Handel: Thalia – Vom Buch zum Brettspiel
Thalia übernimmt Spielwaren Krömer und Toysino und betritt damit Neuland: Erstmals bündelt der Buchhandelsriese ein eigenes Segment für stationäre Spielwarengeschäfte. Mit an Bord sind die bisherigen Eigentümer Christian und Daniel Krömer, die künftig den Ausbau verantworten. Astrid Specht hat mit Christian Krömer und Thalia-Geschäftsführer Ingo Kretzschmar über Beweggründe, Strategien und das neue Konzept „Spielzeit by Thalia“ gesprochen und unter anderem erfahren, wie viel Fachhandel künftig noch im System Thalia steckt.


Herr Krömer, wie sind Sie mit Thalia bezüglich einer Übernahme der Toysino und Krömer Spielwarenläden ins Gespräch gekommen und was war für Sie der ausschlaggebende Faktor, weswegen Sie der Übernahmen zugestimmt haben?
Thalia hat uns zunächst angesprochen, ob wir uns grundsätzlich eine Zusammenarbeit vorstellen können. In den Gesprächen hat sich dann aber schnell gezeigt, dass wir in vielen Punkten gleich ticken und sehr ähnliche Vorstellungen haben. So ist nach und nach die Idee einer vollständigen Übernahme entstanden – weil das für beide Seiten die sinnvollste Perspektive war. Für uns war das letztlich die beste Entscheidung, um unser Unternehmen gut für die Zukunft aufzustellen und gemeinsam die Herausforderungen im Einzelhandel anzugehen.
Mit welchem Gefühl haben Sie Ihre Läden in die Hände von Thalia gegeben?
Das war ein richtig gutes Gefühl, weil wir von Anfang an in den entscheidenden Punkten auf einer Wellenlänge waren. Außerdem gibt uns Thalia die Chance, die Zukunft des Spielwarenhandels aktiv mitzugestalten – das war und ist uns besonders wichtig.
Gab es vor zwei Jahren, als Sie die stationären myToys Geschäfte übernahmen, schon so etwas wie einen „Langzeitplan“, das heißt, war diese Entwicklung damals schon in irgendeiner Form abzusehen?
Nein, das hatten wir damals überhaupt nicht auf der Agenda.
Sie und Ihr Bruder Daniel werden als „Führungsduo innerhalb der Thalia Gruppe das neue Segment Spielwarenfachhandel aufbauen“ hieß es in der Pressemitteilung. Wie genau sieht Ihr Konzept speziell für die Toysino und Krömer Geschäfte aus?
Mitte November haben wir in Lüdenscheid mit „Spielzeit by Thalia“ das erste Spielwaren-Fachgeschäft von Thalia eröffnet, mit einem ganz neuen Ladenbau-Konzept und einem starken Fokus auf Beratung, Inspiration und Erlebnis. Dort werden wir auch einiges ausprobieren und pilotieren, bevor wir ab dem kommenden Jahr dieses Konzept dann Schritt für Schritt in den bestehenden Toysino und Spielwaren Krömer Läden umsetzen werden.
Welche Pläne haben Sie darüber hinaus für die anderen hinzugewonnenen Spielwarengeschäfte? Erfahren diese dieselbe Anpassung an das neue Thalia-Konzept oder haben Sie die Möglichkeit, individuell auf die Standorte einzugehen?
Auch Peppinghaus by Thalia in Münster-Wolbeck, das seit Oktober zu Thalia gehört, wird an das neue Spielzeit-Konzept angepasst werden. Das Münsteraner MuKK-Kinderkaufhaus, ein absoluter Leuchtturm im deutschen Spielwarenfachhandel, bleibt als eigenständige Marke bestehen und wird weiterhin ein besonderes Einkaufserlebnis für die ganze Familie bieten.
Das Thema „Kidults“ lässt die Branche nicht los. Spielt diese kaufstarke Zielgruppe eine Rolle in dem neuen Konzept? Wenn ja, wie wollen Sie diese ansprechen?
Selbstverständlich spielen die Kidults für uns eine große Rolle. Wir sehen hier eine starke Entwicklung, der wir auch im Sortiment Rechnung tragen. Aber bei uns geht es um mehr, als nur Waren zu präsentieren – das Einkaufserlebnis steht im Mittelpunkt. Deshalb begleiten wir das Thema Kidults auch mit passenden Aktionen und Veranstaltungen.
Welche Erfolgsziele haben Sie sich für die nächsten fünf Jahre für das Spielwarensegment unter Thalia gesetzt?
Natürlich wollen wir bei Thalia die Spielwaren-Fachgeschäfte zu einem weiteren, fest etablierten Standbein neben den Buchhandlungen aufbauen. Uns treibt aber noch ein weiteres Thema an: Klassische Spielwarenhändler ziehen sich immer mehr aus den Innenstädten zurück. Unser wichtigstes Ziel ist es daher, durch attraktive Spielwaren-Geschäfte den stationären Handel in den Innenstädten wieder zu stärken.
