Bildung als Wachstumsfaktor im Spielwarenmarkt
Lernen durch Spielen – dieser pädagogische Grundsatz ist längst kein reines Bildungsthema mehr, sondern ein wirtschaftlich relevanter Wachstumsbereich innerhalb der Spielwarenbranche. Lernspielzeuge bieten nicht nur Unterhaltung, sondern häufig auch einen pädagogischen Mehrwert.
In einer Welt, in der Bildung zunehmend als Schlüsselressource für individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe gilt, verändert sich auch der Blick auf Kindheit und Spiel grundlegend. Das Interesse an Produkten, die Kinder nicht nur unterhalten, sondern sie gleichzeitig spielerisch fördern und gleichermaßen begeistern wächst. Lernspielzeug – auch außerhalb des Vorschulalters – hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutsamen Marktsegment entwickelt.
Denn es verbindet Spielspaß mit pädagogischem Mehrwert und bietet Kindern die Möglichkeit, Fähigkeiten wie Kreativität, Konzentration, Motorik, logisches Denken oder Sprachkompetenz ganz nebenbei und mit Freude zu entfalten. Die Anforderungen an Lernspielzeug sind hoch: Es soll altersgerecht, ansprechend gestaltet, funktional, aber nicht überfordernd sein. Idealerweise ist es modular sogar erweiterbar. Produkte die mehrere Sinne ansprechen, unterschiedliche Entwicklungsbereiche fördern oder sich flexibel in verschiedene Spielsituationen integrieren lassen, sind besonders gefragt. Daher werden digital-hybride Formate wie Spielzeuge mit App-Anbindung oder AR-Unterstützung (Augmented Reality) zunehmend genutzt – und die Nachfrage ist hoch. Lernspielzeuge stehen deshalb heute für weit mehr als nur Holzpuzzles oder Bauklötze.

Denn es soll Kinder dabei unterstützen auf spielerische Weise zentrale Fähigkeiten zu entwickeln. Ob Sprachförderung, MINT-Fächer oder logisches Denken: Lern-Apps ermöglichen einen breit gefächerten Zugang zu unterschiedlichsten Unterrichtsfächern und motivieren Kinder häufig spielerisch zum Lernen.
Doch was wollen Eltern wirklich für ihr Kind? Und nach welchen Kriterien wählen sie Lernspielzeuge aus?
TOYS-Redakteurin Janina Hamhaber hat mit Axel Dammler von iconkids & youth, dem größten deutschen Spezialinstitut für Marktforschung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, über das Thema Lernspielzeuge und deren Bedeutung im Schulalter gesprochen.
„Eltern sind nicht gleich Eltern.“
Axel Dammler

„Wie wichtig Lernspielzeuge für Schüler heute sind, kommt auf die Einstellungen der Eltern an“, so Dammler. „Es gibt Eltern, die glauben, dass das Schulsystem es nicht schafft, den Unterrichtsstoff ausreichend zu vermitteln, und die ihre Kinder daher gerne beim Lernen unterstützen möchten.“
Aktuell beobachtet Dammler eine zunehmende Zahl an Eltern aus bildungsferneren Schichten. „Aus dieser Gruppe kommen tendenziell mehr Kinder – auch bedingt durch Zuwanderung und Migranten-Milieus. Vielen dieser Eltern ist sehr bewusst, wie wichtig Bildung ist, aber sie können die Förderung häufig nicht selbst übernehmen. Da besteht ein hoher Bedarf an unterstützenden Angeboten – wie Lernspielzeug.“
Auch die richtige Methode zu finden, mit der Schulwissen vermittelt werden kann, stellt viele Eltern vor Herausforderungen:
„Gerade im Schulalter gibt es sehr klare Vorgaben der Schulen, wie gelernt werden soll. Wenn es etwa um das Rechnenlernen geht, ist der heutige Ansatz oft völlig anders als der, den die Elterngeneration gelernt hat. Wenn Eltern ihren Kindern also das Rechnen auf ihre eigene Weise beibringen, ist das aus heutiger Sicht oft ‚falsch‘, weil Kinder einen anderen Rechenweg lernen. Aus Sicht der Lehrkräfte ist diese Hilfe daher manchmal kontraproduktiv, da sie das Kind verwirren kann.“
Im Vorschulbereich sei das anders, erklärt Dammler. Hier haben Eltern deutlich mehr Spielraum: „Da gibt es keine festen Lehrpläne oder Vorgaben, die hinderlich sein könnten. Eltern können ihrem Kind Farben, Zahlen und Buchstaben beibringen – und das führt später in der Schule zu keinen Problemen.“

Für Hersteller*innen und Händler*innen ergibt sich daraus: Lernspielzeug ist eine Chance – aber keine einfache. Wer in diesem Segment erfolgreich sein will, muss liefern: nicht nur bei Produktqualität, sondern auch in Kommunikation, Beratung und Storytelling. Auch die Abstimmung mit Schulen und die Orientierung am Lehrplan spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Wenn Synergien hier richtig genutzt werden, birgt das enormes Potenzial.
Nachhaltigkeit, Qualität und ein klar erkennbarer Bildungsnutzen sind dabei zentrale Kaufkriterien für Eltern. Für Handel und Hersteller bedeutet das einen entscheidenden Vorteil: Lernspielzeug ist weniger preisgetrieben, dafür stark in der Kundenbindung – besonders, wenn es als hochwertig, langlebig und durchdacht wahrgenommen wird.
iconkids & youth hat zu Marktforschungszwecken eine Studie veröffentlicht die aufzeigt, wonach Eltern Lernspielzeug für ihre Kinder auswählen. Dabei unterscheidet das Institut gezielt zwischen verschiedenen Elternsegmenten, etwa nach Erziehungsstil, Erwartungen an Spielzeug oder Präferenzen.


