Branche: Langfristig mehr Umsatz

4. April 2025, 15:36

Langfristig mehr UmsatzNeu oder gebraucht, vermietet und oft später gekauft – Kinderausstattung wird heute von jungen Eltern in vielfältigeren Konstellationen genutzt und erworben als je zuvor. Nicht nur Kleidung, auch Kinderwagen, Möbel und Spielzeug befinden sich immer häufiger in einem Kreislauf aus Vermietung, Kauf und Wiederverkauf. Mit welchen Konzepten Hersteller und Händler dem Trend entsprechen, wird an den Zukunftsmodellen relend von Jesper Frandsen aus Bayreuth und hey little von Sebastian und Mona-Lisa Enzinger aus Baiersdorf deutlich.

Mona-Lisa und Sebastian Enzinger, hey little
Jesper Frandsen, relend

Herr Frandsen, Herr Enzinger, Sie hatten beide eine ähnliche Idee: Zusätzlich zu einem erfolgreichen Unternehmen für Kinderausstattung, haben Sie jeweils ein Miet- bzw. Kaufportal für Kinderprodukte gelauncht. Was ist kurz erklärt das Konzept von relend und hey little?
Frandsen: relend ermöglicht es dem stationären Einzelhändler ohne Risiko am Zukunftsmodell „Vermietung“ teilzuhaben. Nutzt der Fachhändler unsere Plattform, kann er seinen Kunden neben dem Kauf eine weitere Dienstleistung, die Vermietung, anbieten. Und das ohne Risiko und Kosten für den Händler. relend bietet den Rundum-Service: Wir stellen die Software und kümmern uns um Payment, Refurbishment, Logistik, Versand und Rückversand. Der Händler profitiert von der zusätzlichen Dienstleistung und jeder Vermietung; die Familien von der Beratung und Betreuung vor Ort. Das Konzept hat auch einige große Marken überzeugt, die wir bereits mit an Bord haben.
Enzinger: Mit hey little haben wir eine innovative Mietplattform für Baby- und Kinderartikel geschaffen, auf der Familien flexibel ab einem Monat mieten oder gebrauchte Artikel direkt kaufen können. Neben der Miete und dem Sofortkauf bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, ihre gemieteten Produkte in einen Kauf umzuwandeln. Dabei rechnen wir bis zu drei Monatsmieten auf den Kaufpreis an – und gewährleisten maximale Flexibilität im Familienalltag.

Herr Enzinger, Sie haben mit Ihrem ersten Unternehmen Wunderwiege bereits von Anfang an, ab 2021, auf ein Kauf- und Mietkonzept gesetzt. Bei einer hochwertigen Federwiege, die meist nur kurz genutzt wird, liegt das auch nahe. Was hat Sie überzeugt, dass Kinderausstattung auch in der Breite über ein Mietmodell funktioniert?
Enzinger: Als Eltern von zwei Töchtern wissen meine Frau und ich, wie turbulent das Leben mit Kindern manchmal sein kann und wie schnell sich die Bedürfnisse verändern können. Kaum haben wir gedacht, wir hätten die perfekte Lösung gefunden – sei es der Reisebuggy oder die bequeme Babytrage – ändert sich schon wieder alles. Und der Buggy liegt nur noch ungenutzt im Keller und nimmt Platz weg. Das und der Erfolg der Wunderwiege, insbesondere in der Vermietung und den Erfahrungen, die wir durch zehntausende Vermietungen gesammelt haben, lassen mich daran glauben, dass unser neues Konzept ein voller Erfolg sein wird.

Sie bieten Eltern über hey little neue, aber auch gebrauchte Kinderprodukte an. Wo liegt der Mehrwert im Vergleich zu anderen Online-Plattformen wie kleinanzeigen oder eBay?
Enzinger: Bei uns gibt es kein Risiko! Weder fehlende Gewährleistungen, nerviges Verhandeln oder Betrügereien. Kunden von hey little mieten oder kaufen geprüfte, gereinigte und gewartete Produkte, die garantiert funktionieren und nach Herstellerempfehlungen aufbereitet wurden. Zusätzlich stehen wir bei Fragen, Unsicherheiten oder Problemen unseren Kunden gern und jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.

