Branchenlösung Busch Data
Fast 40 Jahre gibt es Busch Data und damit ist dieses Warenwirtschaftssystem eines der ersten speziell für den Spielwarenfachhandel. Nach der Entwicklung eines Spiel- und Lerncomputers (Microtronic) war dies die zweite EDV-Entwicklung, die Jörg Vallen zusammen mit einem Studienkommilitonen gemacht hat. Erstmals vorgestellt wurde Busch Data auf der Spielwarenmesse 1984.
Bis dato hatte es so etwas noch nicht gegeben. Es war ohne EDV-Kentnisse sofort bedienbar. Rund 25.000 Artikel von 999 Lieferanten in 99 Warengruppen konnten mit den Programmen Lagerwirtschaft und Disposition verwaltet werden. Die Zentraleinheit (zehn MB) mit Tastatur, Drucker, Bildschirm einschließlich Programme wurde für rund 20.000 DM angeboten – damals eine Sensation. Schon 1988 gab es eine Online-Anbindung von Nixdorf Kassen, so dass mit dem Kassiervorgang die Bestände in der Warenwirtschaft korrigiert wurden. Busch Data entwickelte sich zur Branchenlösung. 1991 wurde das echt mehrplatzfähige ShopControl 2, damals auf Basis von Cobol, entwickelt. Die Programme und Möglichkeiten wurden ständig weiterentwickelt. Anfang der 2000er Jahre gab es bereits über 450 Anwender. 2012 wurde schließlich die 3. Generation von ShopControl vorgestellt – eine komplette Neuentwicklung auf Datenbankbasis, die – stetig weiterentwickelt – noch heute im Einsatz ist. Nachdem die Busch GmbH & Co. KG 2021 an die MEG ModellEisenbahnGesellschaft mbH verkauft worden war, wurde zum 1. Januar 2022 die Busch Data GmbH gegründet, die als eigenständiges Unternehmen fungiert. Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter ist der TOYS-Interviewparter Carsten Vogelsang. Die Busch GmbH & Co. KG und Jörg Vallen sind weitere Gesellschafter.
Herr Vogelsang, wie beurteilen Sie aus Sicht Ihrer Expertise den Stand der „digitalen Transformation“ der Spielwarenbranche?
An dieser Stelle möchte ich vor allem auf den Stand der digitalen Transformation aus der Sicht des Einzelhandels, insbesondere des Fach-Einzelhandels eingehen. Unser Team hat in der Spielwarenbranche über 30 Anbieter von Kassen- und Wawi-Systemen identifiziert, die bei Einzelhändler*innen im Einsatz sind. Jedes System hat seine Stärken und Schwächen. Einige Systeme zählen mehrere Hundert Spielwarenhändler zu ihren Kunden, andere weniger als zehn. Das Hauptproblem dieser Angebots-Vielfalt ist die Tatsache, dass man sich unter den Softwareanbietern nicht auf einheitliche Schnittstellen und Standards einigen konnte oder einigen will. Leider kocht hier jeder sein eigenes Süppchen.
Busch Data hat diese Problematik bereits vor vielen Jahren erkannt und mit den Datenaustauschformaten Busch-Data-1 und Busch-Data-2 Standards für den Austausch von Artikelstammdaten (Preislisten/Katalogdaten) erarbeitet und der Branche zur Verfügung gestellt. Mit dem DASPI Standard, der an das BWA-Format des Deutschen Buchhandels angelegt war, haben wir darüber hinaus bereits vor Jahren eine Lösung für den digitalen Austausch von Bestellungen, Lieferscheinen und Rechnungen zur Verwendung in der Branche freigegeben.
Aktuell beschäftigen wir uns mit der Implementierung von Standards wie EANCOM, einem EDIFACT-Standard, der sich im weltweiten Handel, bisher insbesondere auf Seiten der Hersteller und Lieferanten etabliert hat. Hierbei geht es vor allem um den digitalen Austausch von Rechnungen, Auftragsdaten, Auftragsbestätigungen, Wareneingangsmeldungen, Abverkaufsmeldungen und Artikelstammdaten.
