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Branche: Value of Play

21. November 2024, 8:00

Spielen im Kontext von Politik und Gesellschaft

Deutschland gilt weltweit als Land der Dichter und Denker, als Wiege der Ingenieurskunst und Geburtsstätte zahlreicher Erfindungen, die die Welt veränderten. Weniger bekannt ist, dass Deutschland auch weltberühmt für das Kulturgut Spiel ist. „German Games“ ist ein globales Markenzeichen: Die Welt spielt nach deutschem Vorbild. Umso wichtiger, dass die Spielwarenindustrie als Teil der Kultur und Kreativwirtschaft anerkannt wird. Mit der Initiative Value of Play macht sich der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie dafür stark.

Mit dem nahenden Weihnachtsfest und dem bevorstehenden Jahreswechsel entdecken die Menschen die Kraft des Wünschens. Der DVSI macht da keine Ausnahme. Seit langem wünscht er sich, dass die Spielwarenindustrie als Teil der Kultur und Kreativwirtschaft anerkannt wird. Um dieses Ziel zu konkretisieren und argumentativ darzustellen wurde das Positionspapier „Value of Play“ aufgesetzt. Dazu DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil: „Der ‚Value of Play‘ für die Gesellschaft und ihre Mitglieder umfasst pädagogische, psychologische, soziologische und gestalterische Aspekte. Mit der Aufnahme als zwölften Teilmarkt in die Kultur- und Kreativwirtschaft würde ein wichtiger Impuls gesetzt, um die gesellschaftliche Relevanz der Branche zu stärken. Nicht zuletzt ist die deutsche Spielwarenindustrie ein bedeutender Wirtschaftszweig, der durch Innovationskraft und Qualität weltweit konkurrenzfähig bleiben soll. Durch die Anerkennung der Spielwarenbranche als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft kann ihre gesellschaftliche Relevanz weiter gestärkt und die Innovationskraft der Branche gefördert werden.“ In Anlehnung an die international geltende Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft wurde die Software-/Games-Industrie bereits als Teilmarkt in die Kultur- und Kreativwirtschaft einbezogen. Brobeil wünscht sich das auch für Spielwaren.

Das Positionspapier des DVSI baut auf vier Säulen:

  • Die Aufnahme der Spielwarenbranche als zwölften Teilmarkt in die Kultur- und Kreativwirtschaft wäre eine Investition in das Wohl der nachwachsenden Generationen. Wir sind Kultur. Wir sind kreativ. Wir sind Wirtschaft.
  • Die Aufnahme von Spielzeug als kulturellem Gut in den Kulturpass würde jungen Menschen den Zugang zu kulturellen Angeboten ermöglichen und sie spielerisch mit unserem kulturellen Erbe in Berührung bringen.
  • Es besteht kein Zweifel, dass Spielen, Lernen und Bildung von frühester Kindheit an, eng miteinander verbunden sind und sich wechselseitig stützen. Doch bislang fehlt es an fundierten und differenzierten wissenschaftlichen Analysen, wie dieses Potenzial, insbesondere durch die Gestaltung und den Einsatz von Spielmitteln, genutzt werden könnte. Der DVSI würde sich mehr wissenschaftliche Expertise und ein Institut wünschen, das genau diesen Fragen nachgeht.
  • Gerade im schulischen Bildungsangebot bekommt das Spielen als wichtiger und grundlegender Lernantrieb zu wenig Aufmerksamkeit. Der DVSI wünscht sich mehr Unterstützung bei der Schaffung von Spielexpertise für Pädagogen. Ziel wäre es, Lehrkräfte dahingehend zu qualifizieren, spielerische Elemente gezielt in den Unterricht zu integrieren.

Monitoring der Initiative Kulturund Kreativwirtschaft
Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung führt ein kontinuierliches Branchenmonitoring durch. Die jährlich erscheinenden Monitoringberichte analysieren die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Gesamtwirtschaft und stellen die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie ihrer Teilmärkte anhand wirtschaftlicher Kennzahlen dar. Ergänzend dazu beinhalten die meisten Jahresberichte ein Schwerpunktthema.


Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu steigern, hat die Bundesregierung im Jahr 2007 die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft gestartet. Koordiniert wird die Initiative vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Staatsministerin für Kultur und Medien. Ziel der Initiative ist, die Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken und das Arbeitsplatzpotenzial noch weiter auszuschöpfen.
kultur-kreativ-wirtschaft.de


Spielwaren als Wirtschaftsfaktor
Die Spielwarenindustrie ist zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig herangewachsen. Mit 606 mittelständischen Unternehmen und circa 10.000 Beschäftigten stellen deutsche Spielwarenhersteller einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Kaum eine andere Branche ist so vielfältig und adressiert Menschen jeden Alters. Rund 2.500 Spielwareneinzelhändler garantieren eine bundesweite Nahversorgung. Der Umsatz in Deutschland lag 2023 bei 4,6 Milliarden Euro.