Herr Frandsen, Sie haben sich mit Ihrem Erst-Unternehmen Tradewell auf den Vertrieb hochwertiger Kinderprodukte aus Skandinavien wie Modu, Membantu oder Moova spezialisiert. Sie kennen daher nicht nur die Wünsche der Hersteller, sondern auch die des Handels sehr gut; und als dreifacher Vater auch die Wünsche heutiger Eltern. Warum ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Projekt wie relend?
Frandsen: ReCommerce verzeichnet immer stärkere Wachstumszahlen. Es ist ein Trend, der auch durch politische Maßnahmen gestützt wird. Und ein Blick in die Gesellschaft zeigt die immer größere Bedeutung und Nachfrage von nachhaltigen Geschäftsmodellen wie der Vermietung. Auch die Tatsache, dass man mit geringem Budget hochwertige Produkte mieten kann, spielt eine Rolle. Mieten spart Geld, ist nachhaltig und umweltfreundlich, man bleibt total flexibel und mietet nur, wenn ein Produkt wirklich gebraucht wird. Durch die Teilnahme am relend-Modell nimmt zudem die notwendige Digitalisierung des Einzelhandels an Fahrt auf. Das ist eine Chance für den Einzelhandel, auch in Zukunft noch eine Rolle zu spielen.

Die Hersteller und Händler von Kinderausstattung stehen heute vor großen Herausforderungen. Zu weitreichenden rechtlichen Auflagen gesellen sich ein harter Wettbewerb, Preisdruck und Kaufkraftminderung. Das Motto „mieten und vielleicht später kaufen bzw. verkaufen“ dürfte Handel und Industrie nicht sofort überzeugt haben. Auf welche Befürchtungen sind Sie bei Ihren Gesprächen gestoßen?
Frandsen: Der erste Gedanke der Händler und Hersteller ist, dass beim Mieten weniger Umsatz gemacht wird und ein kleines Publikum angesprochen wird. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. ReCommerce ist ein Milliardengeschäft, das im Wachsen ist und im Kindersegment sogar schneller wachsen wird als der traditionelle Einzelhandel. Das Publikum, das der Händler anspricht, wird größer. Durch das Mietgeschäft kann auf lange Sicht sogar mehr Umsatz über einen längeren Zeitraum generiert werden. Das muss der Händler verstehen. Er denkt oft noch immer, dass der Verkauf das einzig Wahre ist. Verkauft werden kann ein Produkt aber nur einmal. Da ist ein Umdenken notwendig.
Enzinger: Mit dem Mietkonzept haben die meisten Kunden als auch Hersteller noch keine Erfahrung gesammelt, weshalb hier noch viel Awareness geschaffen werden muss. Da wir uns primär im Premiumsegment positionieren, sind wir gerade am Anfang bei einigen Marken auf Bedenken bezüglich der Mietoption gestoßen – einige Hersteller haben Bedenken bezüglich ihrer Markenwahrnehmung geäußert und hatten Angst, dass sie durch die Mietoption und damit einhergehenden „günstigeren“ Preisen billig wirken. Durch unseren hochwertigen Auftritt mit hey little und die durchdachte Markenauswahl konnten wir die Bedenken aber meist schnell aus dem Weg räumen.

Gebrauchte Kinderprodukte landeten früher vereinzelt auf dem Basar. Heute gehört Thrifting zum Alltag der jüngeren Generationen. Der Bereich ReCommerce verzeichnet ein immenses Wachstum. Wie müssen Produkte bestenfalls beschaffen sein, damit sie sich für mehr als einen Nutzer eignen?
Frandsen: Das ideale Produkt kann im Refurbishment vollständig und auf den Status „wie neu“ wiederhergestellt werden. Das trifft zum Beispiel auf unsere Federwiege von Membantu zu. Der Stoff der Wiege ist waschbar, verschlissene Teile können ausgetauscht und Funktion und Zustand von Feder oder Motor zuverlässig geprüft werden. Es ist das ideale Produkt für den Mietmarkt. Beim Mieten sind die Produkte immer verlässlich auf dem höchsten Standard, das ist auf dem traditionellen Gebrauchtmarkt derzeit nicht der Fall.

