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Interne Untersuchung: Von Bagatelle bis Behördenbesuch

26. März 2024, 12:10

Unternehmen müssen eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben beachten – und jedes Jahr werden es mehr. Verstöße passieren da sehr schnell. Hinweise darauf kommen oft von den eigenen Mitarbeitenden und werden in einer strukturierten internen Untersuchung geprüft. Im ungünstigen Fall klopft jedoch eine staatliche Behörde an die Tür. Unternehmensverantwortliche sollten darauf gut vorbereitet sein. Dr. Daniel Dohrn und Dr. Carsten Bormann von der Wirtschaftskanzlei Oppenhoff erläutern im Interview mit Lioba Hebauer, worauf es bei internen Untersuchungen ankommt.

Dr. Carsten Bormann M. Jur. (Oxford) ist Junior Partner und seit 2022 Rechtsanwalt bei Oppenhoff. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn mit Schwerpunkt Europa- und Völkerrecht sowie an der University of Oxford (Magister Juris). Vor seinem Eintritt bei Oppenhoff war er als Referent im Bundesministerium des Innern in der Abteilung Öffentliche Sicherheit und als Rechtsanwalt bei Hengeler Mueller in der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht tätig.

Dr. Carsten Bormann
Dr. Daniel Dohrn

Dr. Daniel Dohrn ist Partner und seit 2009 Rechtsanwalt der Kanzlei Oppenhoff. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und an der Universität Uppsala, Schweden. Im Anschluss an sein Studium war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Linklaters Oppenhoff & Rädler tätig. Während seiner weiteren Ausbildung absolvierte er Stationen beim Bundeskartellamt, bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich des Kartell- und Energierechts sowie in der Konzernrechtsabteilung der Deutschen Telekom AG, wo er ebenfalls im Bereich des Kartellrechts tätig war. 2009 promovierte Daniel Dohrn an der Universität Bonn bei Prof. Dr. Wulf-Henning Roth zu einem kartellrechtlichen Thema zum Dr. iur.

Herr Dr. Dohrn, Herr Dr. Bormann, was versteht man genau unter einer internen Untersuchung und wann ist sie erforderlich?

Dr. Daniel Dohrn: Unternehmen müssen heute eine Vielzahl von Vorgaben einhalten, etwa zur Vermeidung von Korruption und Betrug, Geldwäsche oder Kartellverstößen. Dazu kommen inzwischen zahlreiche verbindliche Anforderungen aus dem Bereich Environmental, Social and Governance – kurz ESG – hinzu. Jüngstes Beispiel sind die Verpflichtungen aus dem Lieferkettengesetz.
Bei Verstößen kann es zu hohen Strafen für das Unternehmensmanagement kommen. Die Unternehmensleitung ist heute verpflichtet, bereits konkreten Verdachtsfällen nachzugehen, begangene Verstöße aufzuklären und mögliche Lücken im Compliance-System zu identifizieren und zu schließen. Dieser Prozess wird als interne Untersuchung bezeichnet.
Bei kleineren Vorfällen kann es ausreichen, den Sachverhalt mit eigenen Ressourcen intern aufzuklären. Handelt es sich hingegen um schwerwiegende Vorwürfe – etwa strafrechtlich oder kartellrechtlich relevante – oder betrifft der mögliche Verstoß weite Teile des Unternehmens, reichen die internen Ressourcen oft nicht aus. In diesen Fällen müssen in der Regel große Datenmengen ausgewertet, viele Mitarbeiter befragt und auch die Kommunikation mit der ermittelnden Behörde gepflegt werden. Das bedarf einer guten Planung und der notwendigen Erfahrung. Daher werden für diese Fälle oft externe Berater wie zum Beispiel spezialisierte Anwaltskanzleien und IT-Forensiker hinzugezogen.

Wie erhalten Verantwortliche denn überhaupt Kenntnis von möglichen Verstößen?

Dr. Daniel Dohrn: Hier sehen wir in der Praxis sehr unterschiedliche Szenarien. Es gibt Hinweise von Mitarbeitern direkt an die Verantwortlichen, etwa im Rahmen von Mitarbeitergesprächen. Hier können ein offenes Ohr der Unternehmensleitung und eine gelebte offene Kommunikationspolitik im Unternehmen als wichtiges Frühwarnsystem dienen.
Darüber hinaus werden Verdachtsfälle und Verstöße immer häufiger über unternehmensinterne Whistleblowing-Hotlines gemeldet. Die Bandbreite der Meldungen ist dabei sehr groß und reicht von Bagatellen – etwa Falschparken in der Tiefgarage – bis hin zu schwerwiegenden Vorwürfen wie sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Sanktionsverstöße oder Betrugsfälle.
Schließlich gibt es noch den aus Unternehmenssicht schlimmsten Fall: die unangekündigte Durchsuchung der Geschäftsräume oder sogar der häuslichen Arbeitsräume der verantwortlichen Mitarbeitenden. Hier muss die Unternehmensleitung in der Regel ohne jede Vorwarnung auf schwerwiegende Vorwürfe reagieren und unter Umständen zeitgleich Anfragen der Medien und der Geschäftspartner beantworten.

Welche Vorteile bietet die unternehmensinterne Aufklärung?