Während Christian Krömer den Übergang und die operative Umsetzung begleitet, richtet Thalia-Geschäftsführer Ingo Kretzschmar den Blick auf die strategischen Ziele hinter der Übernahme und erklärt, weshalb das Unternehmen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich Verantwortung übernehmen will.

Herr Kretzschmar, Thalia ist seit einiger Zeit stark auf Wachstumskurs, nicht nur durch die Übernahme zahlreicher Einzelbuchhandlungen, sondern auch durch die Ausweitung des Sortiments, etwa mit der Integration von MuKK Kinderwelt und nun mit Spielwaren Krömer und Toysino. Wie definieren Sie konkret den Erfolg dieser Übernahmen, insbesondere der Geschäfte von Daniel und Christian Krömer?
Der Erfolg solcher Übernahmen lässt sich für uns nicht allein an klassischen Kennzahlen wie Umsatz messen. Entscheidend ist, ob sie strategisch und kulturell zu Thalia passen – also ob sie unser Ziel stärken, Orte zu schaffen, an denen Familien und Kinder Freude am Entdecken haben. Mit MuKK, Krömer und Toysino erweitern wir unser Angebot gezielt in Bereichen, die thematisch und emotional eng an das Buch anschließen: Spielen, Lernen, Staunen. Wenn man so will, ist der Erfolg dieser Übernahmen daran zu erkennen, dass die jeweiligen Geschäfte lebendig bleiben – mit den Menschen, die sie geprägt haben.
Welcher übergeordneten Wachstumsstrategie folgt Thalia mit diesen Schritten? Und unter welchen Voraussetzungen würden Sie künftig erneut strategische Zukäufe im Spielwaren- oder Nonbook-Fachhandel in Betracht ziehen?
Der Umsatz im Non-Book-Segment ist bei Thalia in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, der Anteil am Gesamtumsatz liegt mittlerweile stabil bei rund 28 Prozent. Das Non-Book-Geschäft und insbesondere die Spielwaren sind ein Grund, warum wir in den vergangenen Jahren stärker gewachsen sind als die meisten unserer Wettbewerber. Und das ist auch ein Grund, warum wir mit den Spielwaren-Fachgeschäften neben den Thalia Buchhandlungen nun eine zweite Vertriebsmarke aufbauen werden. Zugleich sehen wir, dass sich klassische Spielwarenhändler zunehmend aus den Innenstädten zurückziehen. Wir wollen dieser Entwicklung etwas entgegensetzen und mit attraktiven Läden Ankerpunkte im urbanen Raum schaffen. Das ist sowohl wirtschaftlich sinnvoll als auch ein kulturelles Statement.
In der Spielwarenbranche ist zunehmend von Konsolidierung die Rede. Kritiker befürchten dadurch eine Verarmung an Vielfalt im stationären Handel, insbesondere beim Spielwarensortiment. Wie begegnen Sie dieser Sorge?
Wir sehen uns als Impulsgeber für Vielfalt im stationären Handel. In vielen Städten, in denen Toysino oder Krömer vertreten sind, wurde der Spielwarenfachhandel in den vergangenen Jahren stark ausgedünnt. Unser Ziel ist es, diese Lücke nicht größer werden zu lassen.
Baut Thalia mit der Übernahme von Toysino und Krömer nicht ein Spielwarenmonopol in einigen Innenstädten auf – zulasten kleinerer Fachhändler?
Das genaue Gegenteil ist richtig, sowohl im Buchhandel wie bei den Spielwaren. Durch Übernahmen und Kooperationen, wie unserem Partnermodell, sorgen wir erst dafür, dass die Läden in den Innenstädten weiter existieren. Ohne uns müssten sie schließen. Und das kann niemand wollen.
War die Übernahme in erster Linie ein strategischer Schritt zur Margenoptimierung und Flächenverwertung oder Ausdruck eines echten Bekenntnisses zum Fachhandel?
Wir brauchen funktionierende Innenstädte! Sie sind die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und einen relevanten Beitrag zu lebendigen Innenstädten leistet der Fachhandel. Dafür setzen wir uns mit unseren Geschäften ein. Wir wollen, dass die Menschen gerne in die Städte kommen, dass sie sich wohl fühlen, sich dort gerne aufhalten.
Wie werden sich Sortimentsauswahl, Flächengestaltung und Produktpräsentation an den übernommenen Standorten entwickeln? Folgen diese künftig einem einheitlichen „Thalia-Raster“ oder bleibt Raum für individuelle Handschrift und lokale Sortimentsbesonderheiten?
Natürlich sollen die Kunden auf den ersten Blick erkennen, in welchem Geschäft sie stehen, egal in welcher Stadt. Daher wird es ein grundlegendes Ladenbau-Konzept geben, das aber an die jeweiligen Standorte angepasst wird und allein schon dadurch eine individuelle Note erhält. Gleiches gilt auch für die Sortimentsgestaltung.
