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Branche: Weiter auf dem Weg zum sicheren Spielzeug

22. Januar 2024, 10:36

Nachdem die EU-Kommission Ende Juli vergangenen Jahres ihren Entwurf für die neue Spielzeugverordnung, die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbare Wirkung zeigen soll, veröffentlicht hat, sind die beteiligten Gremien und Verbände in der Diskussion, um Stellungnahmen und Kompromissvorschläge zu erarbeiten sowie das Ganze auf Praxistauglichkeit zu prüfen. In einem Positionspapier hatte der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) bereits Stellung bezogen und Vorschläge zur Nachbesserung unterbreitet. Nun geht es weiter in der Entscheidungsfindung.

Die hauptsächlichen Änderungen im Kommissionsentwurf betreffen die chemischen Anforderungen an Spielzeuge. Unter anderem sind dies:

  • Die ehemalige Anlage C soll künftig für Spielzeuge aller Altersgruppen gelten, auch in Bezug Bisphenol A, das aus der Liste der Stoffe der Anlage C gestrichen wurde.
  • Die Elementgrenzwerte (EN 71-3) sollen gleich bleiben.
  • Bei Nitrosaminen und nitrosierbaren Stoffen sollen die Grenzwerte auf alle Spielzeuge ausgeweitet werden, nicht nur auf die der Kommissionsentscheidung 2012/160.
  • Die begrenzten Ausnahmen für Verbote von Stoffen mit krebserzeugenden, erbgutverändernden beziehungsweise fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften (CMR) Kategorie 1A, 1B oder 2 sollen gestrichen werden.
  • Neu ist das Verbot von Stoffen mit endokrinen Eigenschaften Kategorie 1 oder 2 und die spezifische Zielorgan-Toxizität der Kategorie 1, entweder bei einmaliger oder bei wiederholter Exposition.
  • Substanzen oder Gemische sollen nur zugelassen werden, wenn ein sicherer Gebrauch gewährleistet ist, keine geeigneten Alternativstoffe oder -mischungen verfügbar sind und der Stoff oder das Gemisch gemäß REACH nicht für die Verwendung in Verbraucherartikeln verboten ist.
    Außerdem soll die Kommission befugt werden, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen einen angemessenen Schutz vor bestimmten chemischen Stoffen zu gewährleisten.

Chemische Eigenschaften
Für chemische Eigenschaften gibt es auch Ausnahmen, die im Kommissionsentwurf enthalten sind. Das sind beispielsweise

  • das unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Vorhandensein eines Stoffes oder Gemisches,
  • Nickel in Edelstahl und Spielzeugteilen, die elektrischen Strom leiten,
  • Stoffe, für die bestimmte Grenzwerte gelten (Elemente der EN 71-3, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe, Duftstoffe, ehemalige Anlage C – außer Bisphenol A, dessen Anforderungen künftig für alle Spielzeuge gelten soll),
  • Batterien in Spielwaren,
  • Bestandteile von Spielwaren, die für die elektronische oder elektrische Funktion erforderlich sind, wenn der Stoff oder das Gemisch für Kinder völlig unzugänglich ist und auch nicht eingeatmet werden kann,
  • wenn ein Gutachten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) bestätigt, dass die Verwendung sicher und alternativlos ist und die Verwendung von Stoffen in Verbraucherartikeln gemäß REACH nicht verboten ist.

Warnhinweise
Hinsichtlich der Warnhinweise und der Kennzeichnung sieht der Kommissionsentwurf folgende Neuerungen vor:

  • Es muss nicht mehr zwingend das Signalwort „Achtung“ in allen Sprachen geschrieben werden, ein Warndreieck genügt. Außerdem ist keine Pluralform wie in der bisherigen Richtlinie 2009/48/EG, angedacht, wenn es sich um mehrere Warnhinweise handelt.
  • Die CE-Kennzeichnung muss in der Nähe der Warnhinweise angebracht werden.
  • Neben Name und Kontaktanschrift müssen Hersteller und Importeur künftig auch eine „elektronische Adresse“ auf dem Spielzeug angeben.

Digitaler Produktpass
Der neue Digitale Produktpass muss folgende Anforderungen erfüllen:

  • Er soll die bisherige EG-Konformitätserklärung ersetzen.
  • Die technischen Anforderungen des Produktpasses sollen per „Implementing acts“ festgelegt werden.
  • Im digitalen Produktpass sollen alle besorgniserregenden Stoffe im Spielzeug genannt werden.