Dr. Carsten Bormann: Zunächst erfüllen die Unternehmen mit einer internen Untersuchung ihre gesetzliche Aufklärungspflicht. Darüber hinaus kann sich eine gründliche und korrekt durchgeführte Untersuchung positiv auf bereits eingeleitete oder bevorstehende behördliche Ermittlungen auswirken. In der Praxis zeigen sich Staatsanwaltschaften im Einzelfall durchaus bereit, öffentlichkeitswirksame Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder Mitarbeitervernehmungen zumindest zurückzustellen; vor allem dann, wenn das Unternehmen eine umfassende Mitwirkung bei der Aufklärung zusichert und eigene Ermittlungsergebnisse übermittelt.
Bestätigt sich der Verdacht eines Verstoßes, können Unternehmen in der Regel durch einen umfassenden Untersuchungsbericht und die Offenlegung von Verantwortlichkeiten mit den Ermittlungsbehörden in den Austausch über mögliche Sanktionen treten. Das bedeutet: Die umfassende Kooperation eines Unternehmens kann sich bei der Bemessung von Sanktionen positiv auswirken.
Bei Kartellrechtsverstößen können die Behörden im Rahmen des sogenannten „Kronzeugenprogramms“ sogar ganz auf ein Bußgeld verzichten, wenn man als Erster einen Verstoß anzeigt und konkrete Nachweise dafür vorlegt. Man übernimmt damit quasi die Ermittlungstätigkeit für die Kartellbehörde. Das geht jedoch nur mit einer gut geplanten und umfassenden internen Untersuchung.

Welchen Regeln muss eine interne Untersuchung folgen?

Dr. Daniel Dohrn: Eine unternehmensinterne Untersuchung muss bestimmte Standards einhalten, um die oben genannten Vorteile zu erzielen. Eine erste Herausforderung ist häufig, den richtigen Untersuchungsgegenstand zu bestimmen: Welche Geschäftsvorgänge sind von einem Verstoß betroffen und wie weit reicht dieser zurück?
Zudem muss man sich Gedanken über die Untersuchungsmaßnahmen machen. Hier gibt es keine „one size fits all“-Lösung. Die Untersuchung muss vielmehr auf das betroffene Unternehmen, seine Geschäftsfelder und den jeweiligen Verstoß zugeschnitten sein. So kann es im Einzelfall erforderlich sein, mit Hilfe eines spezialisierten IT-Forensik-Dienstleisters Dokumente und E-Mails über einen längeren Zeitraum auszuwerten. Auch die Befragung von Mitarbeitern ist häufig eine wichtige Ermittlungsmaßnahme.
Damit die Ergebnisse einer Befragung später von den Ermittlungsbehörden verwertet werden können, müssen bestimmte Regeln beachtet werden. So kann es notwendig sein, vorab den Betriebsrat mit einzubeziehen. Auch der Datenschutz muss berücksichtigt werden.
Je nach Art des Verstoßes kann es erforderlich sein, sich eine spezielle Strategie für die interne und externe Krisenkommunikation zurechtzulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verstoß bereits öffentlich bekannt ist und beispielsweise erste Medien- oder Kundenanfragen vorliegen. Ein Unternehmen, das dabei nach innen und nach außen schlecht kommuniziert, hat massive Nachteile. Die Kommunikationshoheit soweit wie möglich zu behalten, ist daher mindestens genauso wichtig, wie die rechtlichen und technischen Kniffe einer internen Untersuchung zu kennen.

Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich Unternehmen heute stellen?

Dr. Carsten Bormann: Unternehmensinterne Untersuchungen sind eine weit verbreitete Praxis. Neu ist jedoch das Risikopotenzial, das sich für die Unternehmen ergibt. So entstehen mit der zunehmenden und teilweise sehr unübersichtlichen ESG-Regulierung zahlreiche neue Pflichten, die mittelfristig zu einer Welle von Ermittlungsverfahren wegen möglicher Verstöße führen werden. Entsprechende Vorwürfe gibt es bereits im Bereich der Lieferkettenverantwortung, etwa im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern.
Auch das Thema Greenwashing rückt zunehmend in den Fokus der Ermittlungsbehörden und hat bereits zu Durchsuchungsmaßnahmen geführt. In der kürzlich in Kraft getretenen Entwaldungsverordnung oder der zu erwartenden Verordnung zum Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit warten weitere Fallstricke.
Die zunehmende Regulierung erfordert neue Meldewege für entsprechende Verdachtsfälle. In Deutschland verpflichtet das Hinweisgeberschutzgesetz Unternehmen ab einer bestimmten Größe, entsprechende Meldestellen einzurichten. Auch wenn nicht jede Meldung über ein solches Hinweisgebersystem eine interne Untersuchung auslösen muss, wird die Zahl der ernst zu nehmenden Verdachtsfälle ansteigen.
Jedes Unternehmen kann und sollte sich entsprechend seiner individuellen Möglichkeiten auf diese Szenarien vorbereiten. Oppenhoff bietet dafür zusammen mit Partnern aus dem Bereich Kommunikationsmanagement, Strafverteidigung und IT-Forensik einen eigenen Workshop an, mit dessen Hilfe Unternehmen selbst prüfen können, ob sie für den Fall der Fälle gut vorbereitet sind.

oppenhoff.eu