Brennpunkt: Zwischen Haltung und Realität – Diversion im Wandel
Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert wie DEI, also eine Haltung, die versucht, unterschiedlichsten Menschen und Gruppierungen Raum, Entwicklungsmöglichkeiten und Zugehörigkeit zu geben. Auf wirtschaftlicher Ebene galt DEI lange als zukunftsweisender Wert. So haben Unternehmen weltweit Programme aufgesetzt, um Chancengleichheit zu fördern, Diskriminierung abzubauen und eine inklusive Kultur zu schaffen – auch in der Spielwarenbranche. Doch nun gerät das Thema international unter Druck. Besonders in den USA rollen große Unternehmen ihre DEI-Initiativen zurück, nicht zuletzt aufgrund politischer und juristischer Vorgaben unter der Regierung Trump und auch in Deutschland geraten Unternehmen wie beispielsweise SAP in Zugzwang.
Was ist DEI?
DEI steht für die englischen Begriffe „(D)iversity,
(E)quity & (I)nclusion“ und heißt auf deutsch so viel wie „Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion“. Diversity bezieht sich auf sichtbare und unsichtbare Unterschiede zwischen Menschen, zum Beispiel ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion oder sexuelle Orientierung. Equity beschreibt das Prinzip fairer Bedingungen, das strukturelle Benachteiligungen ausgleicht, etwa durch gezielte Förderung oder barrierefreien Zugang. Inklusion schließlich meint ein Umfeld, in dem sich alle Menschen respektiert, willkommen und gehört fühlen.
Für Unternehmen in der Spielwarenbranche bedeutet DEI nicht nur interne Personalpolitik, sondern betrifft ganz direkt die Gestaltung von Produkten, die Ansprache der Zielgruppen und das Bild, das eine Marke von Kindern, Familien und Gesellschaft transportiert. Große Unternehmen wie Mattel oder Lego verstehen DEI schon seit vielen Jahren als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor. Doch auch für kleine und mittelständische Unternehmen lohnt es sich das Thema näher zu beleuchten: Produkte für Kinder sollten idealerweise ein breites Spektrum an Lebensrealitäten abbilden und allen Kindern das Gefühl geben, gesehen und einbezogen zu werden. Eine Puppe mit Hörgerät, ein Spiel mit diversen Familienmodellen oder ein Produkttext in einfacher Sprache sind Beispiele für gelebte Inklusion.
Die Vorteile
Die wirtschaftliche Bedeutung von DEI ist durchaus belegt. Studien renommierter Institute wie McKinsey oder Deloitte zeigen, dass Unternehmen mit diversen Teams innovativer sind, schneller auf Marktveränderungen reagieren und nachhaltiger wirtschaften. Vielfalt fördert Perspektivwechsel, Kreativität und Teamkompetenz.
Konkret sagt die 2022 bereits zum vierten Mal von der Unternehmensberatung McKinsey durchgeführte Studie „Diversity Matters even more“, dass europäische Unternehmen mit gemischten Führungsteams eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Dabei haben sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen für Unternehmen stark verändert, doch die Vielfalt der Führungsteams korreliert weiterhin positiv mit höheren finanziellen Erträgen. Demnach haben Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen weltweit eine um 39 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, als Unternehmen mit der geringsten Diversität. Dieser Zusammenhang hat sich seit 2015 verdoppelt, 2020 lag der Wert noch bei 25 Prozent. In Europa (analysiert wurden Daten aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien, Norwegen und Schweden) ist der Diversitäts-Bonus mit einer um 62 Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit sogar noch deutlich stärker ausgeprägt. Betrachtet man den Faktor der ethnischen Diversität (Internationalität der Führungsteams), liegt der Wert weltweit ebenfalls bei 39 Prozent. Auf der anderen Seite haben Unternehmen im untersten Quartil sowohl bei der Geschlechter- als auch bei der ethnischen Vielfalt eine um 66 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, finanziell besser abzuschneiden als der Durchschnitt. „In vielfältige Teams und eine inklusive Unternehmenskultur zu investieren, lohnt sich auch wirtschaftlich mehr denn je. Wer sich darum nicht kümmert, riskiert, den Anschluss zu verlieren. In Europa ist Vielfalt sogar ein noch stärker differenzierender Faktor, da gemischte Teams und eine inklusive Kultur in der Breite der Unternehmen noch weniger ausgeprägt ist als beispielsweise in den USA. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zahlt es sich umso mehr aus, vielfältige Perspektiven zu berücksichtigen und robustere Entscheidungen zu treffen“, sagt Julia Sperling-Magro, McKinsey-Partnerin und Leiterin der People & Organizational Performance Practice in Deutschland und Österreich.
