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Branche: Am Puls der Zielgruppe

22. Januar 2024, 10:06

Wer sein eigenes Kind schon einmal gefragt hat, was es heute in der Kita oder der Schule erlebt hat, der hat am eigenen Leib erfahren, wie herausfordernd es sein kann, Antworten von Kindern zu bekommen. Nichtsdestotrotz sind Antworten der Kinder- und Jugendzielgruppe immer dann relevant, wenn man für genau diese Produkte, Angebote und Dienstleistungen entwickelt und auf Zielgruppen Feedback- und Insights angewiesen ist. Für Alissa Jansen und Marco Haine ist das Befragen von Kindern und Jugendlichen ihr Daily Business – sie sind qualitative Marktforscher*innen und spezialisiert auf die junge Zielgruppe.

Frau Jansen, Herr Haine, Sie forschen mit Kindern und Jugendlichen, wie kam es dazu?
Marco Haine: Rückblickend betrachtet war es eine glückliche Fügung. Ich war ursprünglich als klassischer Marktforscher tätig und hab mich mit einem breiten Themenspektrum beschäftigt. 2008 landete dann eine Anfrage für ein Kinder-Nachrichten-Format auf meinem Schreibtisch. Da mich das Thema Kinder und Jugend sehr interessiert, konnte ich hier meine Interessen mit Forschungsprojekten verbinden; vor meinem Soziologie-Studium habe ich eine Ausbildung zum Erzieher gemacht. Die Kinderprojekte wurden stetig mehr und ich konnte diesen Forschungsbereich im Unternehmen neu implementieren und ausbauen. 2013 kam dann Alissa als Praktikantin zu uns und hat mich bei verschiedenen Projekten unterstützt. Auch sie war gleich sehr angetan von der Forschungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Alissa Jansen: Ja, das stimmt. Ich hatte mir bis dato ehrlicherweise nie Gedanken darüber gemacht, dass es diese Studien mit Kindern ja auch geben muss. Mir war dann relativ schnell klar, dass ich auf jeden Fall in die Qualitative Marktforschung und idealerweise auch mit Kindern und Jugendlichen arbeiten möchte. Ich bin dann direkt bei mindline geblieben, zunächst als Werkstudentin, hab nebenbei noch meinen Masterabschluss gemacht und auch in der Abschlussarbeit das Thema Kinder und Jugendliche in der Forschung betrachtet und bin dann als Junior Researcher fest eingestiegen. Die junge Zielgruppe hat einfach mein Herz im Sturm erobert.

Dass man Kinder- und Jugend-Marktforschung separat betrachtet, ist mit Sicherheit vielen nicht bewusst und manch einer denkt sich bestimmt „das kann doch nicht anders oder gar schwieriger als Erwachsenenforschung sein“. Was antworten Sie solchen Leuten?
Jansen: Sie sind herzlich eingeladen beim nächsten Projekt die Moderation zu übernehmen…! Ich glaube ernsthaft, so erfährt man am besten, wie spezifisch und anders die Forschung und Befragungssituationen mit Kindern sind. Tatsächlich unterscheidet sich (Markt-)Forschung mit Kindern im Grundsatz eklatant von der Forschung mit Erwachsenen. Es spielen hier deutlich mehr Faktoren eine Rolle, die in der Ausarbeitung des Forschungsvorhabens und der Methodik sowie in der Erstellung des didaktischen Konzeptes berücksichtigt werden müssen, um am Ende auch fundierte Ergebnisse liefern zu können, die keinem Bias aufgrund fehlerbeladener Forschung unterliegen.