Wie aufwendig ist die Rücknahme, Aufbereitung und möglicherweise die Reparatur von gebrauchten Produkten? Wie sind Sie bei hey little darauf vorbereitet?
Enzinger: Das variiert von Produkt zu Produkt. Ein Autositz muss nicht nur gereinigt werden, sondern auch sehr sorgfältig auf Beschädigungen geprüft werden. Durch die Vermietung der Wunderwiege konnte unser Aufbereitungs-Team schon sehr viel Erfahrung sammeln und entsprechende Prozesse entwickeln. Zusätzlich arbeiten wir eng mit den Herstellern zusammen und lassen unser Team zu den einzelnen Produkten und ihren Besonderheiten schulen. Damit können wir unser Versprechen, einwandfreie und geprüfte Produkte zu vermieten und zu verkaufen auch wirklich einhalten.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Hersteller wie Händler, die aktuell noch von Mietkonzepten und der neuen Lust am Ausprobieren profitieren und damit die Kaufzurückhaltung kompensieren, auf lange Sicht dadurch Umsatzeinbußen erleiden?
Frandsen: Der Einzelhandel kann mit dem Zusatzgeschäft „Vermieten“ mehr Geld verdienen – und in der aktuellen Phase ist er sogar dazu gezwungen. Wenn sich die Einzelhändler nicht weiterentwickeln, dann ist der Zug irgendwann abgefahren und sie verlieren an Bedeutung.
Enzinger: Mietkonzepte und die damit einhergehende Flexibilität sind nicht nur eine kurzfristige Lösung für die aktuelle Kaufzurückhaltung, sondern auch eine langfristige Chance, die sich positiv auf den Umsatz auswirken kann. Das Interesse an Mietmodellen nimmt allgemein zu, insbesondere bei jüngeren Generationen, was langfristig eine Umsatzsteigerung erwarten lässt. Zudem bietet die Mietoption Herstellern und Händlern die Möglichkeit, die eigene Zielgruppe auszuweiten und nicht nur traditionelle Käufer anzusprechen, sondern auch preis- und umweltbewusste Eltern, die sonst möglicherweise auf den Kauf verzichten würden. Statt einmaliger Kaufumsätze generieren Mietmodelle zudem kontinuierliche Einnahmen über längere Zeiträume. 

heylittle.de

relend.de


Wie die Branche diese Entwicklungen sieht, erklären Lena Sommer, Inhaberin „Kind der Stadt“, Oliver Beger, Geschäftsführer tfk, und Michael Neumann, Geschäftsführer des BDKH.

Lena Sommer, Inhaberin Kind der Stadt, Aschaffenburg

Lena Sommer, Inhaberin Kind der Stadt, Aschaffenburg
Für uns als kleinen Einzelhandel bietet relend noch mehr Freiheit & Flexibilität, die wir an unsere Kunden weitergeben dürfen. Manches wird auf jeden Fall in der Erstausstattung benötigt. Manche Fragen sind aber oft nicht so leicht zu beantworten und werden erst klar, wenn der kleine Schatz auf der Welt ist. Zum Beispiel, ob das Baby leicht in den Schlaf finden oder viel Begleitung brauchen wird. Um schnell auf die Eigenschaften und Gewohnheiten eines Babys und die eigene Lebenssituation reagieren zu können, ist die Mietoption mit flexiblen Zeiträumen ein absoluter Game Changer. Die gemieteten Produkte können jetzt nicht mehr nur in unserem Store, sondern im Alltag getestet werden. Wenn alle happy sind, kann die Miet-Laufzeit einfach verlängert werden oder auch gekauft werden. Wir dürfen unsere Kunden weiterhin persönlich beraten, können genau auf die Bedürfnisse eingehen und die Kunden bekommen ein flexibles Package, das genau auf sie zugeschnitten ist und bis vor die Haustür geliefert wird. Wir sagen, Comfort at its best!