In der Spielwarenwelt übersetzt sich das in vielfacher Hinsicht: Ein diverses Entwicklerteam denkt vielleicht anders über Rollenbilder nach. Ein Marketing-Team mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen erkennt schneller, ob ein Spot international funktioniert. Und wer Vielfalt intern lebt, ist auch für Fachkräfte interessanter – ein Vorteil im Rennen um Talente, das gerade in der DACH-Region immer schneller wird. Zugleich gibt es eine klare Konsumentenerwartung. So schreibt Lucy Kalin von der London School of Economics: „Wenn Unternehmen dem politischen Gegenwind gegen DEI nachgeben, übersehen sie womöglich ihre Zielgruppe. Neue Untersuchungen zeigen, dass fast 70 Prozent der Verbraucher Firmen bevorzugen, die Vielfalt aktiv unterstützen. In einem Markt, in dem Loyalität über geteilte Werte entsteht, Unternehmen, die DEI (Diversity, Equity, Inclusion) an den Rand drängen, sowohl das Vertrauen der Kunden als auch langfristigen Erfolg riskieren.“
Besonders Frauen und jüngere Konsument*innen aus der Generation Z achten bewusst darauf, ob Unternehmen für Werte wie Gleichstellung, Toleranz und Diversität einstehen. Wer sich hier glaubhaft positioniert, baut langfristige Markentreue auf. Hinzu kommen ganz praktische Vorteile: Eine inklusiv ausgerichtete Belegschaft kann kulturelle Missverständnisse in der internationalen Kommunikation verringern, neue Zielgruppen identifizieren und auf gesellschaftliche Trends schneller reagieren. DEI ist damit nicht nur eine moralische Haltung, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil.
Die Nachteile
Trotz zahlreicher Vorteile bleibt DEI kein Selbstläufer. In der Praxis stoßen viele Unternehmen an ihre Grenzen. Unterschiedliche Perspektiven können zu Missverständnissen führen, etwa bei Kommunikationsgewohnheiten oder Entscheidungsprozessen, wie eine Studie der London Business School schon 2016 feststellte. Darin wurden die Vor- und Nachteile vielfältiger Teams gegenübergestellt: Dabei wurde die größere Bandbreite an Wissen, intensivere Diskussionen von Entscheidungen und eine kreativere Ideenentwicklung als positive Punkte genannt. Die Nachteile lagen vorrangig in der Kommunikation: So fiel es den Teams schwerer, sich untereinander auszutauschen, beispielsweise aufgrund von Sprachbarrieren oder unterschiedlichen Qualifikationsständen. Das führte dazu, so die Studie, dass sich Konflikte häuften und sich Teammitglieder gegenseitig weniger unterstützten. Im schlimmsten Fall war die Konsequenz, dass Mitarbeitende häufiger das Unternehmen wechseln, schneller krank wurden oder sich seltener sowie unproduktiver in einzelne Prozesse einbringen.