„Kinder müssen sich wohl- und wertgeschätzt fühlen.“

Welche Faktoren sind hier zu berücksichtigen?
Haine: Kinder bringen je nach Alter ganz unterschiedliche Fähigkeiten mit und unterscheiden sich zum Teil stark in ihrer individuellen Entwicklung, anders als es bei Erwachsenen der Fall ist. Ich meine damit insbesondere Fähig- und Fertigkeiten wie Abstraktionsvermögen, Konzentrationsfähigkeit und das kognitive Leistungsniveau. Aber auch der Aspekt Sprachverständnis muss in der Forschung mit Kindern mehr Berücksichtigung finden: Was für einen Wortschatz bringen die Kinder mit? Was können sie bereits artikulieren und wo brauchen sie noch Hilfsmittel? Dazu kommt, dass Kinder noch ein viel geringeres Verständnis für Kommunikation und Dialoge an sich haben – sie agieren hier direkter und häufig aus dem Impuls heraus, ohne dabei die Regeln des sozialen Miteinanders zu berücksichtigen, die für uns Erwachsene in einer Befragungssituation selbstverständlich sind. Kinder, die den halben Tag in der Schule waren, können und wollen sich manchmal nicht noch weiter auf Fragen konzentrieren, geschweige denn still auf dem Stuhl sitzen, sondern brauchen körperliche Betätigung, Abwechslung, was Spielerisches. Da musst du als Forscher schon eine Vielzahl an Methoden und Kreativität mitbringen, um das herauszubekommen, was du von den Kindern wissen möchtest, egal wie ungewöhnlich die Situation dann vielleicht auch mal sein mag.
Jansen: Oh ja – da hätten wir einige Geschichten auf Lager. Aber das wichtige ist ja, dass wir uns dieser relevanten Faktoren bewusst sind, sie von Anfang an mitdenken und die Kindgerechtigkeit der Forschung als hohes Gut ansehen, das es stets zu berücksichtigen gilt. Das heißt, beim Ausarbeiten des Forschungsprojekts überlegen wir, wie können wir was fragen? Wie kommen wir tief genug? Wo brauchen wir methodische Hilfsmittel? Wie schaffen wir ein kindgerechtes Setting in der Befragungssituation? Die Kinder sind zum Beispiel stets in der Überzahl oder auch gemeinsam mit einem Freund. Bei der Befragung im Studio sitzen wir tendenziell auf dem Boden und – ganz wichtig – wir bleiben immer spontan und passen alles, wenn nötig, an die jeweiligen Kinder an. Das heißt, es gibt nicht nur generell einen Plan B sondern gerne auch mal Plan C und D.
Haine: Und wenn man merkt es geht nicht oder nicht mehr – dann wird ein Interview auch mal früher beendet und geht nahtlos in ein offenes Spiel über – auf keinen Fall bringen wir Kinder in eine unangenehme Drucksituation. Das vermitteln wir auch ganz klar unseren Kund*innen: Bei allem Wissenshunger und Forschungsauftrag ist für uns die oberste Prio, dass das Kind sich wohl- und wertgeschätzt fühlt und Spaß daran hat, sich auf uns und unsere Fragen einzulassen.

Alissa Jansen und Marco Haine beforschen als Team seit zehn Jahren alle Themen rund und die Zielgruppe Kinder und Jugendliche. Mit klassischen oder innovativen Tools finden sie dabei für jedes Forschungsvorhaben und Alter das richtige Studiendesign und setzen dieses mit Leidenschaft um.

Wie genau sieht eine Studie mit Ihnen aus? Wie genau forschen Sie?
Jansen: Das lässt sich pauschal gar nicht beantworten – wir haben keinen Standard in dem Sinne. Vielmehr haben wir ein sehr breites Portfolio an Methoden, aus dem wir schöpfen können. Und das bedeutet dann, dass sich unsere Methoden und das Vorgehen immer der Forschungsfrage und der Zielgruppe anpassen und genau für die Anfrage, die uns erreicht, erarbeitet werden. Das kann dazu führen, dass wir zur gleichen Forschungsfrage im Rahmen der gleichen Studie mit Achtjährigen ein anderes methodisches Konzept erarbeiten als für Zehnjährige: Die einen laden wir zu einem Freundespaar-Interview ein und die anderen zu einem Gruppengespräch.

Was haben Sie denn neben Freundespaar-Interviews und Gruppengesprächen noch in Ihrem Portfolio?
Haine: Eine ganze Menge. Neben den Klassikern wie Freundespaar-, Eltern-Kind-Interviews und Gruppengesprächen haben wir auch Ethnografische-Tools in petto, um besonders nah an die Zielgruppe heranzukommen: verschiedenste Formen von Hausaufgaben, Lebenswelt- und Nutzungstagebüchern und autoethnografische Videotagebüchern, bei denen wir dann zum Beispiel bei der sehr jungen Zielgruppe auch die Eltern als Co-Forscher mit ins Boot holen. Wir gehen auch zu den Kindern nach Hause, machen vor Ort und häufig dann im Nutzungskontext unsere Interviews und kommen so zum Beispiel auch kleinsten Kritiken während der Nutzung auf die Spur. Je nach Alter der Zielgruppe setzen wir auch Online-Methoden ein. Wir können darüber hinaus aber auch ganze Tage mit der jeweiligen Zielgruppe im Rahmen eines Meet the Kids oder Meet the Consumer-Tages organisieren, Workshops auf Kundenseite geben, Grundlagenfragen erforschen, wie zuletzt das spannende Thema „Smartspeaker in Kinderzimmern“, oder Personas für den Kunden erarbeiten und darüber hinaus zum Leben erwecken. Mit unseren quantitativen Forscher-Kolleg*innen von mindline bieten wir auch multimethodale Forschungsprojekte an. Jansen: Und wir versuchen natürlich immer neue und attraktive Forschungsmöglichkeiten für unsere Kund*innen zu etablieren. Aktuell hören wir von vielen, dass sie eigentlich häufiger „mal eben schnell“ Feedback von der jungen Zielgruppe benötigen und die üblichen Projekte häufig zu zeit- und kostenintensiv sind. Daher haben wir gerade unser Kids-Echo-Panel ins Leben gerufen: Ein Online Panel für qualitative Forschung mit Kindern.