Leider verfügen auch wir nicht über die Ressourcen, die relevanten Mitbewerber und alle Lieferanten von der Notwendigkeit und der Implementierung dieser oder anderer Standards zu überzeugen. Aber erst wenn sich alle Beteiligten in der Branche auf einheitliche Standards einigen, kann die von Ihnen angesprochene digitale Transformation insbesondere im Einzelhandel herbeigeführt werden. Die Digitalisierung ist dringend notwendig, um die Abläufe im Handel und insbesondere für die Händler*innen günstiger und einfacher zu gestalten. In Zeiten steigender Kosten und eines Fachkräftemangels sind effiziente Abläufe im Einzelhandel überlebenswichtiger denn je. Ein Warenwirtschaftssystem mit vollständig digitalen Abläufen steigert nicht nur die Effizienz, sondern ist für Einzelhändler*innen auch die einzige Möglichkeit, die Übersicht über Lager, Kosten und Abverkäufe zu behalten. Nicht zuletzt ist ein kostendeckender Online-Handel ohne eine Warenwirtschaftssoftware mit digitalen Kommunikationsprozessen für Facheinzelhändler*innen nicht möglich. Wir stehen mit Busch Data als Partner für Einzelhändler*innen, Verbände und Industrie bereit, entsprechende Projekte zu forcieren und zu implementieren. Wie eingangs angedeutet, stehen wir auch zu Gesprächen mit anderen Anbietern von Warenwirtschaftssystemen zur Verfügung. Dies betrifft sowohl die Vereinbarung von Standards und allgemeinen Prozessen, als auch Möglichkeiten zur Kooperation und Zusammenarbeit auf der Ebene der Softwareentwicklung. Nicht immer muss jedes Softwareunternehmen das Rad neu erfinden.
Vogelsang war im Bereich Softwareentwicklung selbstständig und verfügt über eine Menge Erfahrung auf diesem Gebiet. Während vieler Jahre als Geschäftsführer mehrerer Spielwarengeschäfte erwarb er das entsprechende Branchen-Know-how.
Warum tun viele Unternehmen sowohl auf Handels- als auch auf Industrieseite sich so schwer, die Themen Digitalisierung und das kleine Einmaleins, die Warenwirtschaft und Artikelstammdatenverwaltung, in die Praxis umzusetzen?
Hauptsächlich sind es zwei Gründe: Erstens die Kosten. Wir sprechen über tiefgreifende Veränderungsprozesse, die sowohl die Abläufe im Unternehmen betreffen, als auch die digitalen Infrastrukturen. Software ist in der Erstellung und Pflege aufwendig und somit teuer. Der Fachkräftemangel in der IT tut hier sein Übriges. Aber nur mittels guter Software können leistungsfähige und innovative digitale Anwendungen geschaffen und vom Handel erfolgreich genutzt werden.
Vielen Einzelhändler*innen fällt es schwer, die notwen-digen Investitionen umzusetzen. Sie suchen daher nach vermeintlich günstigen Lösungen und bleiben bei der Digitalisierung der Prozesse oft auf halber Strecke stehen. Dies gilt vermutlich ebenso auf Seiten der Industrie. Ich will nicht das Modewort KI verwenden, aber ein Warenwirtschaftssystem ist der elektronische Assistent eines Einzelhändlers. Zumindest, wenn die Software entsprechende leistungsfähige und innovative Funktionen bereithält und Einzelhändler*innen das System auch umfänglich benutzen.
Zweitens die inhomogene digitale Infrastruktur. Wie ich bereits in Ihrer ersten Frage erläutert habe, finden wir in der Spielwarenbranche eine Vielzahl kleinerer und mittelgroßer Softwareanbieter. Es gibt keinen wirklichen Standard. Man kann den Zustand mit einer babylonischen Sprachverwirrung vergleichen. Für die Industrieseite ist es schwierig, überhaupt den Überblick darüber zu haben, welche Schnittstellen und Datenformate die verschiedenen Warenwirtschaftssystem-Softwareanbieter unterstützen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die verschiedenen Einkaufsverbände keine gemeinsamen Strategien verfolgen.
Würde sich in der Branche eine Standardlösung oder zumindest ein einheitlicher Schnittstellen-Standard etablieren, wäre die Kommunikation zwischen Industrie und Handel weitaus weniger komplex. Natürlich würden so auch die Investitionskosten für die Fachhändler*innen sinken. Ich möchte daher an dieser Stelle noch einmal die Zusammenarbeit unter den relevanten Software-Anbietern anregen. Die Einigung auf Standards müsste aber insbesondere von Seiten der Verbände unterstützt und forciert werden. Darüber hinaus sollten sich die Einkaufsverbände langfristig auch untereinander auf einen gemeinsamen Weg einigen. Ein gesunder Wettbewerb unter den Händlern und Verbänden war und ist richtig, aber die enormen Herausforderungen bei der Digitalisierung machen es meines Erachtens notwendig, dass insbesondere die stationären Fach-Einzelhändler*innen und Ihre Einkaufsverbände mindestens auf der Ebene der IT zusammenarbeiten. Vielleicht ist es an der Zeit für eine neue IT-ToyAlliance, damit man mit vereinten Kräften und Budgets ein zukunftsfähiges Warenwirtschafts- und Softwaresystem für alle Facheinzelhändler etablieren kann. Ein System, das sich mit der Industrie vollständig vernetzt und den stationären Einzelhändler*innen darüber hinaus einen einfachen und günstigen Zugang zu allen Onlinekanälen ermöglicht.
