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Global – Brexit – Der Deal zum Jahresende

3. Februar 2021, 12:50

Sprichwörtlich in letzter Sekunde einigten sich die Europäische Union und Großbritannien am 24. Dezember 2020, viereinhalb Jahre nach dem Austritts-Referendum, nun auf ein Abkommen zur Regelung der künftigen Beziehungen zwischen beiden Wirtschaftsregionen. Großbritannien ist nach dem Austritt aus der Europäischen Union und dem Binnenmarkt nun Drittland, für welches, wie für andere außereuropäische Staaten auch, besondere produkt-, handels- und zollrechtliche Vereinbarungen gelten. Nachfolgend beleuchtet Alexander Breunig vor allem die produktrechtliche Seite der neuen Situation.

Zunächst ist festzustellen, dass sich zum Stichtag 1. Januar 2021 die technischen Produktanforderungen sowie die Verfahren zur Konformitätsbewertung zunächst nicht ändern. Großbritannien übernimmt die bestehende EU-Gesetzgebung in nationales Recht.
Für Spielwaren ersetzt damit ab Jahresbeginn die britische Verordnung über die Spielwarensicherheit „SI 2011 No. 1881 – The Toys (Safety) Regulations 2011“ die Europäische Spielzeugrichtlinie. Dies ist die britische Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Zum Stichtag sind beide Vorschriften identisch, die letzten (chemischen) Ergänzungen aus 2020 wurden in der SI 1881 noch berücksichtigt. Unklar ist, ob die demnächst anstehenden weiteren Ergänzungen (für Formaldehyd und Aluminium) ebenfalls direkt übernommen werden. Die Folgen einer Abweichung werden später noch erläutert.
Das „Department for Business, Energy & Industrial Strategy” (BEIS) hat in diesem Zusammenhang am 1. Januar 2021 eine Liste (0006/21) der anzuwendenden Normen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens („UK designated standards“) veröffentlicht. Diese beinhaltet die jeweils aktuellen Versionen der harmonisierten Normen (EN71-Serie und EN62115) der EU. Ab dem 1. Januar 2021 ist formal das „UKCA“ Mark (UKCA = UK Conformity Assessed) das Konformitätskennzeichen für den britischen Markt. Die Grundlage zu Vergabe des UKCA ist die Konformitätsprüfung nach den nun gültigen britischen Normen und die Erstellung der entsprechenden UK-Konformitätserklärung.

Diplom-Chemie-Ingenieur Alexander Breunig war mehr als zwei Jahrzehnte für ein Unternehmen der Konsumgüterindustrie tätig und verantwortete dort unter anderem die chemische und die zentrale Qualitätssicherung. Darauf folgten 13 Jahre Tätigkeit für Prüfinstitute, wo er auch für den Themenbereich Spielzeug verantwortlich war.Seit nunmehr 24 Jahren ist er Mitglied in deutschen und europäischen Normungsgremien zur Spielzeugsicherheit und weiteren Normungsgremien zu chemischen Prüfverfahren. Seit Oktober 2019 verstärkt er die Arbeit des DVSI auf nationaler und internationaler Ebene, wenn es um Fragen der Spielzeugsicherheit geht.

Um dem Markt die Möglichkeit zur Anpassung zu geben, hat die britische Regierung verschiedene Übergangsfristen eingeräumt, mit Ausnahme von Produkten, die bisher verpflichtend eine Baumusterprüfung durchlaufen mussten. Solche Produkte müssen seit Jahresbeginn ein „UK Type approval“ eines britischen „Approved body“ durchlaufen und das UKCA-Zeichen tragen.
Die erste Stufe der Übergangsfristen betrifft Produkte mit CE-Kennzeichnung, die bereits vor dem 31. Dezember 2020 gefertigt und auf dem Markt verfügbar waren. Dies betrifft Waren, zum Beispiel aktueller Lagerbestand, der Gegenstand eines Kaufvertrages ist (aber beispielsweise noch nicht geliefert wurde), Produkte, für die eine Bestellung vorliegt oder die beispielsweise in einem Katalog oder auf einer Website angeboten werden. Solche Produkte können bis zum 31. Dezember 2021 durchverkauft werden. Wird bereits parallel ein UKCA-Zeichen verwendet, so kann dies auf der Verpackung, einem Label oder anderen Begleitdokumenten angebracht sein. Ab 1. Januar 2022 wird das CE-Zeichen in UK nicht mehr akzeptiert und das UKCA-Zeichen wird verbindlich. Die parallele Anbringung neben den CE-Zeichen ist möglich. Bis zum Jahresende 2022 kann dies ebenfalls auf der Verpackung, einem Label oder anderen Begleitdokumenten angebracht sein. Ab 1. Januar 2023 besteht die Forderung, dass das UKCA-Zeichen auf dem Produkt angebracht sein muss. Dies ist jedoch umstritten und wird kontrovers diskutiert. Hauptgrund für eine Ablehnung ist unter anderem fehlender Platz auf dem Produkt oder auch immense Kosten bei der Umstellung, zum Beispiel durch Umarbeitung von Spritzgießformen.
Wichtig für alle Übergangsregelungen für CE-gekennzeichnete Produkte ist, dass sich die Vorschriften im Zeitraum bis 31. Dezember 2021 nicht ändern beziehungsweise dass Änderungen in die Regelungen des jeweilig anderen Wirtschaftsraumes übernommen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, erlöschen die Übergangsregelungen und die UK-Anforderungen werden direkt gültig.
Da UK nun Drittland ist, wechseln die Rollen der bisherigen Marktteilnehmer. Bisherige Händler/Distributoren führen nun Waren aus einem Drittmarkt (EU) in den britischen Markt ein und nehmen somit die Funktion eines Importeurs ein. Damit einhergehend ergeben sich deutlich erweiterte Verantwortlichkeiten, wie zum Beispiel die Sicherstellung und Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen des Herstellers sowie die Verfügbarhaltung der entsprechenden technischen Dokumentation. Marktteilnehmer aus Drittstaaten benötigen künftig einen Vertreter im britischen Rechtsraum. Dies könnte zum Beispiel durch die Gründung einer britischen Niederlassung oder durch die Beauftragung eines Bevollmächtigten (Authorized representative (AR)) innerhalb des UK-Rechtsraumes erfolgen. Dieser muss schriftlich bestellt werden und nimmt im definierten Rahmen die Herstellerverpflichtungen im britischen Markt wahr. Werden Waren von einer in UK ansässigen Niederlassung/Tochterfirma hergestellt, gelten die UK-Regeln und beim Export in die EU die bisherigen Regeln entsprechend.
Ebenfalls ab Jahresbeginn müssen Produkte, die auf dem britischen Markt bereitgestellt werden, eine britische Anschrift (Kontaktadresse) tragen. Die Anbringung der (Nicht-UK)-Herstelleradresse ist nach vorliegenden Anforderungen nur akzeptabel, wenn eine britische Importeur- oder AR-Anschrift verfügbar ist. Die Anschriften können noch bis 31. Dezember 2022 auf der Verpackung, auf Produktanhängern (hang tags) oder weiterer Dokumentation angebracht werden. Der Begriff „weitere Dokumentation“ wird in einem Leitliniendokument des „Office for Product Safety & Standards“ näher beschrieben. Damit ist es möglich, die Anschrift zur Rückverfolgbarkeit auf verschiedensten Dokumenten anzubringen, solange die Anschrift für Behörden und Verbraucher verfügbar ist. Als Beispiel werden Versandpapiere, Endverbraucherrechnungen, Umverpackungen oder auch als Inhalt der Konformitätserklärung genannt. Ergänzend können die Kontaktdaten auch auf der Firmen-Website zur Verfügung gestellt werden.
Für Nordirland wurde ein Sonderstatus vereinbart (Northern Ireland Protocol). Für Waren, die ausschließlich in Nordirland verkauft werden, behalten die europäischen Anforderungen weiterhin Gültigkeit (CE-Zeichen und EU-Konformitätserklärung). Hierbei müssen eine europäische und eine nordirische Adresse am Produkt angebracht werden. Für Waren, die neben in Nord-Irland auch in UK vertrieben werden sollen, sind die europäischen und die britischen Anforderungen zu erfüllen.
Abschließend ist anzumerken, dass eine Anzahl weiterer Änderungen für die Marktteilnehmer relevant sind oder werden. Zwei Beispiele sind die Umsetzung der EU-REACH-Verordnung in ‚UK REACH‘ und das EU-Schnellwarnsystem für unsichere Produkte ‚Safety Gate‘ (RAPEX), das in UK durch die ‚Product Safety Database‘ ersetzt wird.