Auch die Messbarkeit des Erfolgs ist problematisch. Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, warnt vor überzogenen Erwartungen und spricht sich ganz klar gegen die Erkenntnisse von McKinsey aus: „Es ist ein Irrtum, dass vielfältige Führungsteams zu Umsatzsteigerungen führen. Um seriös feststellen zu können, dass es einen unikausalen Zusammenhang zwischen Vielfalt und Umsatzsteigerung gibt, müsste eine Studie über einen langen Zeitraum, idealerweise unter Laborbedingungen und Einbezug einer Kontrollgruppe stattfinden.“
Damit stellt sich die Frage, wie DEI in Kennzahlen überhaupt abgebildet werden kann. Reichen Quoten aus, oder braucht es qualitative Analysen? Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen der Spielwarenbranche fehlen häufig die Ressourcen, um DEI strategisch zu verankern. Die Folge sind gut gemeinte Einzelmaßnahmen ohne nachhaltige Wirkung. Die Kosten von Vielfalt hingegen lassen sich sehr gut bestimmen. Diversität zu forcieren, würde in der Konsequenz bedeuten, dass Löhne angeglichen, objektive Bewertungssysteme implementiert und Schulungen für Mitarbeitende angeboten werden müssten. Nicht zuletzt müssten mitunter bauliche Veränderungen umgesetzt werden, um Unternehmen barrierefrei zu gestalten. All das ist teuer. „Man kann recht gut berechnen, was Diversity kostet. Aber nicht, was sie bringt“, bestätigt auch Julia Gruhlich, Organisationssoziologin und Herausgeberin eines Handbuchs zur Diversitäts- und Organisationsforschung.
Hinzu kommt die Gefahr des „Tokenismus“, also der bloßen Symbolpolitik. Wenn beispielsweise eine Frau mit Migrationshintergrund prominent in einem Unternehmensvideo gezeigt wird, ohne dass interne Strukturen für echte Teilhabe existieren, entsteht ein Missverhältnis zwischen Anspruch und Realität mit potenziell gravierenden Folgen für das Vertrauen nach innen wie außen.
Weitere Nebenwirkungen können Quotenregelungen sein, die andere Gruppen benachteiligen, oder ein Gefühl unter Mitarbeitenden, dass Zugehörigkeit wichtiger sei als Leistung. Solche Spannungsfelder erfordern Fingerspitzengefühl, klare Strategien und professionelles Change Management.
Wenn die Politik eingreift
Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wiegen die oben beschriebenen Nachteile, insbesondere die hohen Kosten von DEI-Maßnahmen schwerer als die Vorteile und hat beispielweise die US-Regierung dazu veranlasst, einzugreifen und am 20. und 21. Januar 2025 zwei weitreichende Entscheidungen zu treffen: Die erste erlassene Exekutivanordnung „Ending Radical and Wasteful Government DEI Programs and Preferencing“ beendete sämtliche staatliche DEI-bezogenen Programme, Initiativen und Mandate. Zu diesem Zweck wurden alle Mitarbeiter in DEI-bezogenen Positionen beurlaubt und später entlassen. Zudem sollen interne DEI-Maßnahmen, wie spezielle Büros, Trainings- und Förderprogramme, abgeschafft werden. Mit der Exekutivanordnung „Ending Illegal Discrimination And Restoring Merit-Based Opportunity” vom 21. Januar 2025 wurde das Ziel der Abschaffung von DEI-Förderung auf den privaten Sektor ausgeweitet. Der Anordnung zufolge verstoßen DEI-Programme in Unternehmen gegen Bundesbürgerrechtsgesetze, untergraben die nationale Einheit und gefährden die Sicherheit der Amerikaner, „da sie die traditionellen amerikanischen Werte harter Arbeit, hervorragender Leistungen und individueller Errungenschaften zugunsten eines ungesetzlichen, zersetzenden und schädlichen identitätsbasierten Ausbeutungssystems leugnen, diskreditieren und untergraben.“ Die vor allem unter der Regierung Biden eingeführten DEI-Maßnahmen hätten demnach ihren Zweck verfehlt und stattdessen zu einer „umgekehrten Diskriminierung“ geführt.