Oliver Beger, Geschäftsführer tfk/Trends for Kids GmbH
Wir arbeiten seit zwei Jahren mit StrollMe zusammen, das ein sehr ähnliches Konzept wie hey little hat. Wir haben bereits sehr gute Erfahrungen damit gemacht, auch was die Marge für den Hersteller betrifft, und bei hey little wird es ähnlich sein, denke ich. Wir unterstützen auch Konzepte wie relend, um so den Einzelhandel mit einzubeziehen. Ausschlaggebend ist es, ein gutes, technisch hochwertiges Produkt zu haben, das lange genutzt werden kann, also relativ viele Vermietprozesse mit sich bringt. Ich glaube nicht, dass man heute mit Produkten der mittleren Preisschiene erfolgreich sein kann, die qualitativ nicht so hochwertig sind. Als Hersteller kann ich zwischen verschiedenen vertraglichen Varianten wählen. Bei uns bleiben die Produkte in unserem Besitz und wir erhalten einen Anteil des Mietzinses, auch einen Anteil am Verkaufswert des Produkts.

Oliver Beger, Geschäftsführer tfk/Trends for Kids GmbH
Michael Neumann, freier Berater und Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH)

Michael Neumann, freier Berater und Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH)
Neue und innovative Mietplattformen für Babyausstattung sind Ausdruck einer nachhaltigen Entwicklung hin zu Konzepten der Circular Economy. Sie fördern die Ressourcenschonung und verlängern die Lebensdauer unserer Produkte, was sowohl der Umwelt als auch den Verbrauchern zugute kommt. Immer mehr junge Eltern erkennen die Vorteile solcher Plattformen, wie zum Beispiel hey little oder relend, und möchten diese nutzen, auch weil sie viele praktischen und wirtschaftlichen Vorteile gegenüber klassischen Kaufmodellen bieten. Seit einigen Jahren wächst dieser Vertriebskanal in unserer Branche mit immer größerer Dynamik. Sehr viele Marken nutzen ihn bereits mit großem Erfolg. Ich bin sicher, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzen wird.


Hochwertig, used & handverlesen

Tildi ist ein virtueller Marktplatz für hochwertige Kinderprodukte aus dem Bereich Secondhand, Retoure, Refurbished, B-Ware und Last-Season, der auch mit vielen Herstellern für Kinder-Hartware und Secondhand-Shops zusammenarbeitet und sich an die Endverbraucher richtet.
Doris Schoger, Brand Strategist und Co-Founder von Tildi beziehungsweise der Prowd GmbH in München, stellt das Konzept des Marktplatzes vor.

Frau Schoger, sie haben 2023 zusammen mit Sofie Morber den Online-Marktplatz Tildi für hochwertige Kinderausstattung gegründet. Welche Angebote machen Sie damit und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Konzept?
Bei Tildi bieten wir Eltern eine nachhaltige Alternative zum Neukauf: Unser Sortiment umfasst ausschließlich Produkte, die bereits in Umlauf sind – von Secondhand-Waren über Retouren bis hin zu Auslaufmodellen und Restgrößen. Diese Produkte sind bereits in Deutschland oder der EU verfügbar und oft zu bis zu 50 Prozent günstiger als der UVP. Dabei achten wir darauf, dass unser Angebot frei von Fast Fashion und Discounter-Ware ist. Wir kuratieren sorgfältig, sodass Eltern eine gut ausgewählte, qualitativ hochwertige Auswahl haben. Derzeit verkaufen bei Tildi über 60 gewerbliche Anbieter.

Sie arbeiten mit einer Vielzahl von Secondhand- und Upcycling-Plattformen zusammen. Welche Idee steckt hier dahinter?
Genau gesagt zwei Ideen: Anders als Vinted möchten wir eine Plattform bieten, die speziell auf gewerbliche Händler zugeschnitten ist – so können auch Marken und Händler vom boomenden Recommerce profitieren und gleichzeitig ermöglichen wir Endkunden ein ganz anderes Service-Niveau als klassische P2P-Plattformen wie Kleinanzeigen oder Vinted.
Außerdem wollen wir lokale Secondhand-Shops sichtbarer machen. Diese kleinen Teams von meist zwei bis vier Personen leisten unermüdliche Arbeit für den Ressourcen-Schutz, indem sie das Kommissionsgeschäft für Eltern übernehmen. Sie verdienen mehr Aufmerksamkeit – und haben oft die schönsten Produkte.