Inwieweit haben die Erkenntnisse aus der Pandemie, den Lockdowns, beziehungsweise das „digitale Erwachen“ die Anforderungen an Warenwirtschaftssysteme verändert?
Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit, in einer Zeit des Wandels. Die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Inflation, die Kosten der Energiewende und der sich verstärkende Fachkräftemangel sind hierbei nur die bekanntesten Stichworte. Die Pandemie und der Lockdown haben den stationären Fachhandel vor große Herausforderungen gestellt und parallel den Online-Handel beflügelt. Die digitale Präsenz im Internet mit einem Bestandskatalog – Stichwort Click&Collect – oder einem Online-Shop mit Paket-Versand, das Werben auf den Social-Media Kanälen und nicht zuletzt die Anbindung an die Online-Marktplätze der Verbände sind spätestens seit den Erfahrungen der Pandemie ein Muss für stationäre Fachhändler*innen. Andererseits sind finanzieller und zeitlicher Aufwand für das einzelne kleine oder mittelständische Unternehmen sehr hoch. Zu hoch. Auch deshalb wird dringend eine handhabbare und bezahlbare Branchenlösung benötigt, die aber nach unserer Marktanalyse aktuell noch nicht vollumfänglich existiert.
zumindest eine einheitliche Standardlösung in punkto Warenwirtschaft.
Was „kann“ die aktuelle Version von Busch Data leisten?
Shop Control 3 ist aufgrund der langen Erfahrungszeit innerhalb der Branche ein sehr umfangreiches Kassen- und Warenwirtschaftssystem, das in dieser Version seit zirka zehn Jahren auf dem Markt ist. Das System deckt wichtige Waren-Prozesse der Spielwaren-Fachhändler*innen ab, angefangen von der Artikelverwaltung, über das Bestellwesen bis hin zu sehr nützlichen Auswertungsmöglichkeiten. Die Software ist auch für Händler*innen aus den Bereichen Hobby/Kreativ, Schreibwaren und anderen angrenzenden Branchen geeignet. Selbstverständlich ist eine Anbindung an die Marktplätze der Einkaufsverbände und der Betrieb eines eigenen Onlineshops möglich.
Schwerpunktmäßig arbeiten wir daran, dass insbesondere die Funktionen für den Onlinehandel ausgebaut werden. Hierzu entwickeln wir mit Software-Partnern eine neue anwendungsneutrale Middleware, also eine offene Zwischenanwendung, die den Austausch zwischen einer beliebigen Warenwirtschaftssoftware und den unterschiedlichsten Onlinekanälen managt. Dieses System nennen wir schlicht Online-Plattform. Die Plattform kann auch von anderen Warenwirtschafts-Anbietern genutzt werden, wenn diese mit uns eine entsprechende Partnerschaft eingehen. Wir sehen dies als einen ersten Schritt, damit unterschiedliche und bisher im Wettbewerb stehende Warenwirtschaftssysteme – insbesondere von kleineren Anbietern – mit uns zusammenarbeiten können. Entwicklungskapazitäten und -kosten werden so auf mehrere Schultern verteilt. Ich denke, dieser Ansatz kann zu einer homogeneren digitalen Infrastruktur in der Branche führen und würde sich – bei Erfolg – sehr zum Nutzen für Industrie und Fachhandel auswirken.
Kann man sagen, dass BuschData das im Spielwarenhandel meist verwendete Warenwirtschaftssystem ist?
Uns liegt hierzu kein offizieller Marktüberblick von dritter Seite vor. Wie eingangs erwähnt beobachten wir den Markt aber intensiv. Ein System mit mehr Anwendern in der Spielwarenbranche ist uns nicht bekannt. Eine Markterhebung, vielleicht in Zusammenarbeit mit den Einkaufsverbänden oder einer Fachzeitschrift, wäre sicherlich ein interessantes Projekt, dass wir technisch unterstützen würden. Man kann uns dazu gerne ansprechen.
Mein Fazit: In dieser schwierigen Zeit sollte man die im Markt vorhandenen IT-Fähigkeiten zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des Fach-Einzelhandels bündeln.