Die Konsequenzen
Da das Vorgehen der US-Regierung gegen DEI-Maßnahmen ausdrücklich auch den privaten Sektor betrifft, stehen Unternehmen nun vor einem erheblichen finanziellen Risiko, wenn sie an solchen Programmen festhalten. Zum einen drohen potenzielle Klagen wegen „umgekehrter Diskriminierung“, zum anderen soll im Rahmen des Bundesbeschaffungswesens künftig verpflichtend sichergestellt werden, dass Personalentscheidungen ausschließlich auf Grundlage von Verdienst und Leistung getroffen werden. DEI-Kriterien dürfen dabei keine Rolle spielen. Unternehmen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, riskieren den Ausschluss von staatlichen Aufträgen.
Bedeutung für Deutschland
In diesem Spannungsfeld geraten auch deutsche Konzerne mit US-Geschäft unter Zugzwang. SAP etwa hat infolge der Exekutivanordnungen Teile seiner DEI-Ziele aufgegeben: Die Zielquote von 40 Prozent Frauenanteil entfällt, Diversität wird nicht länger in Gehaltskomponenten berücksichtigt, zuständige Abteilungen werden umstrukturiert. Begründung: rechtliche Risiken in den USA. Ähnliche Schritte meldet auch die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile US. Für multinationale Unternehmen, darunter auch aus der Spielwarenbranche, stellt sich nun die strategische Frage: Muss unsere Kommunikation künftig noch differenzierter und stärker lokalisiert werden? Wie lässt sich eine glaubwürdige, konsistente globale Positionierung mit den unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen vereinbaren? Empfehlenswert ist in jedem Fall, die internen DEI-Maßnahmen mit Blick auf den US-Markt zu überprüfen. Doch auch Programme außerhalb der USA könnten in den Fokus geraten, beispielsweise im Rahmen der angekündigten Compliance-Prüfungen börsennotierter Unternehmen mit einem Vermögen von mehr als 500 Millionen Dollar. Zwar dürfte sich die US-Kontrolle in erster Linie auf DEI-Maßnahmen im eigenen Land konzentrieren, doch eine kritische Betrachtung ausländischer Programme, auch in Deutschland, ist nicht auszuschließen.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland grundlegend anders sind. Hier existiert eine Vielzahl verbindlicher Vorgaben, die Diversität, Gleichstellung und Inklusion fördern: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Benachteiligungen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung und sieht Schadensersatzansprüche vor. Das Führungspositionen-Gesetz II (FüPoG II) verpflichtet börsennotierte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern, mindestens eine Frau in den Vorstand zu berufen. Nach dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) müssen größere Arbeitgeber mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) wiederum schreibt Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen der Bundesverwaltung vor, ergänzt durch entsprechende Landesgesetze. Deutschland bleibt damit an vielfältige gesetzliche DEI-Vorgaben gebunden. Konfliktpotenzial mit der US-Politik ist jedoch vorhanden, insbesondere bei international tätigen Unternehmen. Denkbar wäre, bestehende Abteilungen unter der Bezeichnung „Diversity, Equity & Inclusion“ umzubenennen. Eine neue Terminologie könnte verdeutlichen, dass der Schwerpunkt nicht auf politisch aufgeladenen Maßnahmen liegt, sondern auf der konsequenten Umsetzung geltenden deutschen Rechts.
Zwischen Anpassung und Haltung
Auch wenn es in Deutschland gesetzliche Regelungen gibt, die Arbeitnehmer*innen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen schützen, ist der Haltungswandel auf der anderen Seite des Atlantiks auch hier deutlich vernommen worden. Gleichzeitig baut sich ein Spannungsfeld auf zwischen Kräften, die DEI-Maßnahmen für irrelevant halten und einer heranwachsenden Käufergruppe, denen genau diese Werte aber wichtig sind. Deshalb ist es für Spielwarenhändler, Lizenznehmer und Endkund*innen ratsam zunehmend auf Authentizität zu achten, denn besonders die Generation Z ist sensibilisiert für „Diversity Washing“. Ein Unternehmen, das im Pride-Monat Regenbogenlogos nutzt, aber intern keine einzige LGBTQ+-Ansprechperson hat, verliert an Glaubwürdigkeit. In der Spielwarenbranche betrifft das nicht nur Personalpolitik, sondern auch Lizenzpartnerschaften, Packaging, Werbung und PoS-Gestaltung. Wer sich hier unglaubwürdig verhält, riskiert Absatzverluste.
