Bits oder Bikes – Ein Plädoyer für das Fahrrad

28. Dezember 2018, 15:57

Was lockt Kinder nach draußen? Pokemon Go oder ein cooles Bike? Diese Frage stellen sich Eltern, Gesundheitsexperten, aber natürlich auch die einschlägige Industrie.

Bilder: puky

Während bei Erwachsenen das High-End Biken zur Trendsportart geworden ist, während der Markt für E-Bikes boomt, sieht man auf den Straßen immer weniger Kids mit dem Fahrrad. Dabei werden im Kleinkindalter die Grundlagen für die Bewegungsbegeisterung und für einen gesunden Lebensstil gelegt. Für die Entwicklung des Kindes ist es somit enorm wichtig, möglichst früh mit Lauf- und Kinderrädern in Berührung zu kommen.
Für den Spielwarenfachhandel sind wiederum die Themen Outdoor und Bewegung Trends, die es nicht zu verpassen gilt. Bewegungsfreudige Eltern mit einer bewussten Lebenshaltung verfügen in der Regel über eine hohe Kaufkraft und -bereitschaft. Diese Zielgruppe zu interessieren und zu binden, lohnt sich langfristig.
Für Händler, die mit dem Gedanken spielen, Rutscher, Laufräder und Kinderfahrräder in ihr Sortiment aufzunehmen, haben wir mit Unterstützung des Pressedienstes Fahrrad eine kleine Radlkunde für beratungsfreudige Einsteiger aufgelegt.

Die Rutscher

Rutschfahrzeuge bieten den Einstieg in die kindliche Mobilität und sind für Kinder ab den ersten Laufversuchen, also mit rund einem Jahr, praktische Mobilitätshelfer. „Die Gefährte trainieren auf spielerische Weise einfache Bewegungen, zum Beispiel das kräftige Abstoßen vom Boden in Kombination mit ersten Lenkbewegungen. Das fördert und fordert die motorische Weiterentwicklung, was zusätzlich gut für die geistige Entwicklung des Kindes ist“, erklärt Guido Meitler, Marketing Manager Puky. Der Kinderfahrzeugspezialist bietet mit dem „Pukylino“ und „Wutsch“ zwei Einsteigerfahrzeuge an. Anders als beim Laufrad profitieren die Kinder vom stabilen Aufbau mit vier Rädern und sind dadurch äußerst kippstabil unterwegs. Der zusätzliche Effekt: Die Kleinkinder können sich wunderbar austoben und entwickeln sich mit viel Spaß weiter.

Das Laufrad

Ab circa zwei Jahren ist das Laufrad für Kinder der Einstieg in die individuelle Mobilität. Durch die Flitzer ohne Pedale erlernen die Kleinen das Balancieren und somit eine wichtige Voraussetzung zum Fahrradfahren. „Das Laufrad vereinfacht den späteren Umstieg auf das Fahrrad, weil das Kind das Gleichgewicht in Gleitphasen bereits halten kann. Stützräder sind deshalb passé“, so Meitler. Doch Laufrad ist nicht gleich Laufrad. Die meisten kommen mit zwölf Zoll Radgröße und können ab einer Körpergröße von zirka 90 Zentimetern genutzt werden. Für kleinere Fahrer und Früheinsteiger bietet Puky Räder in acht Zoll Größe an. Die niedrige Sitzhöhe ermöglicht einen tieferen Schwerpunkt und das stabile Laufrad ist für Kinder ab circa 85 Zentimetern gut zu handhaben. Es gibt jedoch auch Modelle mit 14 Zoll-Rädern von Early Rider. „Diese sind für Spätstarter gedacht, also Kinder ab drei Jahren. Die Räder können allerdings bis zum fünften Lebensjahr genutzt werden“, erklärt Daniel Gareus von Cosmic Sports. Wie beim Mountainbike sorgen die größeren Laufräder generell für ein besseres Rollverhalten.
Viel wichtiger als die Radgröße ist bei der Wahl des Laufrads allerdings die Sattelhöhe. Diese muss zur Schritt- und Innenbeinlänge des Kindes passen. Hier gilt: Der Sattel sollte so eingestellt sein, dass die Beine fest am Boden stehen und leicht angewinkelt sind, damit sich das Kind kraftvoll abstoßen kann. Die Sitzhaltung ist möglichst aufrecht, sodass das Kind die Umgebung gut wahrnehmen kann. Dafür sollte auch der Lenker in der Höhe angepasst werden können. Die Arme sind nicht komplett durchgestreckt, sondern leicht angewinkelt. Da Kinder in diesem Alter schnell wachsen, sind stufenlos höhenverstellbare Sättel sowie Lenker somit empfehlenswert, damit auch das Rad mitwachsen kann und lange Freude währt. „Wenn man nur die Sattelhöhe verstellen kann, verschlechtert das die Sitzhaltung und das Kind verliert schnell die Lust am Laufrad“, weiß Guido Meitler. Auch bei Holzlaufrädern zum Beispiel dem Motorbike von M?Wave sollte man auf die Möglichkeit einer individuellen Einstellbarkeit achten. Ein weiteres Kriterium bei der Auswahl ist die Lenkeinschlagsbegrenzung, wie sie beispielsweise viele Holzlaufräder haben. Befürworter argumentieren, dass die Gefahr eines Wegrutschens beim Fahren von zu engen Kurven minimiert werde und sich die Räder stabiler fahren lassen. Guido Meitler sieht die Begrenzung allerdings kritisch: „Wenn das Laufrad auf dem Boden liegt, steht der Lenker automatisch steil nach oben und legt sich nicht um, wenn das Kind darauf fällt. Das kann zu heftigen Verletzungen im Bauch- und Brustbereich führen. Wir verzichten deshalb auf eine Lenkeinschlagsbegrenzung.“ Eltern sollten sich demzufolge genau überlegen, ob sie eine Begrenzung als sinnvoll erachten.
Ein Rahmen mit tiefem Durchstieg wie beim „LR 1“ von Puky ermöglicht ein leichteres Auf- und Absteigen. Die Folge ist ein sicheres Fahrgefühl. Ein Diamant- oder Trapezrahmen wie beim „Rage 12“ von Winora wirkt hingegen mehr wie ein Erwachsenenrad und soll sportliche Kinder ansprechen. „Beide Konzepte haben ihre Vorteile. Aber egal welche Rahmenform man bevorzugt, der Rahmen sollte möglichst robust sein, weil das Laufrad häufig auf den Boden geworfen wird“, erklärt Laura Christ von Winora. Von einer Bremse raten die Hersteller unisono ab – zumindest für Einsteiger.
„Eine Bremse am Laufrad ist eine trügerische Sicherheit. Ein Kleinkind hat nicht die nötige Kraft, um die Bremse richtig zu bedienen und auch die Bewegungsabläufe sind nicht darauf ausgerichtet. Eltern müssen die Kinder begleiten und im Notfall eingreifen können“, erläutert Brand Managerin Christ. Viel wichtiger sei von Beginn an ein passender Kinderhelm, beispielsweise der „Anuky“ von Abus. Eine Bremse am Laufrad hat jedoch den Vorteil, dass das Kind bereits mit der Funktionsweise der Stopper vertraut ist und deshalb der Umstieg auf Kinderräder mit Bremse leichter fallen kann.

