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Branche: Krise in der Kinderausstattung

6. September 2023, 11:51

Welche Entwicklungen und Innovationen gibt es in der Branche? Wie verändert sich der Markt der Kinderausstattung? Und wo kaufen Eltern heute ein? Der Trendreport des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH) liefert einen Überblick zu den wichtigsten Fragen.

Die Nachrichten für die Kinderausstattungsbranche sind nicht immer gut in diesen Tagen. Eine davon betrifft die Geburtenrate als wichtige Kennziffer für die Hersteller: Nie zuvor stürzte sie in Deutschland so rapide ab wie im vergangenen Jahr. Nach dem Pandemie-bedingten Geburtenhöchststand von 2021 kamen 2022 mit 738.819 Kindern mehr als sieben Prozent weniger Babys auf die Welt. Der fehlende Umsatz bei der umfangreichen Erstausstattung macht den Herstellern von Kinderwagen, Babyschalen & Co. deutlich zu schaffen.
Die Zeiten für junge Familien und solche, die es werden wollen, sind nach wie vor unsicher. Wie zu erwarten, begann auch 2023 mit geringen Geburtenzahlen. Der Angriffskrieg führte zu enormen Preissteigerungen, einer hohen Inflation und die deutsche Wirtschaft in eine Rezession. Das Realeinkommen und damit die Kaufkraft der Deutschen sank wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Entscheidung für ein Kind und den (zeitweisen) Verzicht auf ein zweites Einkommen muss man sich jedoch auch finanziell leisten können.
Ein Kind kostet nach aktuellen Berechnungen monatlich etwa 630 Euro – bis zum 18. Lebensjahr sind das rund 136.000 Euro. Und die Familienpolitik in Deutschland bietet nach Ansicht des BDKH in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Phase leider keine stabilen Rahmenbedingungen.

Second Hand und Mietplattformen sind beliebt
Der hohe Preisdruck und die verminderte Kaufkraft lassen junge Eltern immer häufiger auf den Second Hand-Markt ausweichen. Mietplattformen, die es mittlerweile auch für Kinderausstattung wie Kinderwagen, Babytragen oder Kinderräder gibt, sind ebenfalls zur Option geworden. Einige Hersteller bieten ihre Produkte selbst wahlweise als Kauf- oder Mietmodell an. Sie müssen vor dem Hintergrund gestiegener Rohstoff- und Herstellungskosten, wegbrechender Märkte und der allgemeinen Kaufzurückhaltung kreativ werden, um ihre Umsätze zu erreichen.
Doch trotz Hinwendung zu Mietplattformen und Second Hand-Märkten gibt das familiäre Umfeld pro Kind im Schnitt von Jahr zu Jahr mehr Geld aus: In Deutschland waren das 2022 rund 7,65 Milliarden Euro – 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Etwa die Hälfte fällt dabei auf Bekleidung und Schuhe, allein zwei Milliarden Euro gehen in die Erstausstattung der Kleinen bis zum zweiten Lebensjahr. Im Vergleich zur generellen Entwicklung des Konsums und des Einzelhandels hat sich die Baby- und Kinderausstattung allerdings in den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich entwickelt.

Die Jungen nutzen Social Commerce
Gerade junge Mütter und Väter wollen ein nahtloses Einkaufserlebnis über alle Kanäle hinweg – ob stationär, zuhause am PC oder unterwegs über das Smartphone. Dabei informieren sie sich vor einem Einkauf vor Ort immer häufiger zunächst im Internet. Vor allem 16- bis 29-Jährige lassen sich auch über Social Media-Plattformen wie Instagram und YouTube inspirieren – und nutzen dann gern die neuen Shoppingfunktionen. Unternehmen stehen hier durch Kommentare, Likes, private Nachrichten oder via Live Shopping vermehrt in direktem Kontakt mit ihrer Zielgruppe.
Künstliche Intelligenz (KI) wird im Handel bereits eingesetzt, um Kaufwahrscheinlichkeiten zu berechnen und
gezielte Produktempfehlungen auszuspielen. Beliebt bei jungen Käufern sind zudem AR/Augmented Reality-Darstellungen. „Den Wunsch, die Integration von Produktinformation schneller zwischen Marke und Händler abzuwickeln, sehe ich als einen der kommenden Trends unserer Branche“, sagt Stefan Eipeltauer, Inhaber von ARkid & Fokus Kind Medien. „Die Branche wird hier im Sinne der Effizienz auf neue Industriestandards und Schnittstellen setzen müssen. Mit unserer Software AR Catalogue lösen wir dieses Problem, vor allem für den innovativen Bereich von 3D & AR im Online-Shop und am PoS. Marken stellen ihre 3D-Modelle ein und Händler können diese so einfach wie ein YouTube-Video einsetzen.“

tfk ist sportlich unterwegs.

Brandneue Features bei Autokindersitzen
Echte Neuheiten gibt es vor allem im technisch anspruchsvollen Segment der Autokindersitze. Hier stellte Nuna im Frühjahr die weltweit erste Babyschale mit integriertem Isofix-System vor, die den Eltern ganz neue Möglichkeiten der Mobilität eröffnet.
Auch die Traditionsmarke Maxi-Cosi präsentierte dieses Jahr ein weltweit neues Feature für die i-Size-Modelle 360 Pro Family. Mit der SlideTech-Technologie der FamilyFix 360 Basisstation lassen sich Babyschale und Autokindersitz aus dem Auto herausziehen, was das Hineinsetzen und Herausnehmen des Kindes erleichtert und dabei den Rücken des Erwachsenen schont. Die 360 Pro Family-Modelle sind auch mit dem Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR) ausgezeichnet.

