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Branchen unter Druck

3. Juni 2022, 10:56

Schon seit einiger Zeit setzt die Globalisierung den Supply Chains zu – und nicht nur die Spielwarenbranche ist von Beschaffungsproblemen, Liefer- und Frachtengpässen, Preissteigerungen und Personalmangel betroffen. Die Kriegshandlungen in der Ukraine verschärfen die Situation deutlich. Wir fragten Branchenteilnehmer: Wie wirkt sich die aktuelle Ukraine-Krise aus?

Derzeit Antworten auf einen Rundruf zu bekommen ist schwierig. In den Unternehmen gibt es Wichtigeres zu tun. War die Situation in den zurückliegenden Jahren schon nicht einfach, so hinterlässt nun der Russland-Ukraine-Krieg tiefe Spuren und stellt Unternehmen vor weitere Herausforderungen. Eine Blitzumfrage, die der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie auf den Weg gebracht hat, ergab, dass 91 Prozent der befragten Unternehmen von diesem Krieg und den Sanktionen mittel- oder unmittelbar betroffen sind.
Das überrascht nicht. Die Spielwarenbranche agiert nicht in einem luftleeren Raum. Sie kann sich explodierenden Energiepreisen, gestörten Lieferketten und einem Mangel an Vorprodukten und Rohstoffen nicht entziehen – wie das Beispiel FSC-zertifiziertes Holz aus Belarus und Russland zeigt. Mitte ­April meldete das Statistische Bundesamt eine Preissteigerungsrate von 7,3 Prozent. Das ist die höchste Inflationsrate im vereinten Deutschland, die je erhoben wurde. Kein Wunder also, dass auch drei Viertel der Spielwarenhersteller die Kosten weitergeben will und muss. Führt das, wie Experten befürchten, zu einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale, wie wir sie aus den Siebziger-Jahren in Folge der Ölkrise kannten?
Das Ergebnis ist offen. Sicher ist hingegen, dass die derzeitige Entwicklung das Konsumklima eintrübt. Wirkte die Pandemie noch als Katalysator für die Spielwarenumsätze, drückt der Krieg auf die Stimmung der Spielwarenhersteller. 54 Prozent erwarten eine deutliche Eintrübung des Konsumklimas bei Spielwaren. Dazu mag beitragen, dass nach den letzten Boom-Jahren die Kin­derzimmer mit Spiel­waren gut ausgestattet sind und der Verbraucher andere Prioritäten setzt oder setzen muss.
Dazu kommt: China ist in diesem Krieg kein neutraler Akteur. Eine klare Distanzierung vom völkerrechtswidrigen Einmarsch fehlt bis zum heutigen Tag. Darf man also noch mit China, das politisch wie wirtschaftlich einen Sonderweg geht, weiterhin Geschäfte machen und wenn ja, wie und in welchem Umfang? Experten warnen vor einer zu großen Abhängigkeit, ohne gleich die Globalisierung in Frage zu stellen. Diese Auffassung teilen auch die befragten DVSI-Mitglieder. Aber das ist wieder ein neues, anderes Thema, dem wir uns in den kommenden Ausgaben der TOYS widmen wollen.


91 Prozent der befragten Unternehmen sind vom Krieg in der Ukraine und den Saktionen unmittelbar betroffen.



Bereits seit Beginn der Pandemie spielen Rohstoffmangel und steigende Energie-
preise in ganz Deutschland, auf europäischer Ebene und sogar weltweit eine große Rolle und stellen Firmen vor besondere Herausforderungen. Die aktuelle Lage befeuert den angespannten Markt noch weiter und das spüren auch wir deutlich. Gerade Holz und Papier sind derzeit entsprechend teurer, was wir als Spieleverlag über kurz oder lang in unsere Planung und Bepreisung mit einbeziehen müssen. Für unsere Marke Selecta setzen wir zwar auf Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, das fast ausschließ­lich aus Deutschland kommt, was ein klarer Vorteil ist. Dennoch ist auch hier das Thema hohe Energiekosten von Bedeutung. Während wir im Bereich der Rohstoff- und Energiebeschaffung die Auswirkungen klar spüren und uns den Herausforderungen stellen müssen, gab es im Bereich Vertrieb und Handel keine allzu großen Änderungen. Denn auch vor 2022 lag unser Kerngeschäft in Mittel- und Westeuropa sowie Übersee, während Osteuropa nur einen geringen Anteil am Gesamtgeschäft einnahm.
Axel Kaldenhoven,
Geschäftsführer Schmidt Spiele GmbH



Aufgrund der Kriegsgeschehnisse mussten wir unsere Niederlassung in Kiew schließen. Jeg­liche Geschäftstätigkeiten dort sind zum Erliegen gekommen und einige Mitarbeiter sind auf der Flucht. Wir stehen weiterhin mit dem ukrainischen Geschäftsführer in Kontakt und sind mittlerweile wieder auf ein niedriges Level zurückgekehrt.
Uwe Weiler,
COO Simba Dickie Group


Bisher wirkt sich die Lage nur mittelbar bei uns aus. Bei Lieferpro­blemen von Kleinteilen oder Zubehör wie Schrauben oder bei Lieferverzögerungen, weil ein Lieferant auf ein Ersatzteil für eine Maschine in der Produktion wartet, kann ich allerdings nicht eindeutig unterscheiden von welchem Ort das Problem ausgeht. Massivholz vom Sägewerk vor Ort ist bisher kein Problem. Der Einkauf von Sperrholz hat bisher noch funktioniert – da rechne ich aber in den nächsten Wochen mit dramatischen Lieferengpässen. Deutliche Preiserhöhungen sind fast schon so selbstverständlich, dass kaum mehr darüber geredet wird.
Christoph Kraul,
Geschäftsführer Spielzeug Kraul