Am Anfang ist das Spiel
Die herstellenden Unternehmen sorgen mit bemerkenswerter Innovationskraft dafür, dass Kindern gute Spielwaren zur Verfügung stehen. Wie wichtig dieser Aspekt nachgerade im Kontext einer drohenden Spaltung unserer Gesellschaft ist, unterstreicht Ulrich Brobeil nachdrücklich: „Wenn wir den Integrationsgedanken in die Tat umsetzen wollen, müssen wir – Staat und Zivilgesellschaft – alles dafür tun, dass Kinder ungeachtet ihrer Herkunft Zugang zu Spielen haben.“ Spielen zählt zu den wichtigsten Kulturtechniken der Menschheit. Es durchzieht das ganze Leben. Spielen als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft scheint demnach das Selbstverständlichste auf der Welt zu sein.

Spielwaren-Know-how in der Pädagogik
Seit 18 Jahren ist das dem DVSI angegliederte Branchenprojekt „Spielen macht Schule“ die Anlaufstelle, wenn sich Lehrkräfte Unterstützung in Sachen Value of Play wünschen. Dank dieser Initiative profitierten bereits mehr als 3.400 Schulen (rund 880.000 Kinder) von diesem Projekt. Das Ziel von „Spielen macht Schule“ besteht darin, Lehrkräfte dahingehend zu qualifizieren, spielerische Elemente gezielt in den Unterricht zu integrieren.

Spielwaren als integratives Element
Integration beginnt beim Spielen. Deutschland ist heute ein Einwanderungsland. 2023 hatten rund 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. In einer multikulturellen Gesellschaft wirken Spielwaren als verbindendes Element. Die Vielfalt, die in Spielwaren abgebildet wird, spiegelt die Lebenswirklichkeiten der unterschiedlichen Kulturen. Gemeinsam spielen eröffnet einen Dialog und fördert gegenseitiges Verstehen und Wertschätzen.
Die bunte Welt im Kinderzimmer, ist vorurteilsfrei. Inklusive Spielwaren spiegeln die Vielfalt der realen Welt wider und fördern frühzeitig Akzeptanz, Toleranz und gegenseitiges Verständnis. 

Spielwaren stärken die mentale Gesundheit
Höher zu bewerten als volks- und betriebswirtschaftliche Kennziffern ist der immaterielle Mehrwert, den Spielwaren zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen. Das zeigte sich in der Pandemie, als Spielwaren einen Nachfrage-Boom erlebten und viele Erwachsene ein Hobby aus der Kindheit wieder entdeckten. Ein Trend, der sich in einer neu definierten, kaufkräftigen Zielgruppe wiederfindet, den Kidults. Während die Kidults 2019 noch für 23,4 Prozent der Umsätze verantwortlich waren, waren es 2022 schon 28 Prozent (Quelle: Circana).

Politik vom Kind aus denken
Die Spielwarenbranche sollte anerkannt, politisch wahrgenommen und ideell unterstützt werden. Kinder und Jugendliche haben mehr Förderung, mehr Gehör und Mitspracherechte in der Gesellschaft verdient.
Gesellschaft und Politik sind gefordert, Verantwortung für die nachfolgenden Generationen zu überneh­men. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gutes Aufwach­sen, egal in welcher Familienform oder sozialen und finanziellen Situation ihre Eltern leben. Staat und Gesellschaft müssen ihnen das zur Verfügung stellen, was sie in ihrem jeweili­gen Alter für ein gutes Leben sowie gegenwärtige und zukünftige Teilhabe brauchen. Dafür gibt es in Deutschland noch viel Raum für Verbesserung, meint Ulrich Brobeil …

dvsi.de


3 Fragen an … Ulrich Brobeil, Geschäftsführer DVSI

Ulrich Brobeil, Geschäftsführer DVSI

Herr Brobeil, Spielwaren und Spiele sind mehr als ein reines Wirtschaftsgut. Sie haben, um das zu unterstreichen, mit dem DVSI das Positionspapier ‚Value of Play‘ aufgelegt. Welches konkrete Ziel verfolgen Sie damit?
Als Wirtschaftsfaktor spielt die Spielwarenbranche eher eine marginale Rolle im Konzert der umsatzstärksten Wirtschaftszweige in Deutschland. Spielen kommt dafür aber in der Kulturgeschichte der Menschheit eine herausragende Bedeutung zu. Unsere auf Effizienz und Effektivität ausgerichtete Gesellschaft bringt diesem Urphänomen aber nicht die gebührende Wert­schätzung entgegen, die dem Spielen in Wahrheit gebührt. Das muss sich ändern. Und dass Spielen einen engen Zusammenhang zu Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsprozessen aufweist, steht auch außer Frage. Spielzeug kann nicht nur aus entwicklungspsychologischer Sicht eine pädagogische Bedeutung für Lernprozesse zugesprochen werden, sondern auch ein kreativer Wert, was unter anderem in den Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit nachzulesen ist: „Im Spiel wird eine eigene Realität im Denken und Handeln konstruiert – bis zu den Grenzen der eigenen Fantasie ist alles möglich.“

