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Berufe rund ums Kind – „Mütter haben andere Probleme“

2. Dezember 2019, 12:58

Schokolade testen, Kuscheltiere designen, Kinderhotels führen … Eine Menge Berufe drehen sich um den Kosmos „Familie“. In unserer Interviewreihe „Familiensache“ sprechen wir mit Menschen, die sich hauptberuflich oder ehrenamtlich für Kinder und/oder Eltern engagieren. Diese Reihe gibt uns die Möglichkeit, heutige Familien aus immer wieder neuen Blickwinkeln zu betrachten. In dieser Ausgabe im Gespräch: Die Ökotrophologin Jennifer Hansen, die Familien bei Fragen rund um die Ernährung berät.

Vegane Ernährung, also ein dauerhafter und konsequenter Verzicht auf Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier gilt als gesund, ethisch korrekt und klimafreundlich. Kein Wunder, dass vegan voll im Trend liegt und sich, offiziellen Schätzungen zufolge, inzwischen rund eine Million Deutsche rein pflanzlich ernähren. Doch inwieweit ist der Trend in deutschen Familien angekommen? Susanne Veit hat dazu die 45-jährige Ernährungsberaterin Jennifer Hansen interviewt.

Frau Hansen, bei vegan denkt man an frisch geerntete Nüsse und Pilze. Schaut man aber in den Supermarkt, liegt dort unter dem Label „vegan“ mit reichlich Plastik verpackte Fertignahrung aus der Chemiefabrik.
Ja, die Lebensmittelindustrie ist schnell auf das Pferd „vegan“ aufgesprungen. Und weil vegan „in“ ist, kaufen es die Leute. Aber die Konsumenten vergessen dabei etwas ganz Entscheidendes: Ernähre ich mich vegan, muss ich mich zu 100 Prozent vollwertig ernähren und auf eine sehr hohe Nährstoffdichte achten. Dazu brauche ich frische, möglichst nicht verarbeitete Produkte, am besten in Bioqualität. Fast Food hat auf einem veganen Speiseplan nichts zu suchen.

Ist es nicht ausreichend, Fleisch, Fisch, Milch(-produkte) und Eier einfach wegzulassen und ansonsten normal zu essen?
Nein. Ernährt man sich vegan, kann man leicht in eine Mangelversorgung geraten. Daher sollten sich Veganer sehr bewusst ernähren. Ihnen wird auch geraten, regelmäßig ihr Blut auf einen möglichen Nährstoffmangel untersuchen zu lassen.

Als Ökotrophologin berät Jennifer Hansen Familien in Sachen Ernährung: jenniferhansen-ernaehrung.de

Stimmt die Gleichung vegan = gesund am Ende gar nicht?
Hardliner, die egal welche Ernährungsform propagieren, gehen falsch in der Annahme, dass ihre persönliche Ernährungsformel auf alle gleichermaßen anwendbar ist. Vegan funktioniert für manche, für andere nicht. Vieles in der Ernährungswissenschaft befindet sich im Graubereich, es gibt kein Schwarzweiß. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Der Mensch ist ein Allesfresser – soweit die Biologie. Betrachten wir unser Gebiss und unser Verdauungssystem, sind wir rein physiologisch für eine Mischkost vorgesehen. Es macht demnach Sinn, hin und wieder etwas Fleisch zu essen, aber natürlich nicht im Übermaß. In der Tat essen heute viele Leute noch immer viel zu viel Fleisch – das ist die andere Seite der Medaille.

Man lies immer wieder, dass eine vegane Ernährung bei Kindern zu dauerhaften kognitiven Einschränkungen führen kann. Stimmt das?
Das stimmt. Reden wir von der Gesundheit der Kinder, ist eine strikt vegane Ernährung keine gute Idee. Es gibt eine Reihe kritischer Nährstoffe, wie Vitamin B12, B2, D sowie Calcium, Eisen, Zink, Jod, die von Kindern dringend benötigt werden. Eine Unterversorgung mit diesen Vitaminen und Nährstoffen kann zu massiven gesundheitlichen Problemen und Entwicklungsverzögerungen führen. Natürlich gilt das auch für Säuglinge, die über die Muttermilch versorgt werden. Eine vegane Ernährung wird daher auch stillenden Müttern nicht empfohlen.

Kann man das Problem nicht einfach mit Vitamintabletten lösen?
Einer Mangelversorgung kann man teilweise mit künstlich hergestellten Vitaminen entgegenwirken und natürlich mit einer vollwertigen Ernährung. Und genau das ist die Herausforderung an der veganen Ernährung. Man muss sich mit Lebensmitteln sehr genau auseinandersetzen, man braucht ein großes Know-how und viel Zeit. Am besten holt man sich Tipps und Anregungen bei einer professionellen Ernährungsberatung. Denn wer weiß schon, dass beispielsweise Nüsse Phytinsäure enthalten, die die Aufnahme von Calcium und Eisen hemmt. Phytinsäure wird abgebaut, wenn man die Nüsse einweicht oder röstet.

Wer nimmt sich denn die Zeit, seine Nüsse vor dem Verzehr zu rösten?
Dazu gibt es soziodemographische Studien, die zeigen, dass vor allem junge Frauen von Mitte 20 bis Mitte 30 mit höherem Bildungsstatus vegan leben. Ein sehr hoher Fleischkonsum korreliert hingegen mit einem niedrigeren sozialen Status.

Schauen wir in die Familien. Ist vegane Ernährung dort auch ein Thema?
Nein, zumindest nicht in den Familien mit denen ich arbeite. Die Mütter haben ganz andere Probleme; sie müssen Job und Familie unter einen Hut bringen und versuchen, in der Alltagshektik auch noch ihre Kinder gesund zu ernähren. Ein typisches Ernährungsthema in Familien ist das Essverhalten bei den Heranwachsenden. Hier geht es dann meist um innerfamiliäre Machtkämpfe, die über das Essen ausgetragen werden. Das sind Themen, die in Familien eine Rolle spielen. Die Idee, die Familie vegan zu ernähren, ist hingegen nicht wirklich präsent.

Hat aber Potenzial für die Zukunft?
Durchaus. Die jungen Frauen werden ja teilweise auch Mütter und bleiben möglicherweise bei ihrer Ernährungsform. Gleichzeitig nimmt die Klimadebatte immer weiter an Fahrt auf, was sicherlich dazu führt, dass immer mehr Menschen auf Fleisch verzichten möchten.

Fleisch als Klimakiller also?
Die Motivation vieler Veganer, die Massentierhaltung nicht zu unterstützen und mittels Fleischverzicht den CO2-Verbrauch zu senken, geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Und zu Recht betrachten Veganer ihren Ernährungsstil als Beitrag zum Klimaschutz. Aber wenn sie sich dann von Veggie-Smoothies aus Plastikflaschen ernähren, schmälert das am Ende natürlich wieder die Ökobilanz.