Beratungphase
Anfang Oktober 2023 hat der erste Austausch zwischen Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission stattgefunden, Rat und Parlament haben ihre Arbeit zur Gesetzgebung ebenfalls im Oktober aufgenommen. Auch die Ratsarbeitsgruppe Technische Harmonisierung (Spielzeugsicherheit) tagte zum Thema und die Mitgliedstaaten sagten grundsätzlich ja zur Novellierung, insbesondere zur Umwandlung der Rechtsgrundlage in eine Verordnung, machten jedoch grundsätzlich Prüfvorbehalte geltend. In der Arbeitsgruppe des Europäischen Rats war der Digitale Produktpass Thema. Fünf EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Österreich und Irland, sprachen sich im Rahmen der Ecodesign Legislation (ESPR) gegen die Verpflichtung zur automatischen Überprüfung digitaler Produktpässe aus.
Die Arbeit des Europäischen Parlaments an einer Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission wurde auf zwei seiner Ausschüsse aufgeteilt: den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und den Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI), der für die Bestimmungen im Zusammenhang mit Chemikalien zuständig ist. Dabei kamen auch die nationalen Verbände ins Spiel. Der DVSI und seine Mitgliedsunternehmen haben deutsche Mitglieder des Ausschusses mit der Position der deutschen Spielwarenindustrie kontaktiert und Gespräche angeboten. Diese fanden mit einer Delegation der deutschen Spielwarenindustrie unter Führung von DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil in Brüssel statt. Im Rahmen eines Besuches bei Ravensburger sprach MEP Norbert Lins (Mitglied ENVI, CDU) mit dem DVSI über den Vorschlag für die neue Spielzeugverordnung, dabei unterstrich der Verband noch einmal die Position der Spielwarenindustrie.

Empfehlungen und Stellungnahmen
Nach Ansicht der Ausschussmitglieder des IMCO sollten die unklaren Anforderungen an die psychische Gesundheit sowie die neuen ausgeweiteten akustischen Sicherheitsanforderungen im Entwurf der neuen Spielzeugverordnung gestrichen werden. Die Streichung dieser beiden Punkte fordert der DVSI unter anderem auch in seinem Positionspapier. Statt der vagen Begriffe der psychischen Gesundheit und der kognitiven Entwicklung sollen die ursprünglich geforderte „Cybersecurity“, also „Datensicherheit“ und der „Schutz der Privatsphäre“ eingefügt werden. Weiter wurde vorgeschlagen, die Ausnahmeregelung für das vollständige Verbot von Stoffen und Gemischen in unzugänglichen Komponenten und Materialien wieder einzuführen.
Parallel zu den Beschlussempfehlungen des federführenden IMCO-Ausschusses hat der ENVI – Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, der für die meisten Bestimmungen in Zusammenhang mit Chemikalien zuständig ist, seine Änderungsvorschläge zur neuen Spielzeugverordnung veröffentlicht. Diese wiederum wurden vom DVSI und von Toy Industries of Europe (TIE) analysiert. Die Kernpunkte sind:

  • Ausdehnung des vollständigen Verbots bestimmter Schadstoffe auf hautsensibilisierende Stoffe, Stoffe der Kandidatenliste für Beschränkungen (SVHC) und Stoffe, für die es Umweltbedenken gibt.
  • Vollständiges Verbot von Aluminium und anderen chemischen Elementen (Cadmium, Chrom VI, Blei und Quecksilber) auf der Grundlage des Gehalts (Grenzwert auf dem Niveau der analytischen Nachweisgrenze). Damit wird es künftig erheblich schwieriger, Ausnahmen von vollständigen Verboten zu beantragen, wenn kein Risiko besteht. Unternehmen werden verpflichtet, Substitutionspläne für Stoffe zu veröffentlichen.
  • Kennzeichnung von Spielwaren, bei denen es sich um Gemische handelt (insbesondere wasserbasierte Spielwaren wie zum Beispiel Fingermalfarben) analog zur Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Kosmetika.
  • Reduzierung der Anzahl der Konservierungsstoffe, die verwendet werden dürfen.
  • Verbot von Duftstoffen in Spielwaren.

Besonders die Änderungsvorschläge, die ein Verbot von Aluminium, Cadmium, Chrom VI, Blei und Quecksilber vorsehen und Ausnahmen nur möglich machen, wenn ihre Verwendung bei Herstellung von Spielzeugen technisch unvermeidbar ist und die „Dosis“ nicht die Nachweisgrenze überschreiten würde, wurden allerdings teilweise als sehr irritierend aufgenommen.

Weiter in der Prüfung
Die Abstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) zum Vorschlag der Europäischen Kommission für die Spielzeugverordnung und der eingebrachten Kompromissvorschläge hat am 24. Januar 2024 stattgefunden. Allerdings war schon davor aus dem Umfeld der Europäischen Kommission herauszuhören, das unter anderem das Verbot von Aluminium voraussichtlich von der Liste genommen wird. Sollte dies zutreffen, fände der DVSI dies ausgesprochen begrüßenswert, denn ein Verbot würde bedeuten, dass einige Spielwaren vom Markt verschwinden. Weiterhin liegen im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) mittlerweile zahlreiche Änderungen vor, die im Kreis von Toy Industries of Europe (TIE) geprüft werden.
Der DVSI setzt seine Dialog-Reihe mit den deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes (MEP), dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, dem Bundesinstitut für Risikobewertung und der Marktüberwachung fort. Ulrich Brobeil wird den Besuch von Marion Walsmann, Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatterin des IMCO, und Marlene Mortler, Mitglied des Europäischen Parlamants, auf der Spielwarenmesse nutzen, um die Spielzeugverordnung zu diskutieren. Außerdem wird die Europäische Kommission in Nürnberg vor Ort sein und verschiedene Hersteller besuchen.