Micro-Retailing der Spielwarenbranche: Kundennähe neu gedacht

7. August 2025, 7:56

In einer zunehmend digitalisierten Handelslandschaft gewinnt ein Trend an Kraft, der auf Nähe, Persönlichkeit und Flexibilität setzt: Micro-Retailing. Besonders in der Spielwarenbranche, wo Vertrauen, Erleben und Beratung entscheidend sind, eröffnet Micro-Retailing neue Chancen. Best Practice Beispiel: der Miffy Pop-up-Store, den Rechtegeber Mercis aus den Niederlanden zusammen mit Studio 100 International im Frühjahr 2024 in Berlin eröffnet hat. Janina Hamhaber hat nachgefragt, wie das Konzept gelingen kann.

Kleine, lokal verankerte Verkaufspunkte, mobile Pop-up-Stores oder integrierte Shop-in-Shop-Konzepte ermöglichen es Marken, direkt dort präsent zu sein, wo Kinder und Familien unterwegs sind. Mit niedrigem Flächenbedarf, digitaler Unterstützung und zielgenauer Ansprache schafft Micro-Retailing eine neue Form des Erlebnishandels: nah am Kunden, nah am Spiel.
Die Spielwarenbranche lebt von Emotionen, Erleben und Vertrauen – Faktoren, die in großen, anonymen Online-Shops eher verloren gehen. Micro-retailing ermöglicht daher Hersteller*innen und Händler*innen, Produkte nah an der Zielgruppe zu präsentieren: in Einkaufszentren, bei Events, auf Stadtfesten oder in Freizeitparks. Der Vorteil ist klar, denn sie fallen schnell ins Auge, sind oft innovativ aufgestellt und begeistern die Kundschaft. Denn gerade bei Kindern und Eltern zählt oftmals der erste Eindruck, das Ausprobieren und die Atmosphäre. Daher eignen sich Pop-up-Stores gut dafür, um eine Marke vorzustellen und bleibende Erinnerungen bei der Kundschaft zu schaffen.
Auch Mercis hat zusammen mit Studio 100 International einen Miffy Pop-up-Store in Berlin erfolgreich umgesetzt und blickt im Interview mit Janina Hamhaber positiv darauf zurück.

Bunte Souvenirs mit Miffy in Berlin (Bilder © Mercis)
Einladend gestaltete Stimmung am PoS in Berlin (Bilder © Mercis)

Der Miffy Pop-up-Store war in der Mall of Berlin, die im Zentrum liegt und ein beliebtes Einkaufsziel für Einheimische und Touristen darstellt. An wen hat sich der Store gerichtet, beziehungsweise waren insbesondere Touristen die Zielgruppe?
Der Miffy Pop-up Store richtete sich vor allem an eine internationale Zielgruppe, passend zur Metropole Berlin und ihren multikulturellen Einwohnern. Der Hauptfokus lag auf der asiatischen Community im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Darüber hinaus sollte der Store auch alle Erwachsenen ansprechen, die Miffy aus ihrer eigenen Kindheit kennen und die Marke ihren Kindern näherbringen möchten. Die vielen Touristen in Berlin waren ebenfalls ein Bonus.

Wie erfolgreich war der Miffy Store in Berlin? War es erfolgreich genug, dass wieder ein Pop-up-Store geplant ist, vielleicht mit einem anderen Thema?
Das Konzept eines Miffy Stores ist nicht ganz neu. Mercis betreibt als Rechtegeber der Marke bereits seit einiger Zeit zwei eigene feste Miffy Shops in Amsterdam, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Basierend auf diesen positiven Erfahrungen eröffnete Mercis einen ersten Pop-up-Store in London, welcher ebenfalls ein riesiger Erfolg war. Daraus entstand die Idee, das Modell auch in anderen Städten zu initiieren und mit Berlin war dafür schnell die richtige Örtlichkeit gefunden. Die Strategie ging voll auf und aufgrund des gewaltigen Andrangs und der hohen Nachfrage blieb der Laden sogar sechs Monate länger als geplant geöffnet. Pop-up-Stores bieten generell eine gute Möglichkeit, ergänzend zum klassischen Handel oder anderen temporären Events (Konzerte, Messen), Awareness für eine Marke zu schaffen und das Lizenzierungsgeschäft voranzutreiben.

Wie stark ist der Erfolg eines Pop-up-Stores von Lizenzen abhängig?
Die Lizenz spielt eine zentrale Rolle für den Erfolg eines Pop-up-Stores und bietet eine gute Stütze – eine Garantie liefert sie jedoch nicht. Viel wichtiger ist eine gut abgestimmte Gesamtstrategie. Diese setzt sich aus einer starken Kommunikation und der passenden Location zusammen. So kann beispielsweise eine Top-Lizenz ohne die richtigen Rahmenbedingungen unterperformen, während eine mittelstarke Lizenz mit einem stimmigen Konzept erfolgreich funktionieren kann.