Wie also weitermachen? Stella Pfeifer stellt in einem Expertenbeitrag der Robert Bosch Stiftung die Gretchenfrage: „Diversität bringt Unsicherheiten und Konflikte mit sich, die in homogenen Unternehmen so nicht bestehen. Die Vorteile dagegen sind qualitativ und anekdotisch erzählbar, jedoch empirisch schwer zu erheben. Sollte man es also einfach sein lassen, wenn der Nutzen kaum evidenzbasiert messbar ist?“
Tatsächlich wirkt die Diskussion, ob Diversität ein überholtes Konzept sei angesichts der aktuellen demografischen Entwicklung in Deutschland aber wie eine Farce: Deutschlands Bevölkerung altert, Fachkräfte verlassen den Arbeitsmarkt, und der Mangel ist schon jetzt in vielen Branchen spürbar mit deutlichen Umsatzverlusten. Parallel dazu werden Zielgruppen immer diverser, wollen verstanden und angesprochen werden. Rein ökonomisch betrachtet müssten Unternehmen Diversität und Inklusion also noch stärker fördern, weil der Arbeitsmarkt auf sie angewiesen ist und sie weiter Umsatz machen müssen.
Hinzu kommt, dass gerade in einem Umfeld, in dem Spielzeug Identitätsbildung unterstützt und unterschiedlichste Lebensrealitäten widerspiegelt, klare Positionen nötig sind. Unternehmen sollten DEI daher nicht als modisches Beiwerk, sondern als strategische Notwendigkeit begreifen. Drei Aspekte können für die Umsetzung Orientierung geben:
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Transparenz: DEI-Ziele müssen messbar sein und ihre Umsetzung ehrlich reflektiert werden. Es geht nicht um Perfektion, sondern um glaubwürdiges Bemühen.
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Flexibilität ohne Beliebigkeit: Unterschiedliche Märkte erfordern angepasste Strategien, doch der Markenkern sollte unverrückbar bleiben.
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Interne Verankerung: DEI gehört von der Personalgewinnung über Schulungen bis hin zur Produktentwicklung in die DNA des Unternehmens. Wer nur die Außenkommunikation verändert, bleibt an der Oberfläche.
Unterstützend könnten verschiedene Branchenplayer Best Practices sichtbar machen oder Benchmarks setzen. Letztlich geht es jedoch nicht darum, eine DEI-Checkliste abzuhaken, sondern um die durch und durch menschliche Grundfrage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben und – weil Unternehmen immer auch ein Brennglas für gesellschaftliche Entwicklungen sind – was können wir als Unternehmen tun (oder lassen), damit alle, die hier arbeiten sich gewollt fühlen?
Beispiel RTL Group Deutschland
Auch wenn die Spielwarenbranche besonders sensibel ist, weil sie mit ihren Produkten Werte und Rollenbilder an Kinder vermittelt, gilt die Auseinandersetzung mit DEI längst nicht nur hier. Vielfalt ist ein Thema, das alle Branchen betrifft, gerade auch dort, wo Inhalte produziert werden, die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegeln. Ein Blick in die Medien zeigt, wie DEI strategisch und programmatisch gelebt werden kann. Marie-Fee Taube, Head of Sustainability & Corporate Responsibility bei RTL Deutschland, erläutert im Interview, wie das Unternehmen Vielfalt sowohl intern als Arbeitgeber als auch extern in seiner Programmgestaltung und Markenkommunikation verankert.
Frau Taube, welche konkreten Ziele verfolgt RTL Deutschland im Bereich Diversity, Equity & Inclusion – sowohl intern als Arbeitgeber als auch mit Blick auf Programmgestaltung und Markenkommunikation?
