der Einsatz diverser Technologien im Handel macht es möglich. Kurz einchecken vor Betreten des Outlets, ein hybrides Einkaufserlebnis, dann der Smart-Check-out. Zukunftsmusik? Stellen wir doch eher die Frage: Hat der Handel der Zukunft kein Personal? Werden wir bald in Automatenläden unseren Bedarf decken? Wollen wir das? Wenn wir an den Ausgangspunkt dieser „Shopping“-Tour zurückgehen, dann erinnern wir uns, dass Verbraucher sich Studien zufolge nach dem sozialen Miteinander, nach persönlichen Treffen, nach gemeinsamen Freizeit- und Shopping-Erlebnissen sehnen. Dass wir die Innenstädte neu- und wiederbeleben müssen, wenn Corona es zulässt. Aber auch dabei müssen digitale Angebote, muss KI eine Rolle spielen. Stadt und Handel müssen zusammen denken und agieren. Nur durch eine solche Vernetzung werden Mehrwerte geschaffen, die die Innenstädte und die Handelslandschaft attraktiver machen. Learning by doing. Die Maßnahmen, die im Lockdown ergriffen wurden, haben Defizite in vielen Bereichen unseres Lebens ans Tageslicht gebracht. Menschliche Schwächen, mangelnde Lernbereitschaft, Bequemlichkeit. Was uns als „große Lösung“ nach dem Lockdown verordnet wurde und wird, das Click & Meet, ist auf lange Sicht ein vergiftetes Geschenk. Suchen Sie Ihren eigenen Weg aus der Krise. Lesen Sie, lernen Sie, sprechen Sie miteinander – und mit Ihren Kunden. Nichts verbindet mehr und dauerhafter als auf eine gemeinsame Reise zu gehen.