Ein solcher Konflikt verursacht nebst Leid und Zerstörung vor allem Unsicherheit, diese belastet Unternehmen und die Konsumlust gleichermaßen. Natürlich beeinflusst der Krieg auch die Situation an den Rohstoffmärkten und die weltweite Logistik, was wiederum großen Einfluss auf die Preisgestaltung hat. Die Abhängigkeiten vieler Güter, deren Herkunft und die globale Vernetzung unserer Wirtschaft wird uns jetzt wieder einmal bewusst. Wir haben uns mit der abkühlenden Lust am Konsum und mit der problematischen Beschaffung auseinandergesetzt und Maßnahmen für unser Unternehmen ergriffen. Hoffen wir, dass der Konflikt sich nicht weiter auf Europa ausbreitet und dass unsere Branche die Abhängigkeiten in Zukunft aktiv angehen werden.
Peter W. Gygax,
CEO Carletto AG


Wir sind, was Lieferengpässe bei Materialien et cetera angeht, nicht vom Ukrainekrieg betroffen. Wir verarbeiten nahezu ausschließlich Buchen-Vollholz, das wir seit 40 Jahren von Unternehmen aus Deutschland beziehen. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Bedrohung, die von der aggressiven und menschenverachtenden Haltung Russlands ausgeht, betrifft uns menschlich sehr. Dazu kommt: Wir arbeiten in unseren Werkstätten ausschließlich mit behinderten Menschen. Derzeit betreuen und beschäftigen wir rund 800 Menschen mit Behinderungen, die je nach Art ihrer Behinderung, im Verhältnis 1:12 oder 1:3 von sozialpädagogisch geschulten Betreuern, so genannten Gruppenleitern, unterstützt werden. Menschen mit Behinderung sind sehr sensibel und reagieren demzufolge äußerst verängstigt auf die Ereignisse in der Ukraine. Die Erschütterung, die wir alle verspüren, wenn wir Nachrichten hören oder Medien konsumieren, wirken sich auf unsere Beschäftigten noch unmittelbarer und deutlicher aus.
Um diese Situation aufzufangen, um den Beschäftigten beispielsweise Gesprächsangebote zu machen, reicht die derzeitige Zahl an Betreuern nicht aus. Die Folge, ist, dass die Produktion leidet, es Ausfälle gibt, die wir nicht auffangen können. Hatten wir schon durch Corona Produktionsausfälle, so setzt sich diese Situation für uns jetzt unter anderen Vorzeichen fort. Vor allem Beschäftigte mit psychischen Behinderungen leiden extrem unter Ängsten, es ist sehr schwer, diese Mitarbeiter*innen zu motivieren. Wir sehen daher die Entwicklung in der Ukraine, die sich Tag für Tag zuspitzt, in doppelter Hinsicht mit Sorge.
Detlef Schülingkamp,
fagus Holzspielwaren


Wir verurteilen auf das Schärfste die russische Invasion in der Ukraine und die damit verbundene Verletzung der Menschenrechte. Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs haben wir – entsprechend unserer demokratischen Überzeugungen – in Abstimmung mit unserem russischen Distributor all unsere Geschäftstätigkeiten auf dem russischen Markt eingestellt. Das bedeutet, dass wir stationäre und Online-Händler in Russland nicht mehr mit unseren Produkten beliefern. Zudem haben wir alle Media-Investitionen in Russland gestoppt. Auch unser eigener Online-Shop ist in Russland geschlossen. Dies ist für uns natürlich mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden, die jedoch in keiner Relation zu dem Leid stehen, das über das ukrainische Volk gebracht wird. Um einen kleinen Beitrag zu leisten und als Zeichen unserer Solidarität, stellen wir der Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ Produkt- und Geldspenden zur Unterstützung ukrainischer Kinder zur Verfügung. Zudem sind unsere Gedanken bei den vielen russischen Kindern und wir bedauern sehr, ihnen unsere hochwertigen Spielwaren nicht mehr zur Verfügung stellen zu können.
Dirk Engehausen,
CEO Schleich



Wir sind – wie die meisten Spielwarenproduzenten – von den Steigerungen bei den Rohstoffpreisen und Containerfrachtraten betroffen. Dieser negative Trend der letzten zwei Jahre wurde durch den Krieg in der Ukraine noch weiter verstärkt. Größere Engpässe bei der Warenversorgung konnten bislang aber vermieden werden, doch die gestiegenen Kosten mussten wir an unsere Händler in Form von Preiserhöhungen weitergeben.
Willi Schiffner,
Geschäftsführung Epoch Traumwiesen GmbH


Unser Bezug von Sperrholzplatten aus Russland über den deutschen Handel war bereits im vorigen Jahr um 100 Prozent verteuert. Die Preise stiegen nun seit März noch mehr. Es besteht keine Aussicht, dass demnächst weiter Ware von dort bezogen werden kann. Zertifizierungen für russische Waren dürfen nicht mehr verwendet werden. Weitere Material- und Zubehörteile sind derzeit noch nicht stark verteuert. Schnittholz zum Beispiel plus fünf Prozent. Wir rechnen aber mit einer baldigen Verteuerung. Dies nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in allen anderen. Transport und Energiepreise haben bereits angezogen.
Horst Loquai,
Loquai Holzkunst