Dr. Volker Mehringer, Akademischer Rat als Lehrkraft für besondere Aufgaben und Forscher im Bereich der Sozialpädagogik, betrachtet das Thema aus einer anderen Perspektive. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Spielzeug- und Spielforschung sowie in der Spielpädagogik. Im TOYS-Interview äußert er sich zum Thema Lernspielzeuge wie folgt:
Herr Dr. Mehringer, wie wichtig sind Lernspielzeuge für Schüler heute und wie effektiv sind sie?
Ein wichtiger Punkt vorweg: der Begriff Lernspielzeug ist meines Erachtens etwas schwierig. Er erweckt den Eindruck, man könnte Spielzeug in zwei Gruppen einteilen: Spielzeug, mit dem man lernen kann, und Spielzeug, mit dem man nichts lernen kann. Ich würde eher sagen, die meisten Spielzeuge können Lernmöglichkeiten eröffnen. Wir müssen oft nur genauer hinsehen. Selbst bei Spielzeug, das vielleicht auf den ersten Blick unpädagogisch wirkt, kann man bei genauerem Hinsehen teils großartige Lerngelegenheiten entdecken.
Die Lern-Effektivität von Spielzeug lässt sich pauschal schwer beurteilen. Das hängt von vielen Faktoren wie beispielsweise dem Entwicklungsstand und den Interessen der Spielenden und wie das Spielzeug dazu passt, ab. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass das Spielen ein zentraler Lernmotor ist und das Spielen gleichzeitig fast immer auf Gegenstände angewiesen ist. So gesehen sind Spielzeuge und Spielmaterialien sehr wichtig für das Lernen durch Spielen. Nur leider wird dem Spielen meist nur wenig Raum in den Schulen gegeben. Umso älter die Schüler*innen, umso weniger wird in der Schule meist gespielt.
Welche Rolle spielen Lernspielzeuge, die auf pädagogischen Konzepten wie Montessori oder Waldorf basieren?
Diese Spielzeuge erfinden das Rad nicht neu, sondern bauen auf bewährten Spielprinzipien auf, die es schon lange vorher gab. Sie sind meist einfach gehalten, klar strukturiert und selbsterklärend. Besonders hervorzuheben ist der hohe Aufforderungscharakter, der oft von diesen Spielzeugen ausgeht. Kinder wählen dann selbstständig die Spielmaterialien aus und müssen nicht extra dazu angehalten werden.
Gleichzeitig wirkt manches aus heutiger Sicht aber auch etwas altbacken und angestaubt.
Was muss ein Lernspielzeug mitbringen, damit es Erfolg für Handel und Kinder hat?
Der gerade schon angesprochene Aufforderungscharakter ist hier von zentraler Bedeutung. Gerade als „Lernspielzeug“ etikettierte Produkte schrecken Kinder oft allein durch das Label ab. Die Kinder verbinden mit Lernen meist anstrengendes schulisches Lernen und weniger kurzweiliges, spielerisches Lernen. Daher ist es so wichtig, dass Spielzeug nicht nur mit tollen Lernmöglichkeiten die Eltern vom Kauf zu überzeugen versucht, sondern vor allem für die Kinder eine hohe Attraktivität hat. Denn nur wenn ein Spielzeug auch genutzt wird, kann es seine positive Wirkung entfalten.
Nach welchen Kriterien suchen Eltern oder auch Großeltern Lernspielzeuge für ihre Kinder aus?
In unserer Forschung zur Spielzeugbewertung und -auswahl in Familien haben sich vor allem fünf Aspekte als zentral gezeigt: erstens Ästhetik, Material und die damit verbundene Sicherheit, zweitens der ökonomische Aspekt, also Preis, Preis-Leistungsverhältnis und was können wir uns leisten, drittens die Beziehungsebene, den eigenen Kindern beispielsweise einen Wunsch zu erfüllen und ihnen damit Freude zu bereiten, viertens der Spielaspekt, also beispielsweise Erwartungen an die Spielmöglichkeiten, die sich durch das Spielzeug ergeben, und nicht zuletzt der Förderaspekt, welchen pädagogischen Wert das Spielzeug haben soll.
Welche Rolle spielen so genannte Parentfluencer?
Damit habe ich mich bislang leider noch nicht genauer auseinandergesetzt. Aber es entsteht der Eindruck, dass viele Eltern heute in ihrem Erziehungsverhalten unsicher sind und sich daher nach etwas Orientierung sehnen. Parentfluencer können heir sicher hilfreich sein. Ebenso wie beispielsweise die Kundenrezensionen anderer Eltern bei den großen Onlinehändlern. Man sollte sich aber auch immer bewusst sein, dass es sich hier um keine Experten und keine systematische Textung, sondern um eine subjektive Momentaufnahme handelt.