Wie können Micro-Retailing-Formate zur Markenbildung und Kundenbindung beitragen?
Micro-Retailing-Formate sind eine gute Strategie, um Marken erlebbar zu machen. Das Konzept schafft auf kompaktem Raum emotionale, sensorische Erlebnisse, durch die Kunden die Marke erfahren können. Kreative Inszenierungen wie Pop-up-Cubes, mobile Kioske oder Experience Container sorgen für ein lebendiges Markenerlebnis, das langfristig die Kundenbindung stärkt. Besonders für Saisonthemen sind Micro-Retailing-Formate in Kombination mit personalisierten oder limitierten Produkten optimal geeignet, um fokussierte Markenstorys zu erzählen. Passend zur Fußball EM der Herren wurde die Miffy-Produktpalette beispielsweise um die jeweiligen Trikots der Teilnehmerländer ergänzt. Im Vergleich zu dauerhaften PoS-Strukturen gelingt damit eine persönliche Ansprache, die eine deutlich stärkere Wirkung auf die Zielgruppe ausübt. Marken beweisen dadurch außerdem ihre Innovationskraft, ihr Trendgespür sowie ihre Nähe zum Kunden. Das macht kreatives Micro-Targeting mit der richtigen Strategie und einem stimmigen Gesamtkonzept zu einem klaren Wettbewerbsvorteil, insbesondere im Bereich der Lifestyle- oder Kindermarken.

(Bilder © Mercis)

Welche Zielgruppen werden mit Pop-up-Stores am effektivsten angesprochen?
Besonders geeignet sind Pop-up-Stores für emotional motivierte Zielgruppen wie Familien mit Kindern. Aber auch junge Erwachsene, die ein starkes Interesse an hippen Lifestyle-Inszenierung und „instagrammable“ Erlebnissen haben, können mit einem Pop-up-Store erreicht werden. Hinzu kommen Sammler, die durch die Exklusivität und das Community-Gefühl des Konzepts angesprochen werden. Bei Miffy ist es dadurch beispielsweise gelungen, die kindliche Ausrichtung zu verlassen und die Marke darüber hinaus durch unter anderem Einrichtungsgegenstände wie Couch-Deko oder Küchenaccessoires neuen Kunden näherzubringen.

Wie lange ist ein klassischer Pop-up-Store geöffnet, und welche Faktoren bestimmen die Dauer?
In der Regel sind Pop-up-Stores zwischen drei und sechs Monaten geöffnet. Die optimale Dauer unterscheidet sich je nach Konzept. Ein Faktor, der hierbei eine Rolle spielt, ist neben dem angebotenen Produkt der Neuheitseffekt. Aber auch der Anlass ist relevant: Im Rahmen eines Konzerts oder Festivals ist eine Öffnungszeit von zwei bis fünf Tagen am wirkungsvollsten. Die Dauer muss zum Gesamtkonzept stimmen, so startete der Miffy Pop-up-Store beispielsweise kurz vor Ostern und blieb über den Geburtstag des kleinen Häschens geöffnet.

Schön gestaltete Verkaufsdisplays in Paris (Bilder © Mercis)

Wie sind Sie mit logistischen Herausforderungen umgegangen, also mit Wareneinkauf, Warenlagerung, Personalplanung, und wie flexibel waren Sie mit der Nachbestellung?
Jedes Konzept ist mit anderen logistischen Herausforderungen verbunden. Die Location spielt hierbei beispielsweise eine große Rolle. Ob ein lokales Nachfüll-Depot am PoS möglich ist, hängt vom Platz und der Logistik vor Ort ab. Ergänzend ist meist ein lokales Außenlager sowie direkte Kommunikationswege und Lieferketten zu den Lizenznehmern und Lieferanten wichtig, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Diese Voraussetzung waren beispielsweise bei dem Miffy Pop-up-Store in Berlin gegeben. Die Zusammenarbeit unter der Federführung von Mercis in Kooperation mit dem Betreiber des Shops, Jens Köhler von der Nizzu Artist & Relation GmbH, verlief von Anfang bis Ende positiv. Insbesondere die unkomplizierte Kommunikation ermöglichte es, alle Herausforderungen zu meistern. Auch das hat maßgeblich zum Erfolg des Konzepts beigetragen.

Wie lässt sich der Erfolg eines Pop-up-Stores im Spielwarenhandel messen?
Den Erfolg eines Pop-up-Stores direkt zu messen, gestaltet sich schwierig, da er sich meist mittelbar durch eine Sensibilisierung und Fokussierung auf die Marke auszeichnet. Strategisch gesehen ist ein Pop-up-Store daher ein gutes Marketing-Tool, um zusätzlich zu den temporären Ertragserlösen Markenawareness und -bindung zu erreichen.

Welche Rolle spielt Social Media beim Thema Pop-up- Stores? Welche Plattformen wurden genutzt und sind besonders erfolgreich? Wurden gezielt Influencer eingeladen? Falls ja, welche Voraussetzung mussten sie mitbringen?
Damit ein Pop-up-Store erfolgreich wird, ist das richtige Social-Media-Konzept integraler Bestandteil der Gesamtstrategie und darf nicht nur als „Add-on“ betrachtet werden. Die Auswahl von Plattformen und Influencern muss hierbei auf Zielgruppe, Content und die Markenwerte abgestimmt sein. Die Inhalte müssen sowohl im Stil als auch in der Qualität und der Tonalität zur Marke passen. Besonders erfolgreich haben sich beispielsweise Instagram und TikTok, ergänzt durch Mikro-Influencer und eine Community-Aktivierung, gezeigt. Konkret auf Pop-up-Stores bezogen könnte eine erfolgreiche Social-Media-Strategie aus mindestens ein bis zwei Posts oder Reels zur Ankündigung, einer Live-Story des Events sowie passenden Hashtags oder Brand-Tags bestehen.

miffy.de
studio100international.com

Miffy vor dem Brandenburger Tor in Berlin (Bilder © Mercis)