„Das Thema Mediennutzung und Medienerziehung sollte noch stärker im Fokus stehen.“

Das klingt nach vielen Möglichkeiten Antworten auf seine Fragen zu bekommen. Wenn Sie auf die vergangenen Jahre zurückblicken, was sind persönliche Highlights aus ihrem Forscher*innen-Alltag?
Haine: Für mich ein sehr intensives Projekt. Wir haben einen Kunden lange bei der Optimierung und dem Relaunch seiner Webseite für Kinder begleitet, dann sollte es auch eine App geben. In die Entwicklung sind wir sehr früh eingestiegen, haben grundsätzliche Anforderungen an User Experience aus Eltern- und Kindersicht beleuchtet, dann Workshops gehalten, die ersten Prototypen als Klickdummies getestet. Danach haben wir geschaut, wie und wo die App im Alltag der Kinder einen Platz gefunden hat. Es war toll, so nah dabei zu sein, den Prozess so lange und reichhaltig begleiten zu können und die konkret umgesetzten Ergebnisse zu sehen.
Jansen: Ich finde Inhome-Interviews, also Interviews bei den Kindern zuhause, immer besonders spannend: Man steht vor der Tür und weiß noch so gar nicht, was einen dahinter erwartet. Mein Highlight war ein Eltern-Kind-Inhome-Interview am Morgen, bei dem ich zwischen Brotdosen befüllen, Anziehen und doch noch eine Runde auf dem Sofa kuscheln mein Interview mit Mutter und Kind geführt habe.

Lassen Sie uns einen Blick nach vorne werfen: Wo glauben Sie liegen die Herausforderungen für die nächsten Jahre was die Zielgruppe Kinder- und Jugendliche angeht?
Jansen: Ich glaube, dass es vor allem darum geht, die jetzt heranwachsenden Generationen ansatzweise zu verstehen und offen ranzugehen. Es kommt einem manchmal so vor, als würden Unternehmen und Zielgruppe auf zwei verschiedenen Planeten wohnen und sich viel zu selten begegnen. Wir freuen uns dann immer zwischen diesen Welten als Vermittler zu agieren. Ich denke, Unternehmen fahren sehr gut damit, wenn sie immer wieder versuchen, nah am Puls der Zielgruppe zu sein und schon früh das Feedback der Zielgruppe einholen und entsprechend berücksichtigen. Und das gilt nicht nur für die Produktentwicklung, sondern auch für die Ansprache durch Marketing und Werbung. Denn, wenn uns die junge Zielgruppe etwas lehrt, dann ist das immer wieder „Für den ersten Eindruck, gibt es – nur sehr selten – eine zweite Chance“.
Haine: Das ganze Thema Mediennutzung und Medienerziehung sollte auf jeden Fall weiter, gerne auch noch stärker, im Fokus stehen. Die aktuell Kleinsten mit ihren Gen Y- und nun auch den Gen Z-Eltern wachsen mit einer enormen Selbstverständlichkeit in Bezug auf Medien auf. Das bringt viele Vorteile, aber auch Herausforderungen für Eltern und Kinder und natürlich auch für uns Forscher*innen mit sich. Außerdem merken wir immer wieder eine enorme Schnelllebigkeit im Hinblick auf Trends und Entwicklungen, was natürlich auch stark durch die Mediennutzung gepusht wird. Da muss man schon wirklich immer am Ball bleiben, um up to date zu sein. Das ist durchaus herausfordernd, aber so bleibt es auf jeden Fall immer spannend!


Die mindline group ist ein thematisch breit aufgestelltes Marktforschungsinstitut mit verschiedenen spezialisierten Units an den Standorten Hamburg, Berlin und Nürnberg und bietet seit über 20 Jahren und mit mittlerweile 150 Mitarbeitenden für alle Marketingforschungsfragen individuelle Lösungen und umfassenden Service.