Psychologie: So Lernen Babys
Die Babyforschung hat sich in den letzten 30 Jahren sehr verändert. Es gibt neue Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung, wie sich Kinder in ihrem ersten Lebensjahr entwickeln, wie sie neue Reize aufnehmen und lernen. Professor Dr. Gert Westermann ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie und lehrt an der Lancaster University. Dort leitet er ein „Babylab“, um herauszufinden, was in den kleinen Köpfen vor sich geht.
Herr Westermann, wie arbeiten Sie mit den Säuglingen, um deren Entwicklung zu erforschen?
Babys kann man nichts fragen und man kann ihnen keine Anweisungen geben, außerdem haben sie eine ziemlich kurze Aufmerksamkeitsspanne. Deshalb verwenden wir verschiedene Methoden, um zu erfahren, was Babys wissen, wie sie lernen und was sie interessiert. Wir haben eine Datenbank mit interessierten Eltern. Und wenn ein Baby das richtige Alter für eine bestimmte Studie erreicht hat, laden wir die Familie in unser „Babylab“ ein.
Wie muss man sich ein „Babylab“ vorstellen?
In vielen Studien sitzen die Babys auf dem Schoß der Mutter oder des Vaters vor einem Bildschirm, auf dem wir verschiedene Reize darstellen, zum Beispiel bunte Bilder. Durch Beobachtung ihres Blickverhaltens gewinnen wir wichtige Erkenntnisse über die Informationsverarbeitung von Babys – Wo schauen sie hin und wie lange? Denn Babys schauen länger auf Dinge, die für sie neu sind oder sie überraschen. Wir benutzen Eye Tracker, um diese Blickbewegungen zu erfassen und auszuwerten. Zeigt man zum Beispiel einen Ball und einen Kreisel nebeneinander und das Baby schaut länger auf den Kreisel, können wir daraus schließen, dass der Kreisel interessanter für das Kind ist als der Ball, den es schon kennt. Mit diesem Verfahren kann man auch das Vokabular testen: Wenn das Baby zum Beispiel hört „Wo ist der Ball?“ und dann länger auf den Ball schaut, schließen wir daraus, dass das Baby das Wort „Ball“ bereits versteht.
Welche Methoden kommen im „Babylab“ noch zum Einsatz?
Es gibt auch Methoden, die zum Beispiel die Gehirnströme erfassen, während Babys Informationen verarbeiten. Andere Methoden messen den Blutfluss im Gehirn. Dadurch können wir erkennen, wie und wo im Gehirn Babys gewisse Reize verarbeiten. Man kann die Kinder aber auch ganz einfach in Spielsituationen beobachten und dabei filmen. Dadurch erfahren wir etwa, wie Eltern und Kind kommunizieren, wie oft es ihnen etwas zeigt und so weiter.
Das klingt sehr interessant. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
Man hat mit diesen Methoden in den letzten 30 Jahren sehr viel über Babys herausgefunden. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Babys sehr schnell lernen können, dass sie Informationen aus Ihrer Umwelt regelrecht aufsaugen und dass sie aktiv lernen. Zum Beispiel, welche Reize öfter auftreten als andere oder in welcher Kombination. Oder den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, etwa wenn sie den Knopf an einem Spielzeug drücken, um ein Geräusch auszulösen. So lernen Babys, die Struktur ihrer Umgebung zu verstehen. Momentan rückt auch das multimodale Lernen in den Fokus der Kleinkindforschung. Also wie verschiedene Aspekte einer Erfahrung – visuell, auditiv und motorisch – das Lernen beeinflussen. Solche Eindrücke über verschiedene Sinneskanäle erleichtern Babys das Lernen, etwa mit einem Multifunktions-Spielzeug: Es bietet unterschiedliche Spielmöglichkeiten, die das Verarbeiten und Integrieren multipler Informationsquellen fördern.
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Ansicht wissen wir jetzt auch, dass neugeborene Babys nicht nur schwarzweiß sehen, sondern auch eine rudimentäre Wahrnehmung von Farben haben, die sich in den ersten sechs Monaten stark entwickelt. Deshalb können kleine Babys besonders gut kontrastreiche Bilder wahrnehmen wie sie in Bilderbüchern mit Illustrationen aus komplementären Farbflächen zu finden sind.
Wir wissen auch, dass schon von Babys gelerntes Wissen beim Schlafen konsolidiert wird. Ein kurzes Nickerchen, nachdem das Baby etwas gelernt hat, hilft also, diese Information im Langzeitgedächtnis zu speichern.
Mit Ihrem Forschungsteam untersuchen Sie vor allem die kognitive und frühe Sprachentwicklung von Säuglingen. Was gibt es dazu Neues?
Babys lernen Sprache unglaublich schnell. Schon mit sechs Monaten verstehen Kinder erste Wörter, noch während sich ihre Sprachwahrnehmung an die Muttersprache anpasst. Diese Anpassung beginnt bereits vor ihrer Geburt: Denn neugeborene Babys können ihre Muttersprache deutlich von anderen Sprachen unterscheiden. Und dies haben sie gelernt, als sie die Sprache schon im Mutterleib gehört haben. Und wir wissen, dass jene Sprache, die Babys hören, ihnen hilft, die Welt in Kategorien einzuteilen. Zum Beispiel: „Wie heißt das Tier?“ Oder: „Ist das ein Auto oder ein Traktor?“ Dies setzt natürlich das gemeinsame Anschauen eines Bilderbuches oder ähnliches voraus.
Was hat sich für die neue Generation an Babys geändert?
Es scheint wirklich so zu sein, dass Eltern heutzutage verunsichert sind, wie sie ihr Baby optimal fördern können. Deshalb steht bereits auf den meisten Spielsachen, welche motorischen und kognitiven Fähigkeiten es fördern soll – früher haben Babys einfach nur damit gespielt. Natürlich hat sich auch die Spielzeugwelt im positiven Sinne weiterentwickelt, besonderes im elektronischen Bereich. Es gibt sehr gute Apps und interaktive Spielsachen, die einerseits tolle Möglichkeiten zum Lernen mit Spaß bieten. Andererseits wächst damit auch die Ablenkung von der sozialen Interaktion. Studien zeigen, dass eine übermäßige Handynutzung der Eltern die kindliche Entwicklung negativ beeinträchtigen.
Ihr „Baby“ ist der Forschungsbereich „infant curiosity“? Was genau wird dabei erforscht? Warum sind Babys denn so neugierig?
Babys wollen lernen! Lange hat sich die Kleinkindforschung darauf spezialisiert, Babys vorgegebene Reize am Bildschirm darzustellen und zu untersuchen, wie die Kleinen diese Informationen verarbeiten. Das ist wichtig zu wissen – es ist aber auch so, dass Babys aktiv ihre Welt erforschen und oft auch selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen wollen. Daher untersuchen wir in meinem Team, wie die Säuglinge Reize auswählen und ob dieses aktive Erforschen das Lernen begünstigt.
Spielen hierbei auch positive Gefühle eine Rolle wie zum Beispiel Freude und Spaß an der Neugier? Unterscheiden sich Babys dabei?
Ja, auf jeden Fall macht Babys das von der Neugier getriebene Entdecken Spaß. Und um dies genauer zu erforschen, haben wir einen Fragebogen entwickelt, in dem Eltern verschiedene Verhaltensweisen ihrer Babys evaluieren. Wir finden hier drei Arten von Neugier: 1. Die sensorische Neugier – die Babys beobachten gerne eine Vielfalt von Objekten und spielen mit ihnen. 2. Die soziale Neugier – diese Babys fragen Informationen von Erwachsenen ab, zum Beispiel durch Blickkontakt oder indem sie dem Erwachsenen etwas zeigen oder hinhalten. Und 3. Die investigative Neugier – dabei untersuchen die Babys Objekte genauer, schauen in Becher oder Einkaufstaschen und so weiter. Babys unterscheiden sich in diesen Arten der Neugier. Dabei haben wir herausgefunden, dass sich investigative und soziale Neugier bei elfmonatigen Babys auch positiv auf den produktiven Sprachwortschatz ein Jahr später auswirkt.
Wie lassen sich diese Erkenntnisse nutzen? Können Eltern ihre Babys mit entsprechenden Angeboten fördern?
Ja – Eltern sollten direkt auf ihr Baby eingehen und es als Person anerkennen. Das heißt, viel mit ihm zu sprechen, zum Beispiel, was sie gerade machen, was sie sehen oder was man hört. Dazu gehört auch das gemeinsame Anschauen und Vorlesen von Bilderbüchern. Für das selbstbestimmte Lernen können sie ein reiches, interessantes Umfeld bieten. Das heißt nicht, dass man dem Kind ständig neue Dinge vorsetzen muss, das wäre Reizüberflutung. Aber gerade mit Spielzeug, das die Babys ansehen, greifen, drücken, fühlen, hören und entdecken können, machen sie vielfältige sinnliche Erfahrungen. Für etwas ältere Kinder können die Funktionen dann mitwachsen und komplexer sein und sie zum Erforschen animieren. Das weckt die Neugier und weckt die Lust am Lernen.
Babys entdecken die Welt auf unterschiedliche Weise – durch Beobachten und Fühlen, durch den Austausch mit Erwachsenen oder durch aktives Erkunden. Passende Produkte fördern gezielt eine dieser drei Neugier-Arten und unterstützen so die Entwicklung kleiner Entdecker.
„Pop-it Piranha“
Der kuschelige Plüschfisch besteht aus verschiedenen Materialien mit vielen Spieleffekten und lädt schon die Allerjüngsten zum Fühlen und Entdecken ein. Mit praktischem Clip zum einfachen Befestigen an Babyschale oder Kinderwagen.
„Baby-Stapel-Puzzle: Vogelnest“
Die fünf Spielelemente aus farbigem Silikon können kleine Forscher greifen, stapeln, füllen oder zum Nest fürs Vögelchen ineinander stellen..
„Mein erstes Schiebebuch: Gefühle“
Damit entdecken kleine Kinder ab 18 Monaten große Gefühle. Dank der Schieber werden sie aktiv in das Geschehen eingebunden und lernen so den Umgang mit emotionalen Momenten.