Doris Schoger, Tildi

Welchen Mehrwert haben Hersteller, die mit Tildi kooperieren?
Bei Händlern und Herstellern bleiben immer wieder Produkte übrig – sei es durch Retouren mit kleinen Mängeln, Restgrößen oder Lagerbestände. Oft werden diese Waren in Lagerverkäufen angeboten, exportiert oder in seltenen Fällen sogar vernichtet. Dabei könnten sie viel sinnvoller genutzt werden. Durch eine Kooperation mit Tildi können Händler und Marken am wachsenden ReCommerce-Boom teilhaben, neue Kundengruppen erreichen, die sich die UVPs nicht leisten können, und gleichzeitig den Wiederverkaufswert ihrer Produkte gezielt steuern.

Welche wirtschaftliche Prognose hat der ReCommerce im Bereich Kinderausstattung in Deutschland beziehungsweise in Europa?
Secondhand hat die Flohmärkte und Basare nicht verlassen, aber es sind definitiv mehr Kanäle dazugekommen. Das Angebot hat sich etwas verlagert, denn Basare und Flohmärkte werden zunehmend mit minderwertiger Ware überschwemmt, was die gezielte Suche nach hochwertiger, nachhaltiger Secondhand-Kinderausstattung erschwert.
Waren im Sinne der Zirkularität sollten möglichst auf ihrem höchsten Wertniveau gehalten werden. Das ermöglichen wir, indem alle Artikel in unserem Lager oder bei unseren Verkäufern eine Qualitätskontrolle durchlaufen. Wenn nötig, werden sie sogar aufgewertet – sei es durch eine Wäsche oder eine Reparatur.
Wir beobachten zudem eine starke Tendenz zur Teambildung: Marken und Händler suchen sich zunehmend Partner, um das ReCommerce-Geschäft in ihrem Namen abzuwickeln, da ihnen die Ressourcen fehlen, es selbst effizient aufzubauen. ReCommerce wird voraussichtlich 4,4-mal so hohe Wachstumsraten haben wie der traditionelle Handel, da sollte man jetzt nicht zu lange warten.

Warum sind die sogenannten R-Strategien der Kreislaufwirtschaft – zum Beispiel Reduce, Repair, Refurbish, Recycle – für Unternehmen heute gerade zwingend, um auch künftig erfolgreich zu sein?
Unternehmen, die sich bisher wenig mit Nachhaltigkeit beschäftigt haben, werden in den kommenden Jahren dennoch verpflichtet sein, darüber zu berichten, welche Maßnahmen sie in diese Richtung ergreifen. Dazu gehören unter anderem neue Regularien zur Vermeidung der Vernichtung von Neuwaren sowie die Pflicht, Zahlen zu Materialeinsatz und Abfällen transparent offenzulegen.
Ziel ist es, den Materialeinsatz und Abfall bei der Produktion zu minimieren, das Recycling zu maximieren und die Nutzungsdauer von Produkten zu verlängern. Besonders das letzte Themenfeld stellt Hersteller vor große Herausforderungen, da sie sich hier nicht auf Materialströme, sondern auf einzelne Produkte beziehen müssen. Hier sind Unternehmen auf Skaleneffekte, also Kostenvorteile durch sinkende Kosten pro Produkt, angewiesen, insbesondere in der Wiederaufbereitung und Logistik. Nur wenige Unternehmen konnten bislang ein eigenes Take-Back-System und den Wiederverkauf profitabel umsetzen. Über unser Trade-In können wir für Partner auch deren Post-Consumer Produkte vom Markt zurückholen und diese für sie wiedervermarkten.

tildi.com


Klare Regeln

Das Zusammenspiel von (Miet-)Plattform, Herstellern, Händlern und Verbrauchern und die Art der angebotenen Produkte bringen eine Reihe rechtlicher Fragen mit sich. Georg Lecheler, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei Oppenhoff in Köln gibt einen Einstieg in das Thema.

