Branche – Duale Lebenswelten

14. Juni 2019, 12:14

Unter dem Motto „Kinder verstehen – Lebenswelten erforschen“ lud IP Deutschland Mitte Mai zur Fachtagung Kinderwelten nach Köln ein. TOYS fasst das Fokusthema, eine Detailstudie zur Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen, zusammen.

„Die Kinder von heute gehen gar nicht mehr vor die Tür!“ „Die hängen nur am Bildschirm.“ „Wenn es nicht auf YouTube läuft, interessiert das die Kids doch nicht.“
Soweit die Vorurteile. Tatsächlich gestaltet sich der Alltag von deutschen Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 13 Jahren wesentlich komplexer als es die Klischees vermuten lassen, denn sie befinden sich in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Digitalisierung, Leistungsdruck und Freizeit. Hinzu kommt das tägliche und mehrfache Hin- und Herswitchen zwischen analogen und digitalen Freizeitaktivitäten.
Wie das im Detail aussieht, präsentierten Cornelia Krebs und Anna Rynkowski von der Mediengruppe RTL Deutschland vor einer vollbesetzten Kölner Rheinterrasse. Sie stellten die Ergebnisse der neuesten Ausgabe der „Fourscreen Touchpoints Kids 2019“ vor, eine Art mobile Tagebuchstudie, für die über 400 Kinder drei Tage lang per Smartphone im 30-Minutenrhythmus zu Aktivitäten, Aufenthaltsorten und Umfeld befragt wurden. Ausgenommen von der Befragung waren Schul-, Betreuungs-, Trainings- und Schlafenszeiten. So entstanden über 13.000 Momentaufnahmen, die ein sehr aussagekräftiges Bild des modernen Kinderalltags zeichnen.

Die Referenten der Kinderwelten Fachtagung 2019 (v.l.n.r.) : Matthias Wagner (Mediengruppe RTL), Dirk Schulte (Elementar-Institut), Peter Haupt (Super RTL), Anna Rynkowski (Mediengruppe RTL), Brigitte Bayer (Mediengruppe RTL), Cornelia Krebs (Mediengruppe RTL), Moderator Marc Dumitru, Puppenspieler Martin Reinl, Birgit Guth (Super RTL), Puppenspieler Carsten Haffke, Matthias Dang (Geschäftsführer Ad Alliance), Jöran Muuß-Merholz (J&K)

Die Erkenntnisse im Einzelnen: Schule und festgelegte Freizeitaktivitäten nehmen demnach viel Raum ein. Dennoch zeigten die Daten, dass den Kindern an Wochentagen durchschnittlich mehr als acht Stunden Zeit zur freien Verfügung blieb. Auch die Vorstellung von bildschirmsüchtigen Stubenhockern stimmt nicht. Im Gegenteil, der Kinderalltag ist vielfältig. Medien und deren Nutzung spielen eine wichtige Rolle, aber eben keine ausschließliche.
Ein Blick auf die Nettoreichweite über die befragten Tage zeigt, Fernsehen ist von allen genutzten Medien weiterhin Nummer 1 (93 Prozent der Kinder schalteten an allen drei Befragungstagen das TV-Gerät für rund 66 Minuten ein), gefolgt von Lesen (75 Prozent lasen täglich 35 Minuten, zum Beispiel ein Buch, Schulheft/Schulbuch, Zeitschrift/Magazin oder Comics) und Hören (71 Prozent nutzten jeden Tag 34 Minuten lang verschiedene Hörmedien, zum Beispiel Radio, CD-Spieler, Smartphone oder MP3-Player). Auf das Smartphone selbst entfielen laut der Studie 31 Minuten täglich – das sind neun Minuten mehr im Vergleich zur Fourscreen Touchpoints Kids von 2014.
Interessant ist auch die Aufschlüsselung darüber, für welche Aktivitäten und Inhalte dieses Zeitbudget verwendet wird: Am häufigsten nutzten die befragten Kinder die Videofunktion (18 Prozent) auf dem Handy, Tablet, Laptop/Desktop oder am Fernseher. Dabei entfiel der Hauptanteil ans Fernsehen (71 Prozent). YouTube folgte mit 15 Prozent. Daraus wird deutlich, YouTube hat sich etabliert, löst das lineare Fernsehen aber bei weitem nicht ab. Lediglich vier Prozent der befragten Kinder haben innerhalb der drei Tage ausschließlich YouTube genutzt. Dagegen haben fast alle Kinder, die YouTube nutzten, auch weiterhin Fernsehen geschaut. An dritter Stelle des Videokonsums kommen die Streamingdienste (acht Prozent). Auch hier wird klar, dass Streamingangebote in die Lebenswelt der Kinder Einzug gehalten, aber noch keinen großen Raum eingenommen haben. Der non-lineare Videokonsum steigt erst mit dem Alter an. Bei den 8- bis 10-Jährigen liegt er gerade mal bei sechs Prozent, bei den 11- bis 13-Jährigen bei zehn Prozent.