Bei RTL Deutschland gehört Vielfalt zu unserem Selbstverständnis und ist fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Wir sind davon überzeugt, dass Diversität uns intern kreativer und stärker macht und extern unsere Inhalte bereichert – und das übrigens schon seit es RTL gibt. Wenn unterschiedliche Perspektiven und Lebenswege zusammenkommen, wenn sich die Vielfalt unserer Gesellschaft in unserem Unternehmen spiegelt, entsteht die Leidenschaft für Inhalte und Innovation, die uns so erfolgreich macht. Deshalb setzen wir uns jeden Tag dafür ein, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich alle Menschen gleichermaßen respektiert und wertgeschätzt fühlen.
Ein Blick in unsere Inhalte-Angebote zeigt: Vielfalt ist Teil unserer DNA. Ob bei „Let´s Dance“, „Golden Bachelor“, „Prince/ Princess Charming“, „Zum Schwarzwälder Hirsch“ oder auch in unseren täglichen Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Bei der Gestaltung unserer Formate werden Diversitätsmerkmale wie sexuelle Orientierung oder Herkunft ganz gezielt adressiert, in einigen Fällen aber auch bewusst nicht zum Thema gemacht, um gerade dadurch ihre absolute Normalität zu betonen. Darüber hinaus setzt RTL Deutschland mit der Initiative „Vielfalt verbindet“ seit 2021 in seinen Angeboten jährlich einen Schwerpunkt in der „Woche der Vielfalt“, einer Themenwoche, die Aufmerksamkeit für Diversity-Themen schafft und crossmedial über alle Kanäle und Plattformen für Gemeinschaft, Toleranz und Gleichberechtigung eintritt.
Wie ist das Thema DEI organisatorisch bei Ihnen verankert? Gibt es feste Zuständigkeiten, ein eigenes Budget oder ist es Teil übergreifender Unternehmensbereiche wie HR oder Kommunikation?
Unser langfristiges Ziel ist es, DEI ganzheitlich in alle Prozesse und Bereiche des Unternehmens einzubinden. Um das zu erreichen, ist das Thema bei RTL Deutschland doppelt und komplementär verankert – zum einen in einer Stabsstelle „Diversity, Equity & Inclusion“ innerhalb des Human Resources Bereichs, zum anderen im Team „Sustainability & Corporate Responsibility“. Die DEI-Stabsstelle verantwortet die strategische Verankerung im Employee-Life-Cycle, begleitet interne Gremien und Führungskräfte, berät als Inklusionsbeauftragte und etabliert KPIs zur Fortschrittsmessung auf den DEI-bezogenen Themen. Sie entwickelt zudem interne Formate wie Trainings, Awareness-Kampagnen und den ganzheitlichen Strategieansatz, der eine nachhaltige DEI-Verankerung im Unternehmen verfolgt. Parallel dazu integriert das Sustainability & CR-Team DEI als elementaren Bestandteil der unternehmensweiten Nachhaltigkeitsstrategie – das zeigt sich unter anderem in der Initiative „Vielfalt verbindet“, in einer engen Zusammenarbeit mit Mitarbeitendennetzwerken und einem ‚Diversity Circle‘, sowie in der Organisation von Corporate Volunteerings, bei denen Mitarbeitende regelmäßig die Gelegenheit erhalten, sich zu engagieren. Die beiden Bereiche agieren Hand in Hand, um Vielfalt in unseren Inhalte-Angeboten und im Arbeitsalltag bei RTL Deutschland zu fördern.
Wie messen Sie die Wirksamkeit Ihrer DEI-Strategie? Gibt es interne Kennzahlen, Studien oder qualitative Rückmeldungen, anhand derer Sie Fortschritte und Wirkung nachvollziehen können, zum Beispiel in der Mitarbeiterbindung, in der Wahrnehmung der Marke oder bei der Reichweite bestimmter Formate?
