Bis zur letzten Schraube

2. September 2022, 10:52

Nachhaltigkeit ist heute ein buzz word. Ohne sie geht es nicht. Und deshalb ist sie auch oft nur ein schnell umgehängtes Mäntelchen. Dagegen zeigt ein kleiner, aber feiner Hersteller aus dem Fränkischen, wie man Nachhaltigkeit konsequent zu Ende denkt und dabei auch noch schöne Kinderwagen produziert. Auftritt Angelcab!

Im Gründungsjahr ihres Unternehmens – das war 2013 – studierten Luis und Vinzent Karger noch. Damals sei die Nachhaltigkeit im Stadium „Ein Schritt weiter als Reformhaus“ gewesen. Doch die Brüder erkannten bereits die „Lücke“ im Kinderwagenangebot. Ihrer Meinung nach sollte ein Baby von Beginn an von natürlichen Materialien umgeben sein: Wolle statt Polyester, Holz statt Kunststoff, Kokosfasern statt Schaumstoff; bearbeitet durch umweltfreundliche Verfahren, um die Welt für die kommenden Generationen bestmöglich zu bewahren.

Bereits heute ein Designklassiker

„Nachhaltigkeit ist das, wofür wir stehen. Das kam nicht später on top dazu“, betont Luis Karger. Die Unternehmens-DNA prägt bis heute die „Engelskutschen“ aus Engelthal bei Nürnberg. Ihre charakteristische Ästhetik – etwa die handgeflochtene Rattanwanne, große Räder, stabiler Rahmen und Stoffe aus Schurwolle – hat Wiedererkennungswert. Die C-Serie ist bereits ein Designklassiker. Dazu ergänzt mit der A-Serie ein leichter City-Stroller das Sortiment. Ganz neu kommen nun die All-Terrain-Kinderwagen der U-Serie dazu. „Unser Design verbindet die traditionelle Bauweise von Kinderwagen mit modernen und funktionellen Elementen.“

„Wir folgen nicht den üblichen Produktzyklen. Wir entwickeln unsere Kinderwagen stetig weiter – in der Wertschöpfung, der Funktionalität, in der Wertigkeit der Materialien. Dabei sind wir dankbar für das Feedback unserer Kunden“, erzählt Luis Karger. Angelcab legt Wert auf Service und Kundennähe. Interessenten erhalten auf Wunsch Muster und dürfen einen Wagen auch zuhause testen. Eine Woche nach dem Kauf erhält jeder Kunde einen Anruf, ob denn alles ok sei. Das verbindet. Über einen QR-Code am Wagen gelangt der Käufer auf der Homepage zu passendem Zubehör für sein Modell. „Damit kann ich bedarfsgenau beraten und im Direktverkauf liefern. Was man als Hersteller über den klassischen Einzelhandel nicht kann.“


„Nachhaltigkeit ist das,
wofür wir stehen“

Luis Karger


Stationäre Beratung honorieren

Als Marke im Premiumbereich arbeitet Angelcab auch im Einzelhandel mit entsprechenden Partnern zusammen. Den beiden Inhabern ist es wichtig, dass die stationäre Beratungsleistung honoriert wird. „Eine Kinderwagenberatung kann sich schon mal hinziehen.“ Die Zuordnung funktioniert über einen Gutschein-Code. Der gibt auch bei einem anschließenden Online-Kauf eindeutig an, ob die Empfehlung für den Wagen von Baby Kochs oder Korbmayer kam. Besonders seit der Pandemie ist das ein guter Weg. „60 bis 70 Prozent der Kontakte kommen über mobile Endgeräte.“ Wichtig sind auch gut geschulte Verkäufer und die moderne Präsentation der Marke – auch in den eigenen Showrooms in Nürnberg und Berlin. Das Herzstück ist dabei der Konfigurator, der online oder vor Ort über einen großen Bildschirm bedient wird. Hier betrachten junge Paare gerenderte 3D-Modelle, bis alle Farben, Materialien und das Zubehör individuell abgestimmt sind.
Jedes Angelcab-Modell ist durch die überwiegend in Deutschland (hand-)gefertigten Bestandteile ein Unikat – und das hat seinen Preis. Ab 700 Euro ist der wendige City-Stroller der A-Serie zu haben, die Modelle der C- und U-Serie kosten ab 1.300 Euro. „Unsere Kunden sehen, ob das Produkt und der Preis im richtigen Verhältnis stehen“, meint Luis Karger selbstbewusst. „Die wollen wissen, wo das Produkt herkommt und was da drin ist.“ Und diese radikale Transparenz und Nachhaltigkeit bietet Angelcab „bis zur letzten Schraube und zum Druckknopf, den man essen könnte“. Gibt man auf der Homepage Begriffe wie „Laufräder“, „Schiebebügel“ oder „Verdeck“ ein, erscheint eine Information zum Ursprung der Materialien. Bis hin zur Schäferei, von der etwa die Wolle stammt. „Jegliche Umwelteinflüsse werden hier aufgelistet. Das kann der Kunde sehen.“ Überhaupt – Wolle – das sei eigentlich ein Abfallprodukt, das man aufwändig entsorgen müsste. Bei Kinderwagen entfalte sie ungeahnte Qualitäten: bei der Temperaturregelung, beim Feuchtigkeitsmanagement, dazu sei sie langlebig, schadstofffrei, leicht zu reinigen und als Monomaterial könne sie auch noch recycelt werden.

Neben Kinderwagen gehört auch die nachhaltig hergestellte Babytrage Hera zum Sortiment von Angelcab.

Eng mit der Transparenz verbunden, ist die Wertschätzung der Wertschöpfung. „Wir versuchen, so viel wie möglich regional zu machen.“ Mit dem Rattankorb aus dem bayerischen Schney bei Lichtenfels trägt Angelcab zur Erhaltung des traditionellen Flechthandwerks bei. Bei Hölzern arbeitet der Hersteller mit der Schreinerei Lehr aus Engelthal zusammen, die FSC-zertifiziertes Eschen- und Nussbaumholz aus der Region verwendet. Bei den Re-wool-Stoffen von Kvadrat wird für die Schurwoll-Verdecke ein großer Anteil recycelter Wolle eingesetzt. Luis Karger: „Das wird das nächste große Thema sein: Wie kriegt man es hin, den Kreislauf der Materialien geschlossen zu halten.“

Reparierbarkeit durch das Baukastenprinzip

Dabei spielen auch die Reparierbarkeit und Obsoleszenz (Produktalterung) eine wichtige Rolle. „Wir setzen schon bei der Produktentwicklung auf das Baukastenprinzip. Das ist natürlich teuerer in der Herstellung, aber nur auf den ersten Blick. Räder, die mit der Gabel vernietet sind, kann kein Mensch reparieren.“ Solche Teile würden bei einer Reklamation weggeworfen. Luis Karger ist sich sicher: „Die Frage der Reparierbarkeit wird irgendwann als Claim kommen.“ Nachhaltigkeit sei ein langer Prozess. „Das lief bei uns auch nicht alles gleich rund. Die Transformation zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft ist die Mammutaufgabe schlechthin.“ Deshalb müsse man schon jetzt Ziele angehen, die noch in weiter Ferne liegen.

angelcab.de

Lioba Hebauer