Georg Lecheler, Kanzlei Oppenhoff

Wer ist Vertragspartner?
Rechte und Pflichten betreffen in der Regel nur die Vertragspartner. Entscheidend ist daher zum Beispiel für Fragen der Gewährleistung, wer den Vertrag mit dem Verbraucher schließt: Der Plattformbetreiber (wenn die Plattform nur vermittelt) oder der Hersteller beziehungsweise Händler? Das sollte klar und nicht nur in den AGB geregelt sein.
Die Gewährleistung bei „refurbished“ Waren oder „B-Waren“ beschränkt sich im Kern auf die Erhaltung des Zustands, in dem die Ware geliefert werden sollte. Daher sollte dieser Zustand möglichst treffend und klar beschrieben werden. Wenn Gebrauchtwaren vertrieben werden, besteht die Möglichkeit, die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr zu kürzen. Darauf sollte man, genau wie bei den Zustandsbeschreibungen, klar hinweisen. Dies in den AGB zu verstecken, wäre der falsche Weg.

Was sagt der Hersteller?
Bei der Anbietung gebrauchter Markenprodukte können nicht nur Interessen des Herstellers, sondern auch seine (Marken-)Rechte betroffen sein: Soll etwa eine substanzverändernde Reparatur, ein Umbau oder eine Umverpackung eines Markenproduktes vor Vertrieb über die Plattform erfolgen, sollte geprüft werden, ob das die Rechte des Markeninhabers verletzt. Auch den Umgang mit Herstellergarantien sollte man bedenken. Die kann für den Endkunden von Interesse sein.

Auch wettbewerbsrechtlich ist – gerade bei Gebrauchtwaren – wieder auf korrekte Kennzeichnungen zu achten: Begriffe wie „neuwertig“, „wie neu“ oder „refurbished“ dürfen nicht irreführend sein und müssen klarstellen, dass es sich um Gebrauchtwaren handelt. Nicht zu vergessen ist, dass nach dem europäischen Digital Services Act (DSA) Plattformbetreiber unter Umständen auch für die Angebote und Angaben von Dritt-Händlern haften.

Mieten besser als kaufen?
Besonders bei Plattform- und Mietmodellen ist relevant, wer Vertragspartner und wer Eigentümer der Ware ist, und wer wofür wem gegenüber verantwortlich ist. Geht zum Beispiel eine Beschädigung der Ware auf eine nicht vereinbarte Nutzung zurück (oder ein Personenschaden auf einen Mangel der Ware), wird sonst schnell unübersichtlich, wer wem für diesen Schaden haftet. Fragen zu Haftung bei Verlust oder Beschädigung sollten daher vorher in den verschiedenen Konstellationen geklärt und gegebenenfalls über Kautionen oder Versicherungen abgesichert werden.
Plattformbetreiber sollten dabei klarstellen, welche Rechte ihre Vertragspartner haben und wie Rückabwicklungen gehandhabt werden. Ein „klassisches“ 14-tägiges Widerrufsrecht besteht – anders als bei vielen Online-Verträgen – nicht uneingeschränkt.

Datenschutz und die Plattformhaftung nach dem Digital Services Act (DSA)
Die beteiligten Unternehmen müssen schließlich die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beachten, insbesondere wenn eine Identitäts- oder Bonitätsprüfung der Kunden verlangt wird. Die Einhaltung der Datenschutzvorgaben ist essenziell, um Bußgelder und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Zusammenfassend lässt sich sagen:
Miet- und Secondhand-Plattformen sollten abhängig vom individuellen Geschäftsmodell durch eine frühzeitige rechtliche Planung abgesichert sein. Das reduziert die Risiken und ermöglicht den langfristigen Erfolg. Fragen der Haftung, Gewährleistung und Abwicklung spielen eine zentrale Rolle, weil Verbraucher klare Regelungen verlangen und Händler wie Plattformbetreiber Risiken begrenzen und Ineffizienzen vermeiden möchten. Eine durchdachte und transparente Ausgestaltung ist dabei essenziell, um bösen Überraschungen vorzubeugen.

oppenhoff.eu/de/anwaelte/detail/georg-lecheler/