Sportliche Eltern nehmen das Dreirad
Eine Neuheit auf drei Rädern stellt tfk/Trends for Kids auf der diesjährigen Kind + Jugend vor. Der tfk pro im aerodynamischen Design ist vor allem für sportliche Eltern konzipiert, die Wert auf einwandfreie Qualität und Fahrsicherheit auch bei höheren Geschwindigkeiten legen.

Im Rahmen der Produktentwicklung sorgt Träumeland für Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit ist ein Kaufkriterium
Kinderprodukte sollen nach Ansicht der Eltern vor allem sicher sein. Aber auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind für sie wichtige Kaufkriterien und werden nachgefragt. Besonders bei der jungen Gen Z stehen ethisch einwandfreie Prozesse bei produzierenden Unternehmen hoch im Kurs, so wie sie bei Träumeland eingehalten werden. Seit 2020 ist der österreichische Kindermatratzenhersteller ein zertifiziertes klimaneutrales Unternehmen – und begreift das nur als ersten Schritt. Träumeland sorgt im Bereich der Produktentwicklung dafür, dass Rohstoffreste nicht entsorgt werden, sondern im Produktionskreislauf bleiben und zur Fertigung neuer wertgeschöpfter Produkte verwendet werden. Modernste Techniken des Up- und Recycling werden eingesetzt, um Rohstoffe einzusparen und neue Wertstoffe aus gebrauchten Schaumstoffprodukten zu
gewinnen.
„Der Fokus wird verstärkt auf ‚sauberen‘ Produkten liegen, auf guten und sicheren Materialien, aber auch auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Qualität für ein ‚Weitervererben‘“, analysiert Jesper Frandsen, Inhaber der Markenagentur Tradewell. „Was für den Großteil der Kundinnen und Kunden aber trotz allem wichtigstes Kaufargument bleibt, ist der Preis. Der muss auch bei einem nachhaltigen Produkt stimmen.“

Zero Waste Vision im Bereich Kunststoff
Mit der Bio-Badelinie „Top“ hat Rotho Babydesign bereits vor Jahren deutlich gemacht, dass Nachhaltigkeit Handeln im Einklang mit Wirtschaftlichkeit und ökologischer Verantwortung bedeutet. Dieses Jahr schlägt das Unternehmen auf der Kind + Jugend mit der ersten „Top-Badewanne“ aus recyceltem Kunststoff ein neues Kapitel auf.

Mobil und komfortabel
Mit der neuen faltbaren Wippe Eazy Relax kommt Béaba vor allem mobilen Eltern entgegen, die unterwegs auf eine kompakte, leicht zu transportierende Liegemöglichkeit ab der Geburt ihres Babys setzen und diese zuhause leicht verstauen wollen.
Komfortabel und gleichzeitig stylisch sind auch die Travel-Systeme des italienischen Herstellers Peg Perego. Das Set Veloce TC Town & Country kommt mit i-Size-Babyschale samt Liegefunktion, einem Kinderwagen mit Komfort-Babywanne und einem Aufsatz für ältere Kinder. Wie Stiftung Warentest im jüngsten Kinderwagen-Test feststellte, liegen Kleinkinder in vielen Anbieter-Modellen bereits nach wenigen Monaten in einer zu kurzen oder zu engen Wanne. Nicht so in der geräumigen „Culla Grande“-Wanne von Peg Perego.

Die erste Badewanne aus recyceltem Kunststoff von Rotho Babydesign.
Die erste Babyschale mit integriertem Isofix-System kommt von Nuna.

Authentisch und politisch
Familien im Jahr 2023 sind authentisch und natürlich. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der Kommunikation der Hersteller wider. Lansinoh, Spezialist für Produkte rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit, zeigt Mütter, keine „Models“. Schwangerschaftsstreifen wer-den in den Bildern nicht verschämt retuschiert. Die Frauen sind selbstbewusst und bilden die Bandbreite der Gesellschaft ab. Das Thema „Wochenbett“ befindet sich nicht länger in der Tabuzone. Nach Einschätzung von Lansinoh steigt zudem die Zahl der Hersteller, die Produkte dieses Segments anbieten.
Selbstbewusst und politisch aktiv geben sich auch die Hersteller. Der Berliner Concept-Store Kindsgut engagiert sich besonders beim Thema Genderklischees und gegen stereotype Farben bei Kinderprodukten – für Inhaberin Corinna Links ein Herzensthema: „Farben sollten für alle da sein, sind es aber oft nicht. Bestimmte Produkte werden mit stereotypen Farben oder anderen Kennzeichnungen versehen und als ‚typisch für Mädchen‘ beziehungsweise ‚typisch für Jungen‘ vermarktet. Das beeinflusst nicht nur die freie Entfaltung der Persönlichkeit, sondern sorgt dafür, dass die Grundsteine für den Gender Pay- und auch Care-Gap bereits im Kinderzimmer gelegt werden. Wir möchten uns dafür einsetzen, gemeinsam mit weiteren Unternehmen und Marken den Teufelskreis des Gendermarketings zu durchbrechen – für eine buntere Kindheit und eine gerechtere Welt von morgen.”

Lioba Hebauer
bdkh.eu