Interne Kennzahlen zur Messung des Fortschritts sowie zum gezielten Aussteuern von Maßnahmen sind fester Bestandteil unserer DEI-Strategie und geben uns wertvolle Einblicke, wo wir jeweils mit unseren Themen und Zielen stehen. Darüber hinaus wird das Thema in freiwilligen Mitarbeitendenbefragungen des Unternehmens, die regelmäßig stattfinden, mit abgefragt. Und auch programmlich werden fortlaufend reguläre Performance-Parameter herangezogen. Ein besonderer Marktforschungs-Fokus liegt darüber hinaus auf unseren Themenwochen – hier betrachten wir jährlich die Wahrnehmung und inwiefern wir mit unseren Schwerpunkt-Inhalten unsere Zuschauer*innen und Nutzer*innen informieren, sensibilisieren und begeistern konnten. Mit Erfolg: So haben laut einer FORSA-Umfrage in diesem Jahr die Inhalte unserer „Woche der Vielfalt“ unter dem Motto „Gefühle kennen keine Unterschiede“ erfolgreiche Sensibilität für ihr Thema geschaffen: 62 Prozent der Zuschauer*innen gaben an, dass ihnen die Woche gezeigt hat, dass Menschen trotz Unterschieden viele Emotionen und Erfahrungen teilen. 45 Prozent fühlten sich durch die Beiträge, Artikel und Sendungen der Woche ermutigt und sahen diese insgesamt positiv. Auch der Impact ist deutlich messbar: Ein Drittel (33 Prozent der Zuschauer*innen wurde durch die Inhalte motiviert, im Alltag toleranter gegenüber unterschiedlichen Menschen zu sein. Ergebnisse wie diese motivieren uns und zeigen: Unsere Initiative „Vielfalt verbindet“ erreicht nicht nur eine große Zahl an Menschen, sondern trägt auch dazu bei, Offenheit, Empathie und Toleranz in der Gesellschaft zu stärken.
An welchen Formaten, Kampagnen oder Inhalten lässt sich konkret ablesen, wie DEI bei RTL gelebt wird? Welche inhaltlichen oder produktionellen Herausforderungen haben Sie dabei erlebt?
Herausforderungen überführen wir gern direkt in Lösungen. Ein Beispiel: Wir haben vor wenigen Jahren mit Umsetzung des inklusiven fiktionalen Spielfilms „Weil wir Champions sind“ direkt einen „Leitfaden für inklusives Drehen“ entwickelt und so in Zusammenarbeit mit einer externen Expertin wertvolle Learnings aus der Produktion festhalten und weitergeben können.
Gab es Widerstände – intern oder extern – gegen bestimmte DEI-Maßnahmen oder Inhalte? Wie gehen Sie mit kritischen Stimmen um, zum Beispiel bei inklusiver Sprache, vielfältigen Protagonistinnen oder gesellschaftspolitischen Positionierungen?
Als Medienunternehmen, das 97 Prozent der Bevölkerung erreicht, sind wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und kommen ihr nach, indem wir zum Beispiel umfangreich, unabhängig und objektiv journalistisch informieren. Darüber hinaus ist es unser Anspruch, unsere Zuschauer*innen und Nutzer*innen mit den besten Entertainment-Inhalten zu erreichen, „Unterhaltung mit Haltung“ spielt da immer mit hinein. Mit unseren fiktionalen und non-fiktionalen Inhalten schaffen wir Mehrwert, Sichtbarkeit und Sensibilisierung und gehen über unsere Social-Media-Kanäle gleichzeitig mit den Menschen, die sie verfolgen, konstruktiv in den Diskurs.
In einem zunehmend polarisierten politischen und gesellschaftlichen Klima stellt sich vielen Unternehmen die Frage, wie offen und sichtbar sie sich positionieren. Wie geht RTL mit dieser Gratwanderung zwischen Haltung und öffentlicher Debatte um?
Mit einer klaren Haltung, hinter der unsere Geschäftsführung auch persönlich steht. Wir sind überzeugt: Die Gleichwertigkeit aller Menschen zu achten, ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. RTL Deutschland steht für Werte wie Vielfalt und Gemeinschaft. Sie sind die Grundlage unserer Inhalte-Angebote, unseres Selbstverständnisses im Unternehmen – und sich auf sie zu besinnen ist aktuell vielleicht wichtiger denn je. Egal, wie sich die Welt verändert – bei RTL leben wir Vielfalt und heißen alle willkommen! Jetzt und in Zukunft.