Bilder: puky

Das erste Fahrrad

Das Kind balanciert bereits geschickt mit dem Laufrad? Dann ist es Zeit für den nächsten Schritt: In der Regel wagen Kinder ab circa drei bis vier Jahren den Umstieg auf das erste Kinderrad. „Dabei ist es wichtig, dass das Kind nicht überfordert, sondern möglichst in seiner Entwicklung gestärkt wird. Das gilt sowohl für die Größe als auch die Art des Rades“, rät Antonia Grim vom Royal-Baby-Partner Messingschlager. Ein zu großes Rad überfordere das Kind zu schnell und verstärke die Unsicherheit beim Radfahren, was wiederum die Lust nehme. Zur Ermittlung der passenden Fahrradgröße ist die Schrittlänge ein entscheidendes Maß. Das Kind steht dafür am besten ohne Schuhe mit dem Rücken an einer Wand und hat ein Buch im Schritt eingeklemmt. Die korrekte Schrittlänge wird anschließend zwischen Oberkante des Buchs und dem Boden gemessen. Das passende Kinderrad ist gefunden, „wenn in der niedrigsten Sattelstellung das Kind mit den Fußballen den Boden berühren kann. Das gibt die nötige Standsicherheit“, rät Guido Meitler.
Die gängige Radgröße für erste Kinderfahrräder liegt bei 16 Zoll wie beim „Z6 Edition“ von Puky. Die Räder eignen sich für Kinder ab einer Körpergröße von 105 Zentimetern und einer Innenbeinlänge von 45 Zentimetern. Bei dieser Größe ist das Kind durchschnittlich um die vier Jahre alt. Für Früheinsteiger bieten zum Beispiel Puky mit dem „Z2“ oder Royal Baby mit dem „Space No.1“ bereits Modelle mit 12 Zoll-Rädern. Letzterer hat zusätzlich Bikes in einer Zwischengröße von 14 Zoll im Programm, zum Beispiel das „Freestyle“. Bei der Auswahl der Räder sollte darauf geachtet werden, dass die Geometrie und die Komponenten für Kinder optimiert sind. „Dazu zählen beispielsweise kindgerechte Bremsgriffe mit kurzem Hebelstand für kleine Hände, überdurchschnittlich breite Reifen für Komfort und Fahrstabilität und geprüfte Reflektoren“, erklärt Grim.
Ein Plädoyer für das Fahrrad? Mehr als das: ein Plädoyer für den „Spaß auf Rädern“, an der Bewegung im Freien. Dieses Vehicel, die „erfolgreichste Notlösung aller Zeiten“, feierte im Jahr 2016 ihr 200stes Bestehen. Karl Freiherr von Drais hatte seinerzeit, getrieben von Missernten, dem daraus resultierenden Futter- und Pferdemangel, eine bahnbrechende Idee. Er erfand ein Fortbewegungsmittel, von dem es heute Milliarden gibt. Die Draisine, einst ein begehrtes Transportmittel, das sich beileibe nicht jeder leisten konnte, löste eine Volksbewegung aus. Aus dem Drais‘schen Fahrrad wurde mit den Jahren ein technisch ausgeklügeltes, hoch innovatives Sportgerät für alle Generationen.