Welche thematischen Synergien sehen Sie insbesondere zwischen Kinderbuch und Spielware und wie sollen diese am PoS erlebbar gemacht werden? Der stationäre Handel wird künftig mehr denn je Erlebnisse bieten müssen, um gegenüber dem bequemen und oft günstigeren Online-Shopping bestehen zu können …
Wir sind davon überzeugt, dass Lesen und Spielen zusammengehören. Weil Geschichten nicht nur im Kopf, sondern auch im Kinderzimmer anfangen oder weitergehen. Derzeit arbeiten wir an Ideen und Konzepten, wie wir beides gemeinsam auf besondere Weise erlebbar machen können. Denn ich gebe Ihnen Recht, eine gut kuratierte Sortimentsauswahl reicht schon lange nicht mehr, um die Kunden in die Läden zu holen. Mit Events, Lounges oder auch Cafés haben wir es bei Thalia geschafft, dass die Menschen gerne in unsere Buchhandlungen kommen, sich dort wohl fühlen und gerne aufhalten. Da sind auch spannende Ansätze für die Spielwaren-Fachgeschäfte dabei.
Wie gelingt in diesem Zusammenhang der Spagat zwischen dem Anspruch, stationär Erlebniswelten zu schaffen, und den gleichzeitig wachsenden Online-Aktivitäten von Thalia, die in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden sind? Welche Rolle spielt der E-Commerce konkret für das Spielwarengeschäft – auch im Zusammenspiel mit den neu integrierten stationären Flächen?
Im Buchhandel wird es immer entscheidender, kanalunabhängige Lösungen anzubieten, die ein nahtloses Kauferlebnis ermöglichen. Stichwort Omnichannel. Dieser Perspektivwechsel, weg von isolierten Kanälen hin zu einer ganzheitlichen Kundenlösung, ist einer unserer wesentlichen Erfolgsfaktoren. Auch in unseren Spielwaren-Geschäften werden wir das konsequent umsetzen, beispielsweise durch Click & Collect oder virtuelle Regalverlängerung.
Neueröffnung „Spielzeit by Thalia“ in Lüdenscheid
Mit dem neuen Format „Spielzeit by Thalia“ schlägt der Buchhandelsriese ein neues Kapitel im stationären Spielwarenhandel auf. Am 14. November 2025 eröffnete im Stern-Center in Lüdenscheid das erste eigene Fachgeschäft für Spielwaren auf rund 470 Quadratmetern Verkaufsfläche und mit einem klaren Anspruch: Beratung, Erlebnis und Inspiration sollen im Mittelpunkt stehen.
Das neue Ladenbaukonzept setzt auf warme Materialien, angenehme Farben, klare Linien und liebevoll gestaltete Thementische. Eine einladende Atmosphäre soll Eltern wie Kinder gleichermaßen zum Stöbern, Spielen und Staunen einladen. Spielerische Elemente im Raum laden zum Ausprobieren ein und machen den Einkauf zum Erlebnis – ein Aspekt, der laut Thalia künftig den entscheidenden Unterschied zum reinen Onlinehandel ausmachen soll.
Sortimentsseitig deckt Spielzeit von hochwertigen Marken-Spielwaren über Produkte für Babys und Kleinkinder bis hin zu Outdoor-Spielzeug, Gesellschaftsspielen, saisonalen Themenwelten und Geschenkideen ein breites Spektrum ab. Ergänzt wird das Angebot durch zielgruppengerechte Aktionen, darunter Workshops, Produktvorführungen, Bastelaktionen, Lesungen und Kreativtage. Besonders im Fokus: der Kindergeburtstag als zentrales Erlebnis. So wird etwa das Zusammenstellen von Wunschkisten durch Überraschungen und individuelle Beratung emotional aufgeladen.
Neben der physischen Inszenierung setzt Thalia auch in Spielzeit auf seine bewährten digitalen Services aus dem Buchhandel: Click & Collect, Scan & Go, Self-Checkout-Kassen, digitale Beratungstools und virtuelle Regalverlängerung sind fester Bestandteil des Konzepts. Damit verfolgt das Unternehmen konsequent seinen Omnichannel-Ansatz und kombiniert stationäre Erlebnisqualität mit digitaler Convenience.

Für Thalia-Geschäftsführer Ingo Kretzschmar ist das neue Fachgeschäft mehr als ein zusätzlicher Vertriebsweg: „Das ist für uns auch ein gesellschaftliches Signal: Denn viele klassische Spielwarenhändler ziehen sich vielerorts aus den Innenstädten zurück. Dieser Entwicklung wollen wir aktiv entgegenwirken und mit attraktiven Läden als Ankerpunkte im urbanen Raum präsent bleiben.“ Auch Christian Krömer, Geschäftsführer der Thalia Spielwaren GmbH, unterstreicht: „Mit Spielzeit by Thalia verbinden wir das Beste aus zwei Welten: die Begeisterung des Spielens und Schenkens mit der modernen Service- und Erlebniswelt, die die Kundinnen und Kunden von Thalia bereits kennen.“