Sie befinden sich mit dem DVSI und seinen Mitgliedsunternehmen im Monitoring-Prozess der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. Das generiert Aufmerksamkeit und Attraktivität für die Gesamtbranche. Wo sehen Sie weitere Vorteile?
Wie gesagt, die gesellschaftliche Bedeutung von Spielzeug und Spielen lässt sich nicht an ihrer wirtschaftlichen Größe bemessen. Der DVSI wünscht sich deshalb vor allem mehr Sichtbarkeit für die Branche und die Einsicht, das Spielen ein kostbares Gut ist, dass es zu pflegen und zu fördern gilt. Gerade die Nachwirkungen der Pandemie zeigen doch, was passiert, wenn die Bedürfnisse von Kindern aus dem Blick geraten.

Wie darf man sich diesen Monitoring-Prozess im Einzelnen vorstellen?
Kultur ist ein sehr heterogener Begriff, der nur schwer zu fassen ist, denn im Alltag wird er in ganz unterschiedlichen Bedeutungen und Kontexten verwendet. Gerade diese Be­deutungsvielfalt des Kulturbegriffs macht eine Zu- und Einordnung schwierig. Zählen zum Beispiel Unter­nehmen, die sich für den Aufbau und Betrieb von Medien- und Veranstaltungstechnik für Kunstschaffende spezialisiert haben, ebenfalls dazu? Sind Spielwarendesigner dem Markt Designwirtschaft zuzuordnen? Sind alle Aspekte eines Teilmarktes der Kultur- und Kreativwirt­schaft wirklich erfasst oder braucht es gar einen neuen Teilmarkt, wie es sich der DVSI für die Spielwarenbranche wünscht. Der DVSI ist der Überzeugung, dass es sich bei Entwicklung und Design von Spielwaren um eigenständige kreative Leistungen handelt, die nicht vergleichbar sind mit anderen Teilmärkten, etwa dem der Designwirtschaft, weil Spielzeugdesign anderen Gesetzen gehorcht. Über die Aufnahme als zwölfter Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft entscheidet am Ende die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder auf Basis dieses Monitoring-Prozesses.


Staatssekretär Michael Kellner

Politik, Industrie, Handel, Wissenschaft und natürlich Spieleautoren folgten der Einladung des DVSI zu einem Gedankenaustausch über die wirtschaftspolitischen Herausforderungen der mittelständischen Branche sowie der Rolle des Spielens im kulturellen und gesellschaftlichen Kontext. Stargast am 3. Oktober in Essen war BMWK-Staatssekretär Michael Kellner. Die Themen des multilateralen Roundtable-Dialogs: so vielfältig wie die Spielwarenbranche selbst. Im Fokus standen – natürlich – das DVSI-Kürthema Value of Play sowie die Verankerung der Branche als zwöfter Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Staatssekretär Michael Kellner, sichtlich beeindruckt von der Spiel – O-Ton: „Wo kommen denn die ganzen Leute her?“ –, sagte seine Unterstützung zu. Kellner sieht die Branche als Teil der KKW und will als integrativer DVSI Botschafter des Spielens in die Fußstapfen von Prof. Monika Grütters und Annalena Baerbock treten. Der nächste Termin in Berlin ist in Vorbereitung.
Im Oktober 2022 wurde Michael Kellner Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft liegt mir persönlich sehr am Herzen. Ich sehe es als meine Aufgabe, für die Belange der Branche ein offenes Ohr zu haben – gerade auch in diesen herausfordernden Zeiten. Zudem ist mir wichtig, die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Impulsgeberfunktion für andere Wirtschaftszweige sichtbarer zu machen.“


Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, sieht Kulturpolitik eher pragmatisch. Als Ulrich Brobeil ihm beim persönlichen Gespräch in Berlin plausibel machte, warum auch die Spielwarenbranche Teil der Kulturindustrie ist, zeigte das Wirkung beim Fan und Sammler von Experimentierkästen. Olaf Zimmermann erwies sich als sehr offen für die Anliegen des DVSI: „Das könnte schon eine ganze Menge mit uns zu tun haben.“