Branche: Umsatz auf der Bremse
Nach einer recht positiven Geburtenentwicklung in den vergangenen zehn Jahren und dem „Corona-Boom“ in Deutschland im Jahr 2021 hat sich die Zahl der Geburten 2022 erstmals wieder deutlich verringert. In der Kinderausstattungsbranche macht sich dies durch ein gebremstes Umsatzwachstum bemerkbar.
Im Jahr 2021 ist der Markt für Baby- und Kinderausstattung durch die leicht steigende Geburtenrate und bereits einsetzende Nachholeffekte gegenüber dem ersten Coronajahr 2020 um mehr als fünf Prozent gewachsen (2020: – 5,2 Prozent). 2022 bremst dagegen offensichtlich nicht nur die rückläufige Geburtenzahl die Ausgaben im Bereich Baby- und Kinderausstattung.
„Starke Preisanstiege vor allem bei Energie und Lebensmitteln verschieben die Ausgabenprioritäten. Hinzu kommt ein weiterer Markttrend: Vor dem Hintergrund der Klimaveränderungen liegt mittlerweile ein größeres Augenmerk auf der Ressourcenschonung durch die längere Verwendung von Kinderausstattung – sei es durch „Vererben“ unter Geschwistern oder Freunden oder die Nutzung von Secondhand-Produkten. Bei qualitativ hochwertiger und stylisch angesagter Kinderausstattung fällt die Entscheidung für eine Mehrfachnutzung leicht“, so Hansjürgen Heinick, Branchenexperte für Baby- und Kinderausstattung am IFH (Institut für Handelsforschung) Köln.
Im Bereich der Kinderbekleidung ist für das Jahr 2022 ein deutlich abgeschwächtes Umsatzwachstum erkennbar. Ein verlangsamtes Wachstum dürfte aber auch weitere Ausstattungsprodukte treffen, so die Einschätzung des IFH Köln. Insgesamt wird der Marktumsatz für Baby- und Kinderausstattung 2022 aber das Vorkrisen-Niveau von 2019 wohl erkennbar übertreffen.
Prognosen
Während im Laufe des Jahres 2023 die Preiseffekte abnehmen dürften, könnte die Bedeutung von Secondhand & Co. weiter zunehmen. Unklar ist auch, inwiefern Unsicherheiten im Hinblick auf Heizungen und Energiesparmaßnahmen für den Wohnraum die Normalisierung der Budgetverteilung in privaten Haushalten weiter hinauszögern. So ist zwar nicht mit weiteren Umsatzrückgängen zu rechnen, aber auch nicht mit starken Wachstumssprüngen. Nach Einschätzung des IFH Köln erscheint ein insgesamt eher moderates Marktwachstum realistisch.
„Die Lust auf
Beratung ist da, doch es fehlt an Personal.“
Ich stelle fest, dass werdende Eltern und junge Familien nach den Pandemiejahren mit einem Übermaß an Onlineshopping jetzt wieder Spaß daran haben, im Geschäft einzukaufen. Sie wollen auch gerade bei der Kinderausstattung wieder persönlich beraten werden. Aber das können weder der Handel noch die Brands aktuell wirklich zufriedenstellend bieten. Dafür fehlen entsprechend geschultes Personal und generell ausreichend Mitarbeitende.
Auch die Verbrauchermessen unserer Branche – etwa die Baby+Kind in Freiburg im März – zogen eine große Zahl von Besuchern an. Die Aussteller*innen waren dagegen noch etwas spärlich vertreten.
Generell sind das Innovationslevel und die Bereitschaft, etwas zu wagen und neue Wege zu gehen, in der Kinderausstattungsbranche eher gering, finde ich. Dabei ist der Wandel da – neue Vertriebskonzepte sind gefragt und neue, wirklich nachhaltige Produkte. Aber der recycelte Windeleimer darf eben auch nicht das Doppelte kosten – sonst bleibt er ein Ladenhüter. Nachhaltigkeit hin oder her.
„Wir werden unsere Zukunft wieder
aktiv gestalten.“
Entlastung bei den Logistikpreisen
Aktuell freuen wir uns, endlich wieder agieren, statt überwiegend nur auf äußere Faktoren reagieren zu können. Wir konzentrieren uns im Moment wieder voll und ganz darauf, die Zukunft aktiv zu gestalten. Dass es so ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Da ist einerseits die Rückkehr zur „Normalität“ nach den Jahren der Pandemie. Aber vor allem auch die Rückkehr zu den gewohnten Logistikpreisen. Die angespannte Lage auf dem Logistikmarkt haben wir deutlich zu spüren bekommen, mit Preisen, die teils zehnmal so hoch waren wie vor der Krise.
Das war eine enorme Belastung, nicht nur finanziell. Wir sind bei zeitsensiblen Lieferungen wie etwa deutschlandweite Aktionen mit großen Drogerieketten unter Druck geraten, wenn Produkte in den Regalen stehen sollten – die Container aber nicht rechtzeitig oder nur kurz vor Aktionsbeginn ankamen. Dann ist es doppelt ärgerlich, wenn die hohen Logistikpreise auch noch die Marge „auffressen“. Dabei mussten wir hin und wieder Plus-Minus-Null-Geschäfte und sogar Verluste in Kauf nehmen, die wir über Eigenkapital refinanziert haben, um unseren Kund*innen weiter attraktive Preise anbieten zu können. Doch auch wir mussten einige Preise anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese sind jedoch fair kalkuliert, deshalb haben sowohl Handel als auch Endverbraucher*innen positiv darauf reagiert.
Da die Produktionszeiten wieder planbarer sind und Ware innerhalb zugesagter Zeiträume verfügbar ist, können wir wieder gewohnt verlässlich gegenüber unserem Handel und unseren Kundinnen und Kunden agieren.
Mit den gesunkenen Logistikpreisen eröffnet sich wieder mehr Spielraum, um zu investieren – zum Beispiel in personelles Wachstum, Produktentwicklungen, Prozessoptimierungen und Webseitenfunktionalitäten.
Persönlicher Austausch ist wieder möglich
Darüber hinaus freut es uns sehr, nach über zwei Jahren endlich wieder unsere europäischen und weltweit verteilten Produktionsstätten besuchen zu können. Wir kommen gerade aus Asien zurück und viele weitere Reisen sind bereits geplant. Wir pflegen seit Bestehen unseres Unternehmens einen engen und persönlichen Austausch mit unseren Produktionsstätten. Dass dieser Kontakt so lange nur digital möglich war, hat die Zusammenarbeit vor einige Herausforderungen gestellt, da der persönliche Austausch und der Feinschliff an Produkten vor Ort einfach unglaublich wichtig sind.
Bei Kindsgut liegen uns auch sinnstiftende Marketingmaßnahmen sehr am Herzen, sowohl intern als auch extern. Sei es das Engagement für verschiedene Charity-Einrichtungen, der Fokus auf nachhaltige Projekte oder auch Teambuildingmaßnahmen und Weiterbildungsangebote. Durch die wirtschaftliche Entspannung haben wir hier nun wieder mehr Ressourcen zur Verfügung und das macht uns wirklich sehr glücklich. Wir blicken also voller Tatendrang und sprudelnd vor Ideen in die Zukunft, die wir wieder aktiv gestalten werden!
Der Babyfachhandel hat es momentan nicht einfach. Es fehlt vor allem an gut ausgebildetem Personal. Viele haben sich während der Pandemie andere und eventuell besser bezahlte Jobs gesucht, bei denen samstags nicht gearbeitet werden muss. Manche Händler haben sich bewusst von Verkaufspersonal getrennt, weil der Umsatz fehlt. Auf der anderen Seite gibt es dann auch weniger Umsatz, weil für die Beratung weniger Personal zur Verfügung steht. Und jeder weiß wie schwierig es aktuell ist, bei Bedarf erneut Verkäuferinnen und Verkäufer einzustellen.
In der Corona-Pandemie ging es zumindest den Fachgeschäften durch Nachholkäufe lange noch relativ gut. Personal kehrte zunächst aus der Kurzarbeit wieder in Vollzeit in die Geschäfte zurück. Aber seit mehr als einem Jahr mit all den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine – hohe Energiekosten, Preissteigerungen in allen Bereichen, Inflation – wird der Personalrückgang auch im Handel deutlich – und als Gegenmaßnahme begannen die Terminberatungen für die Kunden.
„Man muss mehr Chamäleon sein als je zuvor.“
Manche Fachhändler reagieren auf diese Problematik mit Terminangeboten für Beratungsgespräche. Werdende oder junge Eltern machen hier Termine aus, die ihnen zum Teil ganz gezielt an bestimmten Wochentagen angeboten werden. Sie lassen sich dann beratungsintensive Produkte wie Kinderwagen und Autokindersitze oder auch Pflegeprodukte erklären. Es geht dabei um Materialien, Sicherheit und Bedienung. Die Summe, die Kundinnen und Kunden nach so einem Gespräch ausgeben, ist im Schnitt deutlich höher als ohne das geplante, persönliche Beratungsgespräch.
Zu den Händlern, bei denen Kundinnen und Kunden Termine vereinbaren können, gehören unter anderem in Österreich die „Babypromenade“ in Pasching und das „Glückswagerl“ in Jenbach, in Deutschland „Princess“ in Metzingen, das „Baby Center Karlsruhe“, die „Zwergperten“ in Witten und Neuwied, „Baby Wirth“ in Dillingen, „Deltakids“ im schweizerischen Rüti und die „BabyOne“-Babymärkte im Allgemeinen.
Aber auch festgelegte Beratungsgespräche ändern nichts an der Tatsache, dass es heute einen größeren Anteil von Kunden gibt, die sich auf dem Secondhand-Markt für Kinderprodukte oder bei Mietplattformen umsehen und dort fündig werden.
Neue Produkt-Features erhöhen den Beratungsbedarf
Was dem Verkaufspersonal die Beratung nicht einfacher macht, ist, was ich „kontraproduktiv gesteigerte Innovation“ nenne. Die großen Hersteller bringen viele neue Produkte heraus, mit Features, die keinen Mehrwert haben und den Verkäufern die Beratung nicht einfacher machen, außerdem den Erklärungsbedarf bei werdenden Müttern und Vätern erhöhen, die mit Kinderausstattung bislang noch nichts zu tun hatten. Dazu kommt, dass man für all diese Produkte Flächen im Handel bereitstellen muss.
Der Kreislauf ist nicht mehr so rund wie früher. Man kann momentan gar nicht sagen, welcher Weg falsch oder richtig ist, weil sich so viel so schnell ändert. Wichtig ist, dass beide – Hersteller und Handel – an einem Strang ziehen und sich auf kurzem Weg verständigen. Man muss mehr Chamäleon sein als je zuvor.