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Brennpunkt: Risikoreiches Kinderspiel

7. August 2025, 7:59

CE-Kennzeichnung? Fehlanzeige. Rücksendeadresse? Irgendwo in Shenzhen. Während
europäische Hersteller jede Sicherheitsnorm penibel erfüllen müssen, überschwemmen Onlineplattformen wie Temu, Shein oder Alibaba Express den deutschen Markt mit vermeintlichen
Schnäppchen und das oft unter Missachtung geltender EU-Vorgaben. Für die Spielwarenbranche ist das nicht nur ein wirtschaftliches Ärgernis, sondern ein massives Sicherheitsrisiko. Doch nun
mehren sich die Zeichen für ein regulatorisches Umdenken auf nationaler wie europäischer Ebene.

Produkte aus Drittstaaten, die über Onlineplattformen direkt an europäische Verbraucher verschickt werden, verletzen häufig grundlegende rechtliche Vorgaben. Das zeigen Stichproben der Zoll- und Marktüberwachungsbehörden immer wieder. Ob fehlende CE-Kennzeichnung, gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe oder unklare Rücksendeadressen: Die Liste der Mängel ist lang. Während Spielwaren „Made in Europe“ strenge Normen und Prüfverfahren durchlaufen müssen, gelangen Produkte aus Fernost teils unkontrolliert in die Kinderzimmer. Dieses Missverhältnis gefährdet nicht nur Kinder, sondern auch den fairen Wettbewerb: Europäische Anbieter, die gesetzestreu agieren, werden durch rechtswidrig agierende Billiganbieter massiv unter Druck gesetzt. Der DVSI, Branchenvertreter und Verbraucherschützer fordern daher seit Längerem verbindliche Regeln und sehen sich nun durch aktuelle politische Initiativen bestätigt.

Aktionsplan der Bundesregierung
Bereits im Januar 2025 legte das Bundeswirtschaftsministerium einen umfassenden Aktionsplan E-Commerce vor, der auf europäische Kooperation und stärkere Marktüberwachung setzt. Ziel ist es, die Einhaltung von Sicherheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzvorgaben im digitalen Handel endlich effektiv durchzusetzen. Die Kernpunkte des Papiers sehen folgendes vor:

  • Zentrale EU-Koordination & digitale Kontrollen: Marktüberwachungsbehörden sollen über Webcrawler und Datenplattformen (wie Safety Gate oder ICSMS) koordiniert und automatisiert gegen gefährliche Produkte vorgehen. Ein digitaler Produktpass soll künftig zentrale Sicherheits- und Herkunftsinformationen bündeln.
  • Verantwortung für Plattformen: Große Onlineplattformen wie Temu, Shein oder AliExpress sollen als fiktive Einführer gelten und zwar mit voller Haftung für Zoll- und Produktsicherheitsvorschriften, wenn kein in der EU ansässiger Verantwortlicher auffindbar ist.
  • Stärkere Zollkontrollen: Besonders Produkte aus Risikoländern sollen bei der Einfuhr stärker kontrolliert werden. Gleichzeitig fordert die Bundesregierung die Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze für Drittstaatenimporte, um Schlupflöcher zu schließen.
  • DSA & Transparenz: Die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) soll verschärft kontrolliert werden. Plattformen sollen nach dem Prinzip „Know your business customer“ nur nachweislich registrierte Händler zulassen und bei Verstößen empfindlich sanktioniert werden.

Bundesrat erhöht Druck
Mit der Entschließung „Verbraucher beim Online-Einkauf schützen“ hat nun auch der Bundesrat deutlich Stellung bezogen und stellt klare Forderungen an die Bundesregierung. Die Länderkammer fordert die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene für eine sofortige und spürbare Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Drittstaatenangeboten einzusetzen. Das heißt konkret:

  • Haftung für Plattformbetreiber: Wenn kein EU-ansässiger Wirtschaftsakteur benannt ist, sollen Plattformen wie Temu oder Shein selbst für die Einhaltung der EU-Vorgaben verantwortlich gemacht werden.
  • Pflicht zur Transparenz: Vor Vertragsabschluss sollen Anbieter verpflichtend über Rücksendeadresse, mögliche Zollgebühren sowie Rücksendekosten informieren müssen und das klar sichtbar und verständlich.
  • Sperrung bei Verstößen: Marktüberwachungsbehörden sollen im Ernstfall ganze Plattformen regional sperren können, bis Verstöße behoben und offene Bußgelder gezahlt sind.
  • Zollfreibetrag abschaffen: Auch der Bundesrat fordert die Abschaffung der Zollfreigrenze für Importe unter 150 Euro.Ausbau internationaler Kooperationen: Plattformbetreiber und Kontrollbehörden aus Drittstaaten sollen enger eingebunden werden, um gefährliche Produkte schon an der Quelle abzufangen.

DVSI begrüßt Maßnahmen
Auch der DVSI begrüßt die politische Bewegung in Berlin und Brüssel. In einem aktuellen Statement unterstreicht Geschäftsführer Uli Brobeil die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen, warnt aber zugleich davor, sich mit Absichtserklärungen zufrieden zu geben: „Die Vorschläge der Länder nach mehr Verbraucherschutz beim Online-Kauf von Produkten, die auf Plattformen aus Nicht-EU-Staaten angeboten werden, greifen zentrale Forderungen des DVSI auf. Dazu zählen erweiterte Informationspflichten, die Haftung der Plattformbetreiber, der Ausbau von Zoll und Produktsicherheitskontrollen sowie die Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Die Marktüberwachungsbehörden sollen laut Länderkammer mit Instrumenten ausgestattet werden wie sie im stationären Handel längst gang und gäbe sind. Zudem soll die Abschaffung des Zollfreibetrages vorgezogen werden. Der DVSI unterstützt diese Positionen des Bundesrats, stellt aber auch fest, dass die Maßnahmen, die der Entschließungsantrag des Bundesrats auflistet, nicht wirklich neu sind. Bereits die alte Ampel-Bundesregierung hatte im Januar 2025 einen Aktionsplan E-Commerce vorgelegt. Ein Erkenntnisdefizit besteht also nicht. Dass der Bundesrat noch einmal den Finger in die Wunde legt und die Schwachstellen im gegenwärtigen Onlinehandelssystem aufzeigt, begrüßt der DVSI dennoch, weil es zur richtigen Zeit passiert. Ende Juli hatte die EU-Kommission vorläufig festgestellt, dass der chinesische Online-Shop Temu gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstößt und ‚Verbraucher und Verbraucherinnen in der EU einem hohen Risiko ausgesetzt sind, auf der Temu-Plattform auf illegale Produkte zu stoßen.‘ Die Länderkammer fordert also aus gutem Grund die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass alle Marktteilnehmern die europäischen Sicherheitsstandards einhalten. Der DVSI sieht die Bundesregierung, aber vor allem Brüssel gefordert, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Dass die chinesische Online-Plattform am selben Tag, als die Kommission den Verstoß von Temu gegen den DSA publik machte, ankündigte, der International Trademark Association (INTA) als Mitglied beigetreten zu sein, um sich im Ausschuss zur Bekämpfung von Produktfälschungen zu engagieren, reicht jedenfalls nicht.“
Jetzt ist wichtig, dass den Worten der Regierungen in Brüssel und Berlin auch konsequente Taten folgen, denn nur dann kann der digitale Binnenmarkt zu einem Ort werden, an dem Sicherheit, Fairness und Wettbewerbsneutralität